LEH: Dubiose Machenschaften

Die Milchbranche ist zu Recht in Aufruhr: Lebensmittelhändler drücken die Preise, präsentieren sich aber als "ehrbare Kaufleute". Was muss passieren, um die dubiosen Machenschaften einzudämmen?

Das ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten: Erst senken die Lebensmittelhändler die Einkaufspreise für Butter bei den Molkereien, halten die Preise im Laden aber konstant und kassieren ab, da die Verbraucher wegen des Coronavirus mehr Butter bunkern. Dann will Aldi die Verhandlungen für die ab 1. Mai geltenden Trinkmilch-Kontrakte auf März vorziehen und nur günstigere Preise akzeptieren.

Die Milchbranche ist zu Recht in Aufruhr. Ständig beteuern Lebensmittelhändler, dass auch sie faire Preise für heimische Landwirte wollen. In Wahrheit ist ihnen aber jedes Mittel recht, die Erzeugerpreise zu drücken. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte Anfang Februar zum Handelsgipfel geladen, am Freitag dieser Woche setzt Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner das Gespräch fort. Durch politische Appelle allein dürften die Unternehmensbosse ihre Praktiken zwar kaum ändern. Aber sie rücken den Handel in die mediale Aufmerksamkeit und bringen dubiose Machenschaft ans Tageslicht.

Wass mus passieren?

Genau diese Transparenz fürchten die „ehrbaren Kaufleute“. Allerdings muss noch mehr passieren:

  • Das Kartellamt sollte die Lieferbeziehungen zwischen Molkerei und Handel genauer analysieren – und gegebenenfalls Änderungen anordnen. Zudem sollte die Behörde die Marktmacht der Händler bzw. Einkaufsbündnisse prüfen. Was kartellrechtswidrig ist, gehört verboten – und darf nicht wie bei der Übernahme von Tengelmann durch Edeka per Ministererlass plötzlich gestattet sein.
  • Die Bundesregierung darf auf keinen Fall eine weitere Konzentration im Handel zulassen. Das kann sie aktuell beim Verkauf von Real beweisen. Mehr noch: Sie sollte prüfen, wo sie Zusammenschlüsse wieder lösen oder Ketten zerschlagen kann. Und sie sollte die EU-Richtlinie zu unfairen Handelspraktiken jetzt dringend umsetzen.
  • Unverschämte Forderungen des Handels laufen ins Leere, wenn kein Lieferant darauf eingeht. Deshalb müssen die Molkereien geschlossener als in der Vergangenheit auftreten, kein ­Unternehmen darf ausscheren! Die Molkereiverantwortlichen müssen über ihren Schatten springen und enger zusammenrücken – zum Beispiel mit einer Angebotsbündelung nach dem Vorbild der Einkaufsbündelung des Handels.
  • Die Landwirte sollten weiter auf sich aufmerksam machen, mit Demos, Aktionen oder Verbraucher-Gesprächen. So können sie den Einfluss des Einkaufsverhaltens auf die landwirtschaftliche Produktion vermitteln. Unbedingte Voraussetzung: Bei allen Aktionen ans Gesetz halten!

Der deutsche Lebensmittelhandel ist zwar nur ein Abnehmer unter mehreren, aber ein entscheidender. Er hat eine große Verantwortung für den Agrarstandort Deutschland und die Ernährungssicherung. Danach müssen die Unternehmen jetzt endlich handeln. Und nicht mit permanent höheren Auflagen bei gleichzeitig massivem Preisdruck deutsche Landwirte aus der Produktion treiben.

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