Kommentar

Das Land wird unterschätzt

Städte ziehen die Menschen wie Magnete weg vom „platten Land“. Wenn hier nicht gegengesteuert wird, drohen "verblühende Landschaften".

Die Bundesrepublik ist gespalten: Während die Großstädte und Metropolregionen boomen, entleeren sich nach und nach die ländlichen Gebiete. Das belegt der „Raumordnungsbericht 2017“, der über die großen Trends mit Blick auf die sogenannte Daseinsvorsorge 
informiert. Das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung hat darin interessante Details zusammengetragen. Ein Beispiel:

Schon heute gelten 17 % der Kreise als „dünn besiedelt“, haben also weniger als 100 Einwohner pro Quadratkilometer. Dabei geht die Landflucht weiter: In 20 Jahren wird jeder vierte Kreis arm an Bewohnern sein, und zwar ganz verschärft in den neuen Bundesländern. Dort bleiben fast nur noch die Landeshauptstädte als pulsierende Zentren erhalten. Sie ziehen die Menschen wie Magnete weg vom „platten Land“.

Wenn hier nicht gegengesteuert wird, droht die Landflucht bald zum Selbstläufer zu werden: Wenig Menschen, schlechte Verkehrsanbindung, kaum produzierendes Gewerbe, kaum Arbeitsplätze, eingeschränktes Bildungsangebot, Abbau der Infrastruktur, Abwanderung, Überalterung. Eine große Tageszeitung spricht von „verblühenden Landschaften“.

In Nordrhein-Westfalen ist die Lage bisher noch weit weniger dramatisch. Hier halten sich auch in den ländlichen Regionen wirtschaftlich starke Gebiete. Darüber hinaus bieten die Flächengemeinden Wohnbedingungen, von denen Großstädter nur träumen können. Und ganz abgesehen davon beweisen funktionierende Dorfgemeinschaften häufig eine große Integrationskraft: Einbindung statt Gettobildung.

Das alles gilt es zu erhalten. Deshalb verdient der ländliche Raum auch bei den Koalitionsverhandlungen besondere Aufmerksamkeit. Was gern vergessen wird: Die große Zahl der landwirtschaftlichen Familienbetriebe sorgt für Arbeit und Einkommen in den Dörfern und ist ein unverzichtbarer Teil der Gesamtwirtschaft. Wer „das Land“ zur vermeintlichen Naturidylle alter Zeiten umformen will, nimmt ihm die Zukunft.

Selbstverständlich gehört zur Daseinsvorsorge auf dem Land auch das schnelle Internet. Hier gibt es noch viel zu tun und finanziell zu fördern. Aber das allein rettet den ländlichen Raum nicht. Seine gebündelte Wirtschaftskraft kann nur positiv wirken, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Abseits von Stellvertreterkriegen um Glyphosat oder Kastenstände in der Sauenhaltung geht es um das Bekenntnis zum Dorf, zur Landwirtschaft, zu den Menschen dort. Sie haben es verdient.