Corona-Impulse für die EU

Die anstehende Ratspräsidentschaft fordert Deutschland - durch Corona noch mehr. Nicht nur in den Verhandlungen zur Gemeinsamen Agrarpolitik bietet das die Chance, Impulse zu geben.

Finanzkrise 2008, Fukushima 2011, Flüchtlingskrise 2015: Bundeskanzlerin Angela Merkel kann Krisen. 2020 ist Corona-Krise – und Deutschland übernimmt am 1. Juli für sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft.

Für viele Deutsche sind Brüssel und das europäische Politikgebaren weit weg. Doch es könnte auch für sie ein glücklicher Zufall sein, dass Deutschland jetzt stärker gefordert ist. Denn Merkels nüchterner, aber pragmatischer Politikstil ist vor allem in schwierigen Zeiten effektiv. Das kann bei der Bewältigung der Corona-Pandemie helfen. Und bei weiteren Brennpunkt-Themen der EU: Reform des Asylsystems, US-amerikanischer Truppenabzug, künftige Beziehung zu Großbritannien und der endlose Streit ums Geld.

Planungssicherheit nötig

Nicht alles lässt sich bis Silvester abarbeiten. Deutschland muss aber unbedingt die Verhandlungen über den Mehrjährigen Finanzrahmen für 2021 bis 2027 abschließen. Die Chancen stehen gut. Es könnte sogar mehr Geld geben. Das wäre ein starkes Signal für Europa. Zudem gibt es endlich Planungssicherheit – auch für Landwirte. Sie müssen wissen, wie hoch der künftige Agraretat ist. Und, wie viel Geld in die Erste sowie Zweite Säule fließt bzw. an welche Bedingungen das Geld jeweils geknüpft ist.

Die Vorstellungen darüber liegen noch weit auseinander. Einige Akteure wollen offenbar durch die Hintertür gängige Produktionsmethoden zügig verbieten. Harte und langwierige Debatten sind vorprogrammiert. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner wird die Verhandlungen zur künftigen Gemeinsamen Agrarpolitik daher kaum abschließen. Aber sie kann Akzente setzen und Forderungen erden. Zwei Beispiele:

  • Deutschland fährt die Auflagen hoch und die Tierbestände runter, andere EU-Länder machen es umgekehrt. Hier muss es eine einheitliche Linie geben – und Importbeschränkungen für Produkte aus Drittländern, die nicht nach EU-Standards entstanden sind. Zudem kann Deutschland die Debatte über die Gegenfinanzierung höherer Tierwohlstandards auf die EU ausrollen.
  • Der Green Deal mit der Farm-to-Fork- sowie Biodiversitätsstrategie setzt ehrgeizige Ziele: 50 % weniger Pflanzenschutz sowie Antibiotika, 20 % weniger Dünger und 25 % Öko – bis 2030. Es sind nur Vorschläge, mit denen Bundesumweltministerin Svenja Schulze aber sicherlich gut leben könnte. Julia Klöckner betont im Wochenblatt-Interview hingegen, dass Nahrungsmittelproduktion die Kernaufgabe der Landwirtschaft ist, nicht Landschaftspflege. Zusätzliche Auflagen müssten sich rechnen. Das ist richtig. Und dafür muss sie Verbündete finden.

Die Ratspräsidentschaft fordert Deutschland – durch Corona noch mehr. Aber das bietet die Chance, Impulse zu geben.

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