Alles erstunken und erlogen?

Glyphosat sei "wahrscheinlich krebserregend": Diese Meldung heizte die öffentliche Diskussion seit 2015 extrem an. Nun könnte sich herausstellen, dass bei diesem Urteil manipuliert wurde.

Die scheinbar unendliche Geschichte um Glyphosat geht in die nächste Runde: Gegen die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) stehen schwere Vorwürfe im Raum. Die Einrichtung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) war 2015 dadurch berühmt geworden, dass sie den Wirkstoff als „wahrscheinlich krebserregend“ einstufte. Die Krebsforscher befeuerten damit nicht nur eine beispiellose Kampagne gegen die moderne Landwirtschaft. Zulassungsbehörden in Deutschland und der ganzen Welt gerieten ins Zwielicht, weil sie nahezu übereinstimmend Glyphosat als „nicht krebseregend“ einstuften.

Nun heißt es: Stimmt gar nicht! Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters hat der Vorsitzende des für die Glyphosat-Bewertung zuständigen IARC-Komitees, Dr. Aaron Blair, entscheidende Informationen zurückgehalten. In einer eidesstattlichen Aussage im Rahmen eines laufenden US-Gerichtsverfahrens habe Blair eingeräumt, dass diese Ergebnisse die Bewertung wesentlich geändert hätten. Die Umweltseite hält munter dagegen: Der Reutersbericht wiederum sei nur ein Medien-Coup von Monsanto: Die Forscher des IARC durften die entlastenden Informationen nicht berücksichtigen, heißt es, weil die dahinter stehende Studie noch gar nicht offiziell geprüft und publiziert war („peer review“).

Wieder einmal ist die Verwirrung groß. Es bleibt zu prüfen, ob die IARC-Forscher bei ihrer Studie manipuliert haben, oder ob sie aufgrund ihrer wissenschaftlichen Standards bei der Bewertung keine andere Wahl hatten. Sicher ist nur: Das Schreckensszenario „wahrscheinlich krebserregend“ bekommt einmal mehr Risse.

So oder so ist der Flurschaden der Dauerdiskussion schon jetzt erheblich. Berufs-Empörte wie Anton Hofreiter von den Grünen nutzen das Totschlagargument „Krebsgefahr!“ nur allzu dankbar, um mit aberwitzigen Veröffentlichungen (Glyphosat im Bier, im Brot, in Muttermilch ...) Verbraucher zu verunsichern und Landwirte als Giftmischer zu diskreditieren. Ob sich dieser Geist jemals wieder zurück in die Flasche bringen lässt, bleibt selbst im Lichte der neuen Erkenntnisse abzuwarten.

Auch darüber hinaus ist der Schaden gewaltig. Bei komplexen Themen wie Klimawandel, Multiresistenten Keimen oder eben Glyphosat plagt Otto Normalverbraucher zunehmend das schale Gefühl, dass es keine Wahrheiten mehr gibt. Motto: „Die einen sagen so, die anderen so.“ Dieser Trend gefährdet nicht nur die Wissenschaft selbst. Er liefert den Nährboden für die „Fake- News“ aus dem Kreml und die „Alternativen Fakten“ eines Donald Trump. Und diese vergiften nicht nur das gesellschaftliche Klima; sie sind hochgradig gefährlich.