Beim Umbau der Mastgeflügelhaltung hin zu mehr Tierwohl sind noch etliche Punkte zu klären. Vor allem in den Bereichen Ökonomie und Marktpotenzial, Emissionsverhalten und Umweltwirkung sowie Biosicherheit liegen viele Stolpersteine auf dem Weg der Tierwohlställe für Hähnchen und Puten. Das wurde beim „NRW-Praxistest Tierwohl bei Mastgeflügel“ in Bad Sassendorf deutlich.
Dort diskutierten Prof. Dr. Friedhelm Jaeger und seine Mitarbeiter aus dem Düsseldorfer Landwirtschaftsministerium mit Landwirten, Tierärzten, Genehmigungsfachleuten und Stallbauprofis über die Vor- und Nachteile solcher Außenklimaställe. Die von den Fachleuten zusammengetragenen Erfahrungen und Erkenntnisse zeigten indessen, dass der Verbraucherwunsch nach Tageslicht, Frischluft und mehr Platz je Tier einfacher zu fordern, als in der Praxis umzusetzen ist.
Ökonomie und Baurecht
Wenn über alternative Haltungsformen mit mehr Tierwohl diskutiert wird, sind jedenfalls einige Aspekte unbedingt zu berücksichtigen:
- Der (An-)Bau zusätzlicher Außenklimabereiche in Form von Kaltscharrräumen oder ähnlichem kostet viel Geld. Die Produktionskosten steigen und ohne höhere Erlöse für die so erzeugten Tiere leidet die Wirtschaftlichkeit. Viele Geflügelmäster befürchten daher, dass sich die Umstellung nicht rechnet – vor allem, seit die Futter-und Energiekosten steigen, während die Zahlungsbereitschaft der Verbraucher zurück geht. Auf jeden Fall erfordert der Umstieg eine verlässliche Finanzierung mit langfristigen Fördermitteln.
- Für einen Tierwohl-Umbau der Geflügelmast müssen zudem die genehmigungsrechtlichen Grundlagen geschaffen werden. Bisher fehlt es beispielsweise immer noch an verbindlichen, von den Behörden akzeptierten Emissionsfaktoren für Außenklimaställe, monierte Martin Kamp von der Landwirtschaftskammer NRW. Das erschwere eine faire und sichere Genehmigung solcher Ställe. Und auch die erleichterte Genehmigung auf Basis einer „Tierwohl-Verbesserung“, für die sich die NRW-Landesregierung ausgesprochen hat, lässt weiter auf sich warten. Prof. Jaeger versprach aber in diesem Punkt weiter hartnäckig am Ball zu bleiben.
Biosicherheit gewährleisten
Dritter Knackpunkt ist die Biosicherheit. Schließlich sind offene Ställe schwieriger gegen externe Krankheitserreger sowie Tierseuchen abzuschirmen als geschlossene Einheiten. Eine Arbeitsgruppe des NRW-Praxistests um Dr. Martina Poppe vom Veterinäramt des Kreises Soest hat deshalb Vorschläge zur Biosicherheit von Außenausläufen erarbeitet:
- Neben einem Dachüberstand von 1 – 1,20m wird generell eine Regenrinne empfohlen, damit der Kot von Wildvögeln nicht mit dem Niederschlagswasser auf den Boden neben dem Auslauf plätschert und durch Spritzer womöglich in den Tierbereich gelangt.
- Aus dem gleichen Grund sollte der Außenauslauf etwa 50cm hoch dicht geschlossen sein (möglichst mit einer Betonkante). Darüber schließt sich ein wildvogeldichtes Drahtgeflecht an, welches zudem mit einer winddichten Jalousie von unten nach oben geschlossen werden kann.
- Der Außenklimabereich muss gut zu reinigen und zu desinfizieren sein, aber dem Tierhalter oder anderen Personen keine Möglichkeit bieten, diesen direkt von außen zu betreten. Der Zugang zu Stall muss stets über die Hygieneschleuse erfolgen!
Umbau nur gemeinsam möglich
All diese Punkte verdeutlichen, dass der Umbau der Geflügelmast nicht von wenigen Einzelbeteiligten getragen werden kann. Verbraucher, Landwirte, Behörden, Politik und vor allem Lebensmittelhandel sowie die Gastronomie müssen mitziehen, um das Potenzial von Tierwohl-Erzeugnissen zu heben.
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