Unsere Fragen beantwortet Dr. Eckhard Meyer vom Lehr- und Versuchsgut Köllitsch
- Herr Dr. Meyer, Sie und Ihre Mitarbeiter in Köllitsch beschäftigen sich seit einiger Zeit intensiv mit dem Thema Licht im Schweinestall. Um was geht es?
Wir gehen davon aus, dass wir auch in Zukunft einen relativ hohen Anteil an Stallhaltung behalten werden (müssen) – schon allein deshalb, weil Ausläufe mit viel Tageslicht aus hygienischen bzw. Seuchenschutzgründen nicht überall machbar oder sinnvoll sind. Deshalb muss die Stallhaltung tiergerechter und funktionssicherer werden. Ziel ist es unter anderem, eine „Stallhaltung ++“ zu entwickeln, die ohne zusätzliche Arbeit funktioniert.
Der Faktor Licht spielt in diesem Zusammenhang einen wichtige Rolle. Allerdings wird die Diskussion um das künstliche Licht im Stall bislang stark auf die gesetzlichen Anforderungen reduziert. Dabei geht es dem Gesetzgeber zunächst gar nicht um das Lichtangebot für die Tiere, sondern vielmehr um ausreichend Helligkeit für die „Pflege und Versorgung“ durch den Betreuer (nachzulesen in § 26 Abs. 2 der Tierschutznutztierverordnung). Überspitzt gesagt, ist das Lichtangebot abhängig von dessen Sehkraft: Falls das Tageslicht zur Pflege und Versorgung der Schweine nicht ausreicht, soll künstliches Licht zugeschaltet werden und zwar täglich mindestens acht Stunden in einer Intensität von 80 Lux.
Licht und Beleuchtung sind daher ein großes Thema bei Tierschutzdiskussionen. Oft gehen diese aber an den Bedürfnissen der Schweine selbst vorbei. Eine Dunkelstallhaltung ist berechtigterweise verboten. Um aber an jeder Stelle der Bucht 80 Lux zu erreichen, werden die Ställe oftmals überbeleuchtet. Das ist nicht nur Energieverschwendung, es tut den Tieren auch nicht gut.
Licht hat nämlich nicht nur eine, sondern drei physikalische Eigenschaften: Neben der Beleuchtungsintensität sind das die Farbe und Lichttemperatur. Unsere Versuche im sächsischen Lehr- und Versuchsgut Köllitsch zeigen jedenfalls, dass eine Beschränkung auf die Beleuchtungsstärke zu kurz greift.In geeigneter Kombination der drei Eigenschaften kann Licht viel bewirken: Zum Beispiel kann es die Annahme der Funktionsbereiche in der Bucht unterstützen. Das wird unter anderem in den sogenannten Zukunftsställen mit relativ hohem Anteil an Festflächen immer wichtiger, damit die Tiere diese zum Liegen nutzen und nicht zum Absetzen von Kot und Urin.
- Wie gut bzw. was können Schweine denn überhaupt sehen? Machen wir vielleicht schon einen Fehler, wenn wir Farben, Helligkeit usw. aus unserer menschlichen Sicht betrachten und beurteilen?
Die Natur bringt nichts hervor, was keinen Vorteil hat. Hausschweine sind wie ihre wilden Vorfahren eher dämmerungsaktiv und verlassen sich dabei vor allem auf ihren Geruchssinn und das Gehör.
Die Sehkraft erreicht im Vergleich mit uns Menschen dagegen nur etwa 20 %. Zudem ist das Sichtfeld der Schweine durch Anordnung der Augen im Kopf eingeschränkt. Sie können ihre Augenlinse nicht fokussieren und sehen deshalb nur im Bereich etwa 2 m vor der „Rüsselscheibe“ scharf.
Auch das Farbsehen ist eingeschränkt. Schweine sind wie die Rinder sogenannte Dichromaten, das heißt, sie sehen die Farben des Lichtes nur im Spektrum zwischen grün und blau. Rot und wahrscheinlich auch gelb können sie nicht sehen und nehmen diese Farben, wenn überhaupt eher als Grautöne wahr.
- Welche Zusammenhänge haben Sie zwischen Beleuchtung, Leistung und Tierverhalten gefunden?
Licht ist sozusagen der soziale Taktgeber für die Aktivität. Alles, was wir von den Tieren wollen (unter anderem die Futteraufnahme) und leider auch das, was wir nicht wollen (Schwanzbeißen), entwickelt sich aus der Aktivität der Schweine heraus. Insbesondere die Verhaltensstörungen werden meist als Aggressionsverhalten dargestellt. Das sehen wir in Köllitsch anders: Es ist viel mehr fehlgeleitete oder übersteigerte Aktivität.
Hohe Leistungen sind nur möglich bei hoher Futteraufnahme. Die Zucht hat daher bis heute Genotypen hervorgebracht, die viel fressen. Die Tiere sind dadurch aber auch aktiver als früher. Gerade hochleistende Herkünfte benehmen sich mehr oder weniger wie „hyperaktive Kinder“.
Wir haben dafür einen subjektiven Test entwickelt und bewerten sozusagen die Grundspannung der Schweine. Diese ist in übermäßig hellen Buchten höher als in dunkleren. Das kann das „Hyperaktivitätsproblem“ verstärken.Die Züchtung mobilisiert zurzeit Leistungsreserven vor allem im Jugendwachstum der Tiere. So sind Tageszunahmen um die 1000 g (!) zwischen 20 und 30 kg Lebendgewicht keine Seltenheit mehr.
Die Ferkel fressen dabei je nach Fütterungsverfahren mehr als sie verdauen können. So entstehen im Darm Endotoxine und in der Folge kommt es zu Nekrosen. Wir sehen in etwa 70 % der Fälle erst die blutige Nekrose und dann das Schwanzbeißen. Deshalb müssen wir uns nicht wundern, warum ausgerechnet in diesem Zeitfenster die größten Probleme entstehen.
- Und wie kann die Beleuchtung in diesem Punkt helfen?
Zunächst ist eine wichtige Erkenntnis, dass zu wenig aber auch zu viel Beleuchtung schädlich ist für Tierwohl und Verhalten. Eine richtige Entwicklung ist es deshalb, in den Ruhebereichen der Bucht nicht auf 80 Lux zu bestehen, sondern 40 Lux wie nach dem EU-Recht zu zulassen.
Die auch in der Praxis bekannten signifikant größeren Auffälligkeiten in den viel helleren Fensterbuchten führe ich hingegen heute mehr auf den damit verbundenen Hitzestress zurück, falls die Tiere in Kleingruppenaufstallungen nicht in schattige Bereiche ausweichen können.
Dazu kommt, dass Schweine echte Ruhephasen brauchen und schlafen müssen. Es muss mindestens acht Stunden Ruhe und (zumindest fast) Dunkelheit sein. Das gesetzlich vorgeschriebene Orientierungslicht darf deshalb keine einzelne angeschaltete Deckenleuchte sein. In den Buchten darunter finden wir signifikant mehr „Schwanzbeiß-Tätertiere“, deren Tag-Nacht-Rhythmus offensichtlich gestört ist.
Auch haben wir den begründeten Verdacht, dass unerwünschtes Tierverhalten auch mit zu wenig Schlaf oder schlechter Schlafqualität zu tun hat. Besser ist eine indirekte Beleuchtung mit maximal 10 Lux (Mondlichtstärke) oder der Einsatz von LED-Technologie, die so geschaltet werden kann, dass nur einzelne Module aktiv bleiben.
- LED-Technik spart also nicht nur Energie, sondern hilft auch tiergerechter zu beleuchten – zum Beispiel mit unterschiedlichen Farben?
Genau! Bei Licht wird immer nur über Helligkeit und Beleuchtungsdauer geredet. Licht hat aber noch zwei weitere physikalische Eigenschaften: die Lichttemperatur (warmweiß bis tageslichtweiß) und die Farbe. Über die LED-Technik können wir unterschiedliche Lichtfarben erzeugen oder mischen.
Wir haben beispielsweise in 16 Köllitscher Ferkelaufzuchtdurchgängen an etwa 2500 Zeitgefährten festgestellt, dass farbiges Licht (grün, blau und auch rot) zu etwa 10 % weniger „Störenfrieden“ also hyperaktiven Tiere mit agonistischem Verhalten führt, als konventionelles warmweißes Licht. Der Anteil von Schäden an Ohren und Schwanz war insgesamt spürbar geringer (Übersicht).
Die Tiere befassen sich bei rotem und grünen Licht tendenziell mehr mit dem Futter und dementsprechend weniger mit dem Sozialpartner. Das geht aber nur bei grünem Licht insgesamt positiv aus. Bei rotem Licht wird der beschriebene Hang zu unangepasster (überhöhter) Futteraufnahme verstärkt. Es kommt bei unkupierten Ferkeln zu mehr Schwanzverletzungen – erst durch Nekrosen, dann durch Beißen.
Blaues Licht dagegen verbessert das Sozialverhalten unabhängig vom Futter. Trotzdem ist es nicht so einfach möglich, direkte Effekte durch farbiges Licht von indirekten Einflüssen durch die Helligkeit zu trennen. Farbiges Licht wirkt insgesamt dunkler und gedämpfter. Das allerdings ist mit den gängigen Methoden gar nicht so einfach zu messen.
- Die Ergebnisse klingen vielversprechend. Wie sind demnach Zukunftsställe zu beleuchten?
Ich schlage vor, vom Deckenbeleuchtungsprinzip wegzugehen und die Funktionsbereiche in den Buchten unterschiedlich zu beleuchten. Das spart Energie und hilft, das Licht besser zu verteilen. So lassen sich helle, aber nicht zu helle Aktivitätsbereiche und deutlich dunklere Ruhebereiche einrichten.
Das Ganze könnte man über verschiedene Lichtfarben oder Mischungen daraus noch unterstützen. Mehr blaues Licht gehört beispielsweise in den Aktivitätsbereich und grünes Licht in den Fressbereich. Das in den meisten Ställen verwendete warmweiße Licht hat einen hohen Rotanteil, was sich in unseren Untersuchungen unterm Strich als negativ erwiesen hat.
Mögliche Vorteile sind indessen eher bei reiner Stallhaltung zu erwarten. Tageslicht im Auslauf ist vielfach heller und hat einen hohen natürlichen Blauanteil. Es spricht somit auch etwas dafür, im Außenklimabereich zu füttern und so den Tierverkehr zu lenken.
Kaltweißes Licht hat ebenfalls einen relativ hohen Blauanteil. Es ist bei Stallhaltung aber negativ zu sehen. Über LED erzeugt, führte es bei vorangegangenen Versuchen mit Mastschweinen zu einer stärkeren „Schlagschattenbildung“ was die Schweine offenbar irritiert bzw. zu mehr Unruhe und Hautverletzungen führte.
Zurzeit schalten wir das farbige Licht nur in den Hauptaktivitätszeiten am späten Vor- und Nachmittag ein, um einem Gewöhnungseffekt vorzubeugen. In einem anderen Abteil versuchen wir, für die Stallhaltung eine optimale Mischung an Lichtfarben zu finden und verwenden sogenanntes „Dschungellicht“ mit einem höheren Grün- oder Blauanteil. Das haben wir uns von den Lichtverhältnissen abgeschaut, die ein Wildschwein am Waldrand oder beim Laufen durch ein Maisfeld hat.
- Und welche Tipps für die Praxis lassen sich aus den Untersuchungen ableiten. Was können die Betriebe mit einfachen Mitteln tun, um im Stall im positiven Sinne für möglichst viel Ruhe zu sorgen?
Gerade der geforderte Kupierverzicht zwingt uns dazu, die Tiere möglichst nahe an ihrer Biologie zu halten (zu managen) und zu füttern. Technik und Betreuung müssen sich mehr auf die Tiere einstellen und nicht umgekehrt.
Das haben wir zwar schon immer gemacht. Der Umgang mit den hochleistenden Tieren ist jedoch durch physiologische Änderungen anspruchsvoller geworden. Je nach Herkunft, Haltungs- und Fütterungstechnik gibt es unterschiedliche Schwachstellen, die in jedem Betrieb etwas anders sind. Diese gilt es herauszufinden und abzustellen, bevor es zu ernsten Problemen kommt.
Deshalb sollte jeder Schweinehalter auch ein Gefühl dafür entwickeln, was Licht mit den Tieren macht und das Thema nicht nur unter dem Gesichtspunkt möglicher Kontrollen betrachten. Den Kontrolleuren/Auditoren rate ich, die Beleuchtung vor allem am Tier selber zu beurteilen. Die Vorschriften beziehen sich in erster Linie auf die Möglichkeiten zur Tierkontrolle beim Stalldurchgang.
Die Tiere selbst brauchen (ausreichend) helle Lichtverhältnisse für Aktivität und Futteraufnahme und dunklere Bereiche (maximal 40 Lux) zum Ruhen. Haltung und Fütterung sollten auf acht Stunden Ruhephase eingestellt sein. Orientierungslicht sollte in der Dunkelphase indirekt und keinesfalls durch einzelne Deckenleuchten realisiert werden. Wenn das nur so geht, lässt man sie besser weg.
Insgesamt muss die Haltungstechnik sich mehr an der Biologie der Tiere orientieren und weniger von den Vorschriften her abgeleitet werden. Neue technische Entwicklungen zur Tierbeobachtung, wie sie bei der EuroTier 2022 in Hannover vorgestellt wurden, können die Tierbetreuung unterstützen. Ein Ersatz dafür sind sie nicht. Im Gegenteil: Es besteht vielmehr die Gefahr, dass man sich blind auf die Technik verlässt. Dabei ist der bewusste und geschulte Blick auf die Tiere durch nichts zu ersetzen.
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