Landwirtschaft lernen im Abendkurs

Lehre nach Feierabend

Wer einen anderen Beruf hat und trotzdem sein Wissen zur Landwirtschaft vertiefen möchte, kann das in einem Abendkurs machen. Aktuell peilen besonders viele im Lehrgang die Prüfung zum Landwirt an.

Ein Ingenieur, ein Tischler und ein Informatiker sitzen im selben Klassenraum im Gartenbauzentrum in Münster-Wolbeck. Draußen ist es schon dunkel. Allen steckt ein Arbeitstag in Knochen und Köpfen. Was sie eint, ist ihr Interesse an der Landwirtschaft. Gemeinsam mit 24 anderen Teilnehmenden aus ganz Westfalen ­lauschen sie Dozent Erwin Köster. Er weiht sie in die Details der Abrechnung von Schlachtschweinen ein.

So sah der Qualifizierungslehrgang der Landwirtschaftskammer NRW im vergangenen Winterhalbjahr aus. Der Kurs wendet sich vor allem an Nebenerwerbslandwirte und zieht sich über zwei Jahre. Einmal die Woche kommen die Berufstätigen für etwa vier Stunden nach Wolbeck.

Zwei Drittel der 27 Teilnehme­rinnen und Teilnehmer steuern auf die Prüfung zum Landwirt zu. Laut Erwin Köster deutlich mehr als in den Jahren zuvor. Wir haben mit drei Kursteilnehmern gesprochen, warum sie dabei sind und die Prüfung machen wollen.

Prämie bekommen

Zum Betrieb Kemper in Ladbergen im Kreis Steinfurt gehören 30 ha und 70 Bullen in der Mast. Die Familie führt den Hof schon in der dritten Generation im Nebenerwerb. Dirk Kemper hat im vergan­genen Sommer den Hof von seinem Vater übernommen. Der gelernte Maurer und Wasserbauer arbeitet in Vollzeit bei der Stadt Lengerich. Der 33-Jährige spielte schon länger mit den Gedanken, den Kurs zu belegen. „Ich wollte zum Beispiel schon immer wissen, wie ich besser füttern kann.“

Eine neue Regel in der GAP gab für ihn den Ausschlag, den Schritt zu wagen: Die Junglandwirteförderung erhält man nur noch mit dem Nachweis der Berufsqualifikation. Entweder durch die Teilnahme an einem Qualifizierungskurs im Umfang von 300 Stunden oder durch eine bestandene Abschlussprüfung zum Landwirt. Letztere strebt Dirk Kemper an. Viele Inhalte für die Prüfung muss er neben dem Unterricht aufbereiten. „Wichtig ist dabei, dass die Familie hinter einem steht und einem bei Bedarf den ­Rücken freihält“, sagt der zweifache Vater.

Praxis für Prüfung vorweisen

Wer sich für die Abschlussprüfung zum Landwirt interessiert, muss Praxis nachweisen. Hauptberuflich in der Landwirtschaft Tätige können nach 4,5 Jahren professioneller Tätig­keit zur Abschlussprüfung zuge­lassen werden.

Für nebenberuflich in der Landwirtschaft Tätige (mindestens 20 Stunden pro Woche) vergrößert sich ­diese Zeitspanne. Als Mindestzeit ist die doppelte Zahl an Jahren, die ein hauptberuflich Tätiger braucht, festgelegt. Demnach ist in der Regel eine Zulassung zur Abschlussprüfung nach neun Jahren möglich. Hierbei werden aber nur die Zeiten angerechnet, die nach Abschluss der Erstausbildung bzw. bei fehlendem Berufsabschluss nach dem 18. Lebensjahr absolviert wurden. Tätigkeiten in der Landwirtschaft neben der Schule oder während eines Studiums zählen nicht. Ob die Zulassungsvoraussetzungen für die Abschlussprüfung gegeben sind, prüft die LWK. Die Nachweise sollten möglichst schon vor der Teilnahme am Qualifizierungslehrgang vorliegen.

Die Abschlussprüfung erfolgt gemeinsam mit den Auszubildenden, hat die gleichen Aufgaben und wird vor den gleichen örtlich zustän­digen Prüfungsausschüssen ab­genommen.

Den Vater ersetzen

Eine der fünf Teilnehmerinnen ist Nora Niederschulte aus Schwerte im Kreis Unna. Die 35-Jährige arbeitet als angestellte Hörakustik-Meisterin. Ihre Eltern halten Sauen und bauen vor allem Kartoffeln an – beides in einer GbR. In einer weiteren GbR bieten sie Lohnarbeiten wie Gülleausbringung und Kartoffelroden an.

Nora Niederschulte möchte in den kommenden Jahren in den beiden Gesellschaften den Platz ihres Vaters einnehmen. „Ich möchte das, was meine Eltern aufgebaut haben, vernünftig weiterführen. Deswegen belege ich den Kurs“, sagt sie. Sie ist das einzige Kind ihrer Eltern und stolz darauf vom Hof zu kommen. Den Betrieb will sie mit ihrem Partner im Haupterwerb weiterführen. Sie wird aber weiterhin als Hörakustik-Meisterin arbeiten. Ihr Freund, ein gelernter Land­maschinenmechatroniker und auch vom Hof, steigt auf dem Betrieb mit ein.

Aktuell übernimmt Nora Niederschulte viele Aufgaben im Agrarbüro. Oft bedeutet das, dass sie Tele­fonate in der Mittagspause für den Hof führen muss. Sie hilft aber auch auf dem Acker und im Stall.

In näherer Zukunft möchte sie von der Sauenhaltung in die Schweinemast wechseln. „Allein um bei Bauvorhaben leichter an eine Genehmigung zu kommen, macht ein Abschluss zum Landwirt Sinn“, sagt sie mit Blick auf die Prüfung. Dafür opfert sie gerne Zeit, gesteht aber auch: „Der Input ist schon knackig.“ Was sie aber schon ­einschätzen kann: Der Hof ihrer Eltern ist gut aufgestellt.

Lehrgänge an der Deula und auf der Düsse

Der Qualifizierungslehrgang erstreck sich über zwei Jahre und ­umfasst folgende Bestandteile: Grundlehrgänge zur Pflanzenproduktion und Tierproduktion sowie Wirtschaft und Unternehmensführung. Die Grundlehrgänge sind verteilt auf zweimal 24 Wochen von September/Oktober bis März/April in Abendkursen. Hinzu kommen fachpraktische Lehrgänge an der Deula und am Versuchszentrum Haus Düsse in zwei je zehntägigen Unterrichtsblöcken.

Die Kursteilnehmenden erhalten am Ende des Lehrgangs ein Abschlusszertifikat, mit dem der erfolgreiche Besuch bestätigt wird. Die Teilnahme nur an einzelnen Abschnitten des Programms ist möglich. Wer aber am Gesamtprogramm mitmacht, hat bei begrenzten Lehrgangsplätzen Vorrang. Die Land­wirtschaftskammer bietet Neben­erwerbslandwirten voraussichtlich wieder ab dem Herbst 2024 Lehrgänge an. Bis zum 1. Juni 2024 kann man sich anmelden. Die Lehrgangsgebühren betragen für das Gesamtprogramm je Teilnehmer voraussichtlich 2800 €.

www.landwirtschaftskammer.de

Kein Halbwissen mehr

Für Ralf Vogelsang aus Ahaus ist der Beruf des Landwirts ein Kindheitstraum, den der 36-Jährige sich jetzt erfüllt. Im Haupt­beruf arbeitet er als Landmaschinenmechatroniker in der Endmontage.

Vor sechs Jahren hat Ralf Vogelsang den Hof von seinem Vater, der ihn bis 1991 im Vollerwerb führte, übernommen. Zum Hof zählen 15 Mutterkühe sowie 12 ha,die bewirtschaftet werden, und 12 ha, die verpachtet sind. „Oft stand ich auf dem Acker und konnte gegenüber Spaziergängern nur mit gefährlichem Halbwissen glänzen“, sagt er. Der Kurs vermittelt ihm die Grundlagen rund um den Pflanzenschutz und die Düngung. Außerdem will der Nebenerwerbslandwirt den Betrieb professionalisieren. „Dazu brauche ich Fachwissen“, sagt er.

Den Hof möchte er mit einer Familie weiterführen, allein schon um seiner kleinen Tochter und ihren Freunden zu zeigen, wo Lebensmittel herkommen. Die Prüfung zum Landwirt sieht er als Ansporn, die Themen auch gründlich nachzuarbeiten.

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