Angesichts der aktuellen Agrarpolitik macht sich Hessens Bauernpräsident Karsten Schmal Sorgen um den Berufsnachwuchs. Das wurde in seiner Rede zur Eröffnung der Landwirtschaftlichen Woche Nordhessen am heutigen Montag, dem 11. Januar, deutlich.
Es fehlt an Perspektiven
„Wir haben sehr gut ausgebildete junge Leute, die sich intensiv in die Betriebe einbringen. Aber die derzeitige Politik führt leider oft zu Resignation und Abwendung. Der Nachwuchs braucht dringend auch ökonomisch tragfähige Perspektiven. Die sind aber momentan nicht zu erkennen“, skizzierte Schmal das Problem. Sorgen bereiten dem Landwirt aus Waldeck-Frankenberg mehrere Punkte: So macht das dritte Dürrejahr in Folge vor allem den Rinderhaltern zu schaffen. Die Futtervorräte sind regional knapp. Hinzu kommen katastrophal niedrige Preise auf etlichen Märkten, die beispielsweise für die heimischen Schweinehalter mittlerweile existenzbedrohend sind, so Schmal.
Ein Grundsatzproblem seien die extrem ungleich verteilten Kräfte am Markt, die es dem Lebensmitteleinzelhandel erlauben, die Preise zu diktieren. Hier müsse dringend etwas zu Gunsten der Erzeuger geändert werden.
Ein anderer Punkt sind laut Schmal die hohen Produktionsauflagen in Deutschland, die vielfach über das EU-Niveau hinausgehen. In Kombination mit den zu niedrigen Erlösen führe das dazu, dass unsere Bauern im Wettbewerb nicht mehr mithalten können. Die Folge wird ein massiver Ausstieg vor allem aus der Tierhaltung sein, so die Befürchtung des Präsidenten. Deshalb seien aktuell konkret die Bundesländer gefordert, den nationalen Alleingängen Deutschlands beispielsweise bei der Luftreinhaltung (Stichwort TA Luft) über den Bundesrat eine Absage zu erteilen.
Regionale Wertschöpfung
Ob das Land Hessen dem nachkommt, erscheint jedoch fraglich. Agrarministerin Priska Hinz ging auf dieses Thema jedenfalls nicht ein. Sie betonte vielmehr andere Ziele: Anzustreben sei eine enkeltaugliche Landwirtschaft, die über Generationen hinweg denkt und handelt. Man wolle eine Landwirtschaft, die gleichzeitig Böden, das Klima und die Gewässer schont. Hierfür müsse und werde sich die Landwirtschaft weiterentwickeln, sie brauche aber ganz klar faire Preise, so Hinz. Das Land Hessen will die Betriebe bei diesem Anpassungsprozess unterstützen und beispielsweise den Auf- und Ausbau regionaler Wertschöpfungskette aktiv fördern. Das Geld dafür soll indessen nicht aus umgeschichteten Direktzahlungen kommen, so die Ministerin. Man stelle zusätzliche Mittel zur Verfügung – hauptsächlich, um die Regionalvermarktung zu fördern aber stets auch die Ökologisierung. In Kürze wolle man zum Beispiel das Projekt der „100 nachhaltigen Bauernhöfe“ starten. Das sollen besonders vorbildlich wirtschaftete Leuchtturmbetriebe sein, deren Arbeit zum Nachahmen anregt.
Wer bezahlt den Aufwand?
Letztlich weiß aber auch die Ministerin, dass es ohne faire Preise für die mit höherem Aufwand erzeugten Lebensmittel nicht geht. Die Frage ist nur, wie man die Wertschätzung der Bevölkerung für Lebensmittel derart erhöhen kann, dass die Landwirte sich auch auf breiter Front an Investitionen in mehr Tierwohl trauen. Denn wenn die Landwirtschaft diese Aufgabe allein stemmen soll, kann das nicht funktionieren.
Im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums hat der ehemalige Ressortchef Jochen Borchert deshalb zusammen mit zahlreichen Fachleuten eine Nutztierstrategie erarbeitet. Deren Ziel ist mehr Tierwohl unter Berücksichtigung des Umweltschutzes bei gleichzeitiger wirtschaftlicher Absicherung der Erzeugerbetriebe. Das Geld dafür könnte aus einer speziellen Abgabe ähnlich wie beim Ökostrom kommen. Diskutiert wird über eine mengenbezogene Abgabe von Beispielsweise 40 Cent/kg Fleisch oder 2 Cent/l Milch. Die Diskussion ist aber noch in vollem Gange.
Noch mehr Fachprogramm: Die kompletten Vorträge sind auf der Internetseite des Landesbetriebes Landwirtschaft Hessen (LLH) abrufbar ("www.llh.hessen.de"). Dort finden Sie in den nächsten Tagen zudem ein breites Fachprogramm zu verschiedenen Themen der Tierhaltung, des Pflanzenbaus (unter anderem mit Pflanzenschutzsachkunde-Fortbildungsveranstaltungen), aus dem forstlichen Bereich und speziell für Landfrauen oder Gärtner.