Auf dem Hof Schwienhorst in Hoetmar, Kreis Warendorf, werden Brennnesseln gepflanzt, gehegt und gepflegt, um sie später zu ernten. Denn die fünfköpfige Familie baut das Heilkraut auf ihrem Hof nun im zweiten Jahr zur Teeproduktion an.
Tee mahlen im Lohn
Auf gut einem halben Hektar direkt am Hof wachsen neben Lavendel, Minze, Salbei, Zitronenmelisse und -verbene auch Ringel- und Sonnenblumen sowie Ysop, besser bekannt als Eisenkraut. „Wir stehen noch ganz am Anfang“, sagt Dorothee Schwienhorst, die sich auf dem Naturland-zertifizierten Betrieb neben dem Tee auch um die 160 Sauen kümmert.
Die Idee, in den Anbau von Kräutern zur Teeherstellung einzusteigen, hat die gelernte Floristin ihrer Schwiegermutter zu verdanken: „Sie hat immer Minze aus dem Garten auf der Heizung getrocknet und als Tee getrunken.“ Das Prinzip hat sich nicht geändert. Lediglich die Anbaufläche ist größer und das Trocknen erfolgt heute auf einem befreundeten Betrieb mit der Abwärme einer Biogasanlage.
Status quo: Fremdvergabe
Bei der weiteren Verarbeitung kooperieren Schwienhorsts aktuell mit den Freckenhorster Werkstätten. Die Einrichtung für Menschen mit Behinderung liegt etwa 5 km vom Hof entfernt und verfügt über eine Teemühle, die die Blätter zerkleinert. Zurück auf dem Hof, füllt Dorothee Schwienhorst ihn in ihrer kleinen abgenommenen Produktionsstätte in 40-g-Verpackungen ab.
„Bei der Gestaltung der Etiketten hatten wir Unterstützung durch eine Marketingagentur“, präsentiert Dorothee Schwienhorst stolz die farbenfrohen Aufkleber. Nicht nur in der Produktkennzeichnung lauerten Stolperfallen: Die Größe des Naturland-Logos und das Mindesthaltbarkeitsdatum mussten passen, und auch die Zutatenliste musste den gesetzlichen Ansprüchen genügen.
Berauschende Mischung
Zu Anfang fügten Schwienhorsts einigen Teemischungen getrocknete Hanfblätter bei. Denn seit etwa vier Jahren kultiviert die Familie auch Nutzhanf. „Doch plötzlich hieß es vonseiten der Behörden, dass wir keine getrockneten Hanfblätter zugeben dürfen“, zuckt die Floristin mit den Schultern. Es bestünde die Möglichkeit, dass Kunden einzelne Blätter raussuchen und rauchen könnten. Ein ziemlich sinnloses Unterfangen aus Sicht der dreifachen Mutter, da der Hanf keine berauschende Wirkung hat. Dennoch musste sie sich nach zahlreichen Telefonaten der behördlichen Entscheidung fügen.
Zu den Kulturen auf dem Naturland-Betrieb gehören außerdem Quinoa, Hirse und Buchweizen sowie Flachs. Aktuell verkaufen sie die Saaten noch ungeschält in 500-g-Packungen. Dorothee Schwienhorst sieht ihre Produkte als regionale Superfoods, die einen hohen gesundheitlichen Nutzen versprechen. Aktuell verfügt die Familie noch nicht über eine Schälmaschine, mithilfe derer die Saaten noch bekömmlicher werden würden. Doch über zu wenig Arbeit können sich Schwienhorsts jetzt schon nicht beklagen. Denn der Anbau und die Weiterverarbeitung der Kräuterpflanzen sind bereits weitestgehend Handarbeit. „Zum Hacken nutzen wir eine etwa 30 Jahre alte Maschine mit kleiner Spurbreite“, freut sich Dorothee Schwienhorst über ein bisschen maschinelle Unterstützung bei der Pflege. Beim Pflanzen jedoch ist Handarbeit gefragt. Gleiches gilt für die Schädlingsbekämpfung.
Rasenmäher gegen Zikaden
Anfang dieses Jahres hatten Schwienhorsts ein Problem mit Zikaden auf der Minze. „Um die Ausbreitung zu verhindern, haben wir die Pflanzen mit dem Rasenmäher getrimmt und das Schnittgut entsorgt“, beschreibt die passionierte Teetrinkerin ihr pragmatisches Vorgehen. Auf Pflanzenschutzmittel konnten sie nach der Mahd verzichten. „Wir haben uns noch nicht damit auseinandergesetzt, was wir spritzen dürften“, erklärt Dorothee Schwienhorst, die hofft, dass sich die Pflanzen bis zur Ernte gut erholen und die Verluste gering bleiben. Dazu bewässert sie die Pflanzen bei Bedarf auch.
Je nach Witterung und Kultur ist es im Juli und August dann soweit: Die Ernte steht an. Dazu fahren Schwienhorsts mit dem Mähbalken über die 300 m langen Reihen. Anschließend harken sie die Kräuter zusammen, verpacken sie für den Transport in Bigpacks, eh sie auf Gestellen zum Trocknen ausgebreitet werden. Erst nach dem Entzug des Wassers trennen sie Stiele und Blätter manuell voneinander, bevor sie verpackt werden.
Neue Absatzwege ausloten
Der Verkauf erfolgt über den eigenen Onlineshop, zwei regionale Marktschwärmereien sowie Unverpacktläden, den Verkaufsautomaten am Hof sowie einen Händler vom Wochenmarkt. „Die Saaten verkaufen wir außerdem noch an ein kleines Start-up-Unternehmen in Langenberg, die daraus vegane Cracker und Kekse backen“, beschreibt die 47-Jährige, die einige Backwaren zurückkauft, um sie in ihrem Automaten anzubieten. „Grundsätzlich würden unsere Produkte auch gut in den regionalen Lebensmitteleinzelhandel passen“, skizziert sie vorsichtig weitere, künftig denkbare Absatzmöglichkeiten.
Doch vorerst konzentrieren sich Schwienhorsts weniger darauf, weitere Verkaufsstellen zu finden. Sie investieren lieber in die eigene Weiterverarbeitung der Produkte. So planen sie neben der Anschaffung einer Schälmaschine auch eine eigene Getreidemühle, um ihr Produktsortiment erweitern zu können. Sorge um den damit verbundenen zeitlichen Aufwand hat Dorothee Schwienhorst nicht, frei nach dem Motto: Anfangen und Tee trinken.