Kommentar

Landtourismus: (K)ein Rettungsanker?

Bauernhof statt "Ballermann", Kälberstall statt Kreuzfahrtschiff - und das alles auch noch regional und klimafreundlich: Im Urlaub auf dem Bauernhof stecken durchaus Chancen. Aber die Realitäten kann niemand ausblenden.

Der Landtourismus boomt. Die Menschen haben ein immer stärkeres Bedürfnis nach Erholung und Urlaub – vorzugsweise nicht am Ballermann und auf einem Kreuzfahrtschiff, sondern klimafreundlich im eigenen Land auf einem Bauernhof mit Kühen, Pferden, Ferkeln und Stroh.

Solche Töne, die Zukunftsforscher und Touristiker zwitschern, dürften die Betreiber von Landtourismus beflügeln. Diese wissen es allerdings aufgrund ihrer Erfahrungen mit der Covid-19-Pandemie besser. Höhenflüge sind nicht drin. Investitionen und Modernisierungen werden aufgeschoben. Privat wird gespart.

Die Bilanz für 2020 fällt hingegen mager aus. Laut einer Umfrage der Bundesarbeitsgemeinschaft für Urlaub auf dem Bauernhof und Landtourismus in Deutschland (BAG), die 9900 landwirtschaftliche Ferienhöfe vertritt, fehlen im Schnitt 40.240 € Umsatz je Betrieb, 398 Mio. € insgesamt. Auf Überbrückungshilfen haben die meisten Landwirte wegen steuerlicher Fallstricke keinen Anspruch: Der überwiegende Anteil der Ferienhöfe wird als landwirtschaftlicher Betrieb mit dem Einkommenszweig „Beherbergung“ bewirtschaftet. Der Hauptumsatz wird jedoch im landwirtschaftlichen Betrieb erwirtschaftet. Erst wenn der Umsatz im Gesamtbetrieb um 30 % zurückgegangen ist, kann der Landwirt die Überbrückungshilfe III beantragen. Diese Einbrüche werden kaum erreicht. Welch‘ ein Hohn!

Im Moment fangen Bullenmast oder Getreideanbau –wenigstens zum Teil – den weggebrochenen Einkommenszweig Landtourismus ab, so wie dieser 2011 den Zweig Milchvieh stützte. Breit aufgestellte Betriebe kommen zumindest mit einem blauen Auge davon, weil sie robuster sind.

Langfristig wird der Betriebszweig „Beherbergung“ dennoch wieder an Bedeutung gewinnen. 72 % der Ferienhöfe selbst sind überzeugt, dass der Landtourismus gestärkt aus der Krise herausgehen wird. Demnach lohnt sich der Einstieg für Landwirte. Doch der Schritt will gut überlegt sein. Um es mit den Worten der BAG-Vorsitzenden Ute Mushardt zu sagen: „Landtourismus ist kein Rettungsanker für aufgebende Betriebe.“

Auf die Schnelle den alten Stall auszubauen, ein paar Hühner, Ponys, Ferkel und Alpakas auf dem Hof laufen zu lassen – obgleich sie aus Sicht des Marketings als Publikumsmagneten erforderlich sind, um die Familien mit Kindern aus den Städten aufs Land zu ziehen – reicht nicht. Hinter dem Vorhaben muss eine landwirtschaftliche Familie stehen, die zum einen gern Gäste auf dem Betrieb empfängt und ihnen zeigt, wie moderne Landwirtschaft funktioniert.

Hier liegt eine große Chance für die Betriebe in puncto Image und Öffentlichkeitsarbeit. Sie können sich als Brückenbauer zwischen Landwirten und der Gesellschaft positionieren. Denn viele Urlauber reisen mit Vorurteilen an und verlassen den Hof mit neuen Einsichten und Erkenntnissen.

Zum anderen gehört zum Landtourismus ein „gesunder“ Betrieb dazu, der Krisenzeiten aus eigener Kraft überstehen kann. Denn, das zeigt sich wieder einmal, die Politik hat für jeden ein eigenes Raster.

Wer keinen Rettungsanker hat, fällt durch. Mal fallen die Milchbauern, mal die Schweinehalter und mal die Ferienhöfe durch. Will die Politik, dass die Landwirtschaft und der ländliche Tourismus die Wirtschaft im ländlichen Raum stärken und dass die Menschen ihren Urlaub hierzulande verbringen können, muss sie die Betriebe stärken.


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