Kommentar

Schweinehaltung: Im Würgegriff der Viren

Der Boom ist längst vorbei, die Schweinehaltung durchlebt derzeit eine existenzielle Krise. Viele Landwirte und Vermarkter haben schlaflose Nächte. Die beiden ­Viren haben die Branche fest im Griff.

Wie positiv präsentierte sich der Schweinemarkt zu Beginn von Corona, als Bauern und Schlachter noch systemrelevant waren. Als der erste Schlachthof im Mai durch das Corona-Virus in die Knie ging, hat sich das grundlegend geändert. Einschläge bei weiteren Unternehmen haben den Ruf der Branche weiter unterhöhlt.

Seit März ist der Schweinepreis kontinuierlich im Sinkflug. Der erste ASP-Fall in Deutschland führte dann vollends zum Preisbruch. Seitdem „verbrennen“ Mäster und Sauenhalter das ­Finanzpolster, das sie durch den Chinaboom endlich wieder aufbauen konnten.

Schlimmer noch wirkt die Unsicherheit, ob der Markt sich wieder fängt. Deutsches Schweinefleisch ist für mindestens zwei Jahre vom Weltmarkt gesperrt. Weitere Corona-Fälle an Schlachthöfen sind jederzeit möglich. Über allem schwebt das Damoklesschwert weiterer Schließungen.

Hoffnungslosigkeit und Resignation machen sich unter den Schweinehaltern breit. Vor allem die Ferkelerzeuger sind mehr als gefrustet. Waren sie schon durch die Änderungen bei Kastration und Kastenstand stark verunsichert, kommt jetzt noch der Vermarktungsstau hinzu. Wer nicht eine feste Bindung zum Mäster hat, wird seine Ferkel kaum los. Kein Wunder, dass die Sauenschlachtungen rasant steigen.

Doch auch bei Mästern werden Ställe nur mit Verzug geräumt. Springer bekommen jetzt die Quittung von den Vermarktern. Wer keine neuen Ferkel einstallen will, rückt in der Liste der Disponenten ganz nach hinten. Zu Recht, denn es geht um die Existenz. Sauenhalter stehen mit dem Rücken an der Wand. Wenn sie jetzt reihenweise aufgeben – wo sollen dann im nächsten Jahr die Ferkel herkommen?

Niemand sollte ­darauf bauen, dass Holländer oder Dänen die Lücke füllen. Die sind längst auf der Suche nach anderen Abnehmern oder gleich selbst in die Mast eingestiegen.Die Schweinehaltung durchlebt derzeit eine existenzielle Krise. Viele Landwirte und Vermarkter haben schlaflose Nächte. Die beiden ­Viren haben die Branche fest im Griff. Eine Vollbremsung, um den Stau aufzulösen, kann die Landwirtschaft nicht bieten. Schweinehaltung ist Biologie. Von der Besamung bis zur Schlachtung dauert es fast ein Jahr.

Da hilft es keinem, wenn Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner den Bauern den Schwarzen Peter zuschiebt. Die hätten in der Pandemie die Ställe zu voll belegt.

Was die Branche jetzt braucht, ist ein beherztes Eintreten für möglichst viel Schlachtkapazität. Marc-André Burgdorf hat es an den Tag gelegt. Der Landrat aus dem Emsland hat Rückgrat bewiesen, als er die Schließung des Schlachthofs in Sögel zurückgenommen hat.