Kommentar

Regierungs-Realität

Corona und Ukraine-Krieg: Die Grünen haben an der Regierungsarbeit zu knappen. Während Robert Habeck und Annalena Baerbock sich der „neuen Realtiät“ anpassen, sucht Cem Özdemir noch seine Rolle.

Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg: Der Start der Bundesregierung hätte kaum schwieriger sein können. Nach 100 Tagen Amtszeit sind viele Ideen des Koalitionsvertrages verschwunden. Die Grünen spüren die He­rausforderungen der Regierung am stärksten: Während sich Robert Habeck und Annalena Baer­bock schnell dieser „neuen Realität“ angepasst und alte Ideale (vorerst) abgelegt haben, scheint Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir noch nicht in seiner Rolle angekommen zu sein.

Habeck und Baerbock erhalten Zuspruch

Kanzler Olaf Scholz verkündete nach Russlands Überfall auf die Ukraine „eine Zeitenwende“. Der Sozialdemokrat leitete die Aufrüstung der Bundeswehr und das Ende der Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 ein. Ein historischer Schritt, der Wirtschafts- und Klimaschutzminister Habeck in Zugzwang bringt. Er muss Deutschland unabhängig machen von russischer Energie. Habeck will die erneuerbaren Energien stärker ausbauen, erkennt aber die Vorlaufzeit. Daher kauft er weltweit Flüssiggas zu, auch aus streitbaren Regionen. Selbst längere Laufzeiten der Kohlekraftwerke schließt er nicht aus. Das wäre vor Wochen noch unvorstellbar gewesen. Entsprechend brodelt es an der Basis, sorgt sonst aber für Erleichterung. Außenministerin Baerbock erntet ebenfalls Zuspruch. Sie macht ihren Job souverän.

Özdemir bleibt hinter Erwartungen zurück

Deutlich blasser bleibt das Grünen-Duo für die Landwirtschaft: Umweltministerin Steffi Lemke setzte abgesehen vom Verständnis für die radikalen Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ keine Akzente. Hinter den Erwartungen zurück bleibt Bundesagrarminister Özdemir. Der erfahrene Spitzenpolitiker erhielt viele Vorschusslorbeeren. Seine ersten Ankündigungen, dass mehr Geld auf die Höfe soll, stimmten zuversichtlich. Doch bisher folgten wenig konkrete Taten:

Tierhaltung: Die Haltungskennzeichnung soll erst bis Jahresende stehen, die Herkunftskennzeichnung schiebt die Ampel nach Brüssel. Özdemir will mehr, aber bisher sind für den Umbau der Tierhaltung nur 1Mrd.€ für vier Jahre budgetiert. Das ist nur ein Bruchteil dessen, was Wissenschaftler veranschlagen. Kurzum: Nutztierhalter vermissen weiter eine verlässliche Perspektive. Ohne diese steigen sie aus, jeden Tag.

Ukraine-Krieg: Hitzig verläuft die Debatte über die Ausrichtung der europäischen Landwirtschaft. Özdemir hält an mehr Extensivierung fest. Eine „Rolle rückwärts“ zu ausschließlicher Intensivierung wäre sicher der falsche Weg. Aber ein klares Bekenntnis, dass es erste Aufgabe von Landwirten ist, Lebensmittel zu produzieren, wäre wichtig. Eine darauf ausgerichtete Politik der logische Folgeschritt – immer mit Blick auf Umwelt- und Klimaschutz. Doch Özdemir nimmt diese Führungsrolle in der Debatte nicht an.

Perspektive: Regionale Landwirtschaft

Die Welt steht vor einer globalen Hungerkrise, auch in Deutschland und Europa diskutieren Menschen über Versorgungssicherheit. Unabdingbar ist eine starke regionale Landwirtschaft. Herr Özdemir, Sie wollen „oberster Anwalt der Landwirte“ sein. Nehmen Sie Ihre „Mandanten“ mit – Landwirte können Ernährungssicherung und Umwelt- sowie Klimaschutz!

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