Kommentar

Gesucht: EU-Agrarkommissar

Der EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski ist in Brüssel erstaunlich unsichtbar und überlässt die Agrarpolitik zu oft seinen Kollegen. Dabei sollte er entschlossener zupacken.

Janusz Wojciechowski ist EU-Agrarkommissar. Das bemerkt man jedoch zu selten. Für jemanden, der den größten Haushaltsposten der Europäischen Union – die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) – zu verantworten hat, ist der Pole erstaunlich unsichtbar.

Das verwundert, denn Wojciechowski ist kein unbeschriebenes Blatt in Brüssel. Von 2004 bis 2016 war er Mitglied des EU-Parlamentes, da sogar stellvertretender Vorsitzender des Agrarausschusses. Bevor er 2019 in die Kommission wechselte, hatte er Führungsverantwortung beim EU-Rechnungshof, Brüssels oberster Kontrollbehörde.

Wojciechowski isoliert

Doch Wojciechowski hat vor allem ein Problem: Er ist Mitglied der polnischen Regierungspartei PiS. Die gilt in Brüssel als nationalistisch – und ist daher von der großen christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP) ausgeschlossen. Wojciechowski ist somit isoliert. Und er bestärkt diese Isolation selbst: Er ist oft in Polen unterwegs und verfasst Kurznachrichten auf Twitter meist nur auf Polnisch. Sein einflussreicher Amtsvorgänger Phil Hogan wusste sein europäisches Netzwerk der EVP dagegen politisch stets klug zu nutzen. Das führt dazu, dass nun andere Politiker agrarpolitische Großprojekte übernehmen:

  • Die GAP-Reform hat Vorgänger Hogan auf den Weg gebracht. Auf der finalen Zielgeraden hat EU-Kommissionsvize Frans Timmermans das Ruder übernommen.
  • Bei der umstrittenen Pflanzenschutzverordnung hat Wojciechowski Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides das Heft des Handelns überlassen. Bei der Industrie-Emmissionsrichtlinie gibt sein Kollege, EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius, die Richtung vor.

Unzureichende Leistungen des Agrarkommissars

Beide Gesetze haben potenziell extreme Auswirkungen auf den Agrar-Sektor. Trotzdem wirkt Wojciechowski dabei eher wie ein Zuschauer auf der Tribüne als ein Feldspieler. Und wenn er ins Spiel eingreift, ist er nah am Eigentor. So verkauft es der Agrarkommissar als seinen Erfolg, bei den Industrieemissionen die Bestandsgrenzen auf 150 Großvieheinheiten hochgehandelt zu haben. Das ist jedoch ein Armutszeugnis, wenn man bedenkt, dass bereits Betrieben mit 500 Schweinemastplätzen dadurch teure Auflagen aufgedrückt würden.

Die Leistung des Agrarkommissars ist bisher unzureichend. Dabei brauchen die europäischen Landwirte gerade jetzt einen einflussreichen Fürsprecher auf dem Brüsseler Parket.

Impulse für die Agrarreform 2027

Für die Agrarreform 2027 muss Wojciechowski jetzt schon Impulse liefern, damit praktikable Vorschläge zeitgerecht auf dem Tisch landen. Beim Pflanzenschutz und den Emissionen sollte er innerhalb der Kommission um Verständnis für Landwirte werben. Praxisferne Vorschläge dieser Art dürfen nicht zum EU-Gesetz werden.

Was Mut macht: Unmittelbar nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges brachte Wojciechowski das Thema Ernährungssicherheit ganz nach oben auf die europäische Tagesordnung und setzte Lebensmittelhilfen für die Ukraine, neue Transportrouten für Agrarexporte und Ausnahmen der GAP-Auflagen für 2023 um – selbst gegen große Widerstände seiner Kommissarskollegen. Von dieser Entschlossenheit braucht es mehr!

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