Echte Helden gesucht
Immer mehr pflegebedürftige Menschen, immer weniger Nachwuchskräfte - die Pflegebranche steuert auf eine große Lücke zu. An welchen Stellschrauben müssen Politik und Arbeitgeber drehen?
Sechs Monate Corona-Krise haben auch dem Letzten vor Augen geführt, wie systemrelevant die Arbeit in der Pflege ist. Ohne die Pflegekräfte wäre Deutschland bis jetzt nicht so glimpflich durch die Pandemie gekommen. Dabei steuert die Branche auf eine große Lücke zu. Auf der einen Seite wird es an jungen Menschen fehlen, die Aufgaben in Krankenhäusern, Altenheimen und der ambulanten Pflege übernehmen. Das Bundesinstitut für Berufsbildung rechnet im Jahr 2035 mit 270.000 fehlenden Fachkräften im Pflege- und Gesundheitsbereich.
Auf der anderen Seite wird es in unserer Gesellschaft, die Gott sei Dank immer älter wird, mehr pflegebedürftige Menschen geben. Wir bewegen uns auf eine Zahl von vier Millionen zu. Dabei profitiert die Pflegebranche nur gering von der Digitalisierung. Auch in Zukunft müssen Fachkräfte pflegebedürftige Menschen versorgen und unterstützen.
Ausbildungsreform der Pflegeberufe
Zufällig in das Corona-Jahr fällt die Reform der Ausbildung in den Pflegeberufen. Seit dem 1. Januar gibt es eine generalistische Ausbildung. Aus den ehemaligen Lehrberufen in der Alten-, Kranken- oder Kinderkrankenpflege ist mehr oder weniger ein einheitlicher Ausbildungsweg zur Pflegefachkraft geworden. Mit diesem Abschluss können Pflegefachkräfte sowohl in der Akutpflege als auch in Einrichtungen für Altenpflege oder in Kinder- und Jugendkliniken arbeiten. Der Bund hofft damit die Zahl der Auszubildenden bis 2025 um 10% zu steigern.
Flächendeckende Tarife nötig
Aber Politik und Arbeitgeber müssen noch an weiteren Stellschrauben drehen. Die Entlohnung spielt dabei eine wichtige Rolle. Nur mit flächendeckenden Tarifen und attraktiven Einstiegsgehältern kann das Berufsfeld gegenüber anderen Branchen konkurrieren. Auch fehlt es häufig an möglichen Aufstiegschancen. Zu oft ist nach der Ausbildung Schluss.
Bezahlung und Karriereschritte sind aber nicht das Allheilmittel. Es braucht einen verbindlichen und am Bedarf orientierten Personalschlüssel. Sonst wird aus einem Helfer-Syndrom ganz schnell ein Burn-out.
Schluss mit Klischees
Es muss Schluss sein mit Klischees. Das Bild der Altenpflege zum Beispiel schwankt in der Öffentlichkeit nicht selten zwischen simplem Betüddeln und den Horrorgeschichten von vernachlässigten Senioren. Dass der Beruf viel mit medizinischem Wissen, Psychologie und Empathie zu tun hat, wird zu oft ausgeblendet.
Außerdem müssen sich junge Männer wieder verstärkt begeistern lassen. Ohne den Zivildienst fehlt vielen die Möglichkeit, ihre soziale Ader zu entdecken. Denn nicht nur ihr Mehr an Körperkraft können sie in die Pflege einbringen.