Kommentar

Die Krise am Fleischmarkt

Für die Schlachtunternehmen kommt es seit zwei Jahren knüppeldick. Bei den meisten Schlachtern und Vermarktern dürfte die Bilanz tiefrot ausfallen.

Für die Schlachtunternehmen kommt es seit zwei Jahren knüppeldick. Zwar ist die genossenschaftliche Westfleisch das einzige Unternehmen in Deutschland, das die Zahlen offenlegt. Doch bei den übrigen Schlachtern und Vermarktern dürfte die Bilanz ebenfalls tiefrot ausfallen. Erst der Kostentreiber Corona, dann die Exportbremse ASP und schon seit Jahren ein schrumpfender Fleischkonsum. Das Erfolgsrezept „möglichst viel schlachten“ hat sich ins Gegenteil verkehrt. Wer heute die Schlachthaken maximal auslastet, maximiert den Verlust.

Mindestlohn und knappe Rohstoffe

Wieder profitabel zu werden, gleicht der Quadratur des Kreises. Auf der Kostenseite ist kein Halten. Die Energiekosten steigen dramatisch. Das trifft eine Branche, die sowohl auf Kälte als auch auf heißes Wasser angewiesen ist, doppelt hart. Die Personalkosten explodieren, seit Werkverträge verboten sind. Der Mindestlohn verschärft das Problem. Die 12 € kosten beispielsweise die Westfleisch ab Oktober rund eine halbe Million Euro – monatlich, wohlgemerkt.

Zudem wird der Rohstoff knapp. Landauf, landab, schließen Schweinehalter die Stalltüren – oft für immer. Ein wichtiger Auslöser ist die wirtschaftliche Misere. Noch mehr aber fehlt Landwirten eine verlässliche Perspektive, wie sie künftig mit Sauen oder Mastschweinen ihren Lebensunterhalt verdienen können.

Ist Haltungskennzeichnung die Lösung?

Daran ändert auch das Haltungskennzeichen erstmal nichts, das Landwirtschaftsminister Cem Özdemir Anfang der Woche medienwirksam angekündigt hat. Zugutehalten muss man ihm: Im Gegensatz zu seinen Vorgängern liefert er etwas. Allerdings ist das Modell aus landwirtschaftlicher Sicht alles andere als ein Befreiungsschlag. Zwar hat der Minister mit Stufe 2 „Stall+Platz“ eine Brücke zur Initiative Tierwohl geschlagen, doch dabei das Mehr an Platz von 10 auf 20 % verdoppelt. Vertrauensschutz sieht anders aus.

Zudem schreibt er das Haltungskennzeichen vorerst nur für unverarbeitetes Frischfleisch vor, das beim Schwein nur etwa ein Viertel der Produktion ausmacht. Wo bleibt die Wurst, wo die Verarbeitungsware? Was ist mit Gastronomie, Mensen und Kantinen?

Zum dritten beginnt für Özdemir die Haltung erst beim Mastschwein. Sauen bleiben außen vor. So haben Ferkelerzeuger keine Chance auf einen Mehrerlös für die im EU-Vergleich deutlich höheren Auflagen.

Vor allem aber ist völlig unklar, wer das ganze bezahlen soll. Die Summe von 1 Mrd. €, die der Bundeshaushalt für vier Jahre vorsieht, reicht vorne und hinten nicht. Schon Borchert hat mit 4 Mrd. € kalkuliert – pro Jahr, und bevor die Baukosten explodiert sind!

Özdemir schiebt den Schwarzen Peter geschickt der FDP zu, die im Finanzministerium am Drücker sitzt, aber kein weiteres Staatsgeld locker machen will. Das ist politisch klug, hilft den Tierhaltern aber keinen Schritt weiter. Aber vielleicht ist genau dies das politische Ziel: Wenn die Bauern aufgeben, weil sie nicht mehr an eine wirtschaftliche Zukunft glauben, löst sich das Problem mit der Tierhaltung ganz von allein.

Agrarminister Cem Özdemir versucht, die Tierhaltungskennzeichnung jetzt mit Druck durchzubringen. Alle strittigen Themen von der Finanzierung bis zum Baurecht werden hintenangestellt.