Kommentar

Debatten zur Landwirtschaft: Nicht nur Schwarz-Weiß

Desolat - anders lässt sich kaum beschreiben, wie die maßgeblichen Protagonisten in Politik und Berufsverbänden aktuell über die Zukunft der deutschen Landwirtschaft debattieren.

Desolat. Anders lässt sich kaum beschreiben, wie die maßgeblichen Protagonisten aktuell über die Zukunft der deutschen Landwirtschaft debattieren.

Allen voran die Politik: Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) und Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) lassen keine Gelegenheit aus, sich öffentlich zu zoffen. Das dürfte sich noch zuspitzen. Denn im September ist Bundestagswahl. Hier schielen die Grünen auf eine Regierungsbeteiligung.

Weil die künftige Nutztierhaltung oder das Aktionsprogramm Insektenschutz noch nicht geklärt sind, droht eine Polarisierung im Wahlkampf. Angespornt von einigen Nichtregierungsorganisationen, die sich nur auf das Tierwohl oder den Umweltschutz fokussieren und alles andere ausblenden, verfallen Politiker in Maximalforderungen. Ohne Rücksicht, ob das praxistauglich ist oder welche Folgen es hat. Hauptsache Attacke auf den politischen Gegner.

Berufspolitikern mag der rhetorische Schlagabtausch Freude bereiten, in der Sache hilft er aber nicht. Im Gegenteil: Er verunsichert Verbraucher. Und er schadet Landwirten.

Deren Berufsvertretungen geben allerdings kein besseres Bild ab. Die Landwirte sind in etliche Verbände und Gruppierungen zersplittert. Während der „normale Bauer“ oft gleichzeitig mit mehreren Organisationen sympathisiert, versuchen sich die obersten Köpfe der einzelnen Gruppen zum Teil aufs Schärfste zu profilieren. Hängen bleibt: „Die Bauern wissen doch selbst nicht, was sie wollen.“ Und deshalb grübelt nicht nur Julia Klöckner, wen sie überhaupt fragen soll, wenn sie die Meinung der Landwirte hören möchte.

Gepaart mit niedrigen Erzeugerpreisen, zermürben die Wortgefechte selbst optimistische Landwirte. Sie sehen keine Zukunft, steigen aus, die Produktion sinkt. Ziel erreicht, sagen die einen. Doch das ist zu kurz gesprungen. Ein Beispiel: Bei Schweinefleisch insgesamt beträgt der Selbstversorgungsgrad in Deutschland 120 %. Doch schon jetzt müssen wir gefragte Edelteile wie Schweinefilet importieren, unbeliebte Teilstücke wie Pfötchen verlassen Deutschland dagegen fast komplett. Sinkt die deutsche Schweineproduktion weiter und ändern sich die Essgewohnheiten nicht, gibt es keine leeren Supermarkt­regale, aber wir müssen mehr importieren – mit wenig Einfluss auf die Tierwohl- und Umweltstandards in der Produktion. Ein Bärendienst.

Deshalb müssen Politiker und Branchenvertreter jetzt ihrer Verantwortung gerecht werden. Unterschiedliche Forderungen sowie Sichtweisen sind legitim und zwingend, um den besten Weg für deutsche Landwirte zu finden. Aber die Debatten müssen endlich konstruktiv und lösungsorientiert laufen. Und es muss schnell praxistaugliche Ergebnisse geben. Der viel beschworene Gesellschaftsvertrag ist ein weites Ziel. Ein erster Schritt wäre, verbal abzurüsten, sich vom Schwarz-Weiß-Denken zu verabschieden und zu Kompromissen bereit zu sein.

Wer es ernst meint mit der Zukunft der deutschen Landwirtschaft, beherzigt das. Sofort.