Kommentar

Das Leben bricht auf

Haben Sie Ihr Zuhause schon österlich dekoriert? Aber wie? Anders als zum Weihnachtsfest mit seinen schönen Bildern bietet Ostern nichts Anschauliches. Alles bleibt unfassbar und kaum vorstellbar.

Haben Sie Ihr Zuhause schon österlich dekoriert? Aber wie? Anders als zum Weihnachtsfest mit seinen schönen Bildern bietet Ostern nichts Anschauliches. Alles bleibt unfassbar und kaum vorstellbar.

Da liegt es nahe, dass wir stattdessen den Frühling ins Haus holen. Mit Grün und Blumen, mit Eiern, Hasen und Lämmchen. Ostern ist heute vor allem ein Frühlingsfest.

Ostern ist das Frühlingsfest

Als Frühlingsfest hat Ostern vor mehr als 3000 Jahren auch in Israel begonnen. Wenn mit der Frühlingssonne und dem Frühlingsregen das Leben wieder aufbrach, wenn Hügel und Steppe sich grün färbten und die jungen Lämmer ge­boren wurden, dann feierte man Pessach, ­griechisch Pascha. Das bedeutete wohl „Übergang“.

Vielleicht, weil eine neue Jahreszeit ­begann. Vielleicht, weil Unheil vorübergehen sollte. Denn ungetrübt war die Frühlingsfreude nicht. Das neue Leben war von vielen dämonischen Gefahren bedroht: Unwetter, Seuchen, Raubtiere, Überfälle.

Dieses Pessachfest wurde irgendwann mit der Erinnerung an den Auszug aus Ägypten verknüpft. Das Frühlingsfest wurde zum Freiheitsfest. Menschen wussten sich befreit von einem Gott, der immer neu forderte und ermutigte, Freiheit zu wagen. „Der Mensch soll jeden Tag aus Ägypten gehen!“, lautet eine alte jüdische Weisheit. Bis heute sind Frühling und Freiheit verbunden. 1968 sprach man vom Prager Frühling, 2010 vom arabischen, zwei Aufbrüche, die leider von Dämonen unserer Zeit verschlungen wurden.

Das Leben hat unendlichen Wert

Christen feiern an diesem Frühlings- und Freiheitsfest die Auferstehung Jesu Christi. Christus heißt Gesalbter, gesalbt wurden die Könige. Aber Jesus, der ganz andere König, sprach uns allen das Christsein zu – und die königliche Würde der Kinder Gottes, uns auf die Stirn geschrieben wie eine unsichtbare Krone. Jesus lebte vor, wie und wo Gott ist. Und dass wir, endlich und unvollkommen, wie wir sind, unendlich und vollkommen gewollt sind.

Doch die, die Gott zum Garanten ihrer Macht erklärten und sich in Seinem Namen selbst heiligsprachen, ließen Jesus als Gotteslästerer kreuzigen. Aus der Traum! Wieder schienen die Dämonen stärker als das vergossene Blut. War am Ende Gott selbst nur ein Dämon, der auf Kosten der Menschen lebt?

Und dann das große, nicht fassbare Geheimnis des Glaubens: Das Leben bricht auf. Steht auf. Wird aufgeweckt. Jesus lebte Gott, lebte die Wahrheit, und wie die Wahrheit lebt er weiter. Nicht mehr in altvertrauter Gestalt. Erkennbar nur an den Wunden. Am geteilten Brot. Am Herzen, das in uns brennt. Das Leben, abgebrochen und entwertet, bricht auf und bekommt einen unendlichen Wert.

Osterzeit ist Aufbruchszeit

Das feiern wir an Ostern in den Kirchen. Aber bricht noch etwas in der Kirche auf? Ist die Kirche nur noch ein leeres Grab, wo seltsam gewandete Fremdenführer den weniger werdenden ­Besuchern versichern, hier sei das volle Leben? Jesus ist nicht in den Grabhöhlen, sagt die Bibel. Er geht voraus nach Galiläa. In den Alltag. Wird aufgespürt, wo fremdes Leid gesehen wird. Wo geteilt wird, was wir zum Leben brauchen. Wo wir das Leben, nicht nur das eigene, brennend lieben.

Die Kirche, scheint mir, vergräbt sich in sich selbst. Aber Ostern ist das Fest des Frühlings. Wir können es sehen: Das Leben bricht auf. Wächst durch den Schnee. Aus dem Morast. Sprießt aus Zweigen, die wie abgestorben scheinen. Wo doch der Winter endlos schien. Doch Ostern ist das Fest des grenzenlosen Aufbruchs. Ostern erinnert uns, dass unsere Grenzen, die Grenzen unserer Vernunft, unserer Vorstellungskraft, unseres Lebens, doch nur unsere Grenzen sind. Und da ist unendlich viel mehr. Gott sei Dank. Gesegnete Ostern!

Dr. Heinrich Dickerhoff ist Theologe und ehemaliger Pädagogischer Leiter der Katholischen Akademie Stapelfeld.

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