Kommentar

Bauerntag: Überrumpelter Minister

Bundesagrarminister völlig perplex: Auf dem Bauerntag kritisierte die Auszubildene des "Ausbildungsbetriebs des Jahres 2022" die aktuelle Agrarpolitik scharf. Özdemir Rede hingegen blieb unkonkret.

Da stand er perplex auf der Bühne: Bundesagrarminister Cem Özdemir hat beim Bauern­tag die Klose-Köhler KG als Aus­bildungsbetrieb des Jahres 2022 geehrt. Als die aktuelle Auszubildende des Betriebs das Mikrofon bekam, erstarrte sie nicht vor Ehrfurcht, sondern las Özdemir und allen Agrarpolitikern der aktuellen und vergangenen Regierungen die Leviten: Sie habe nicht das Gefühl, dass die deutsche Landwirtschaft noch gewollt sei. Es fehle jegliche Planungssicherheit. Deshalb wisse sie nicht, ob sie den elterlichen Betrieb übernehme. Direkter und authentischer kann keine Rückmeldung aus der Praxis sein – 500 DBV-Delegierte standen auf und applaudierten lautstark.

Özdemir bleibt unkonkret

Bei Özdemirs Rede zuvor gab’s weniger Applaus. Er war zwar sichtlich bemüht, mit Selbstironie, Witz und Rhetorik eines Spitzenpolitikers die Landwirte für sich zu gewinnen. Inhaltlich blieb er aber weitestgehend an der Oberfläche. Zwar bekannte er sich zur Tierhaltung in Deutschland und will auch noch mal über die Details der Agrar­reform 2023 reden. Konkretes fehlte aber. Genau das hatten sich Landwirte allerdings erhofft. Verwunderlich: Özdemirs Staatssekretärin Silvia Bender war bei der zeitgleich stattfindenden ISN-Versammlung klarer: Die Ampelregierung will den Fleischkonsum halbieren und die Tierzahl deutlich reduzieren. Nicht erfreulich für Tierhalter, aber konkret. Traute sich Özdemir diese klaren Botschaften bei seiner Premiere nicht?

Präsident Rukwied engagiert

Was bleibt sonst noch vom Bauerntag in Lübeck?

Präsident Joachim Rukwied ist stark und enga­giert aufgetreten, selbst Kritiker waren angetan. Vizepräsident Werner Schwarz ist ausgeschieden und hinterlässt sicher zunächst eine Lücke. Zumal Nachfolger Dr. Holger Hennies bei seiner Antrittsrede nicht alle begeisterte. Dennoch halten ihn manche Delegierte für einen potenziellen Rukwied-Nachfolger.

Susanne Schulze Bockeloh soll erste DBV-­Vizepräsidentin werden. Die Freude bei der Münsteranerin sowie den Delegierten war groß. Klar ist aber: Allein mit der Position ist das Verbandsziel „jünger und weiblicher“ nicht erreicht. Es geht auch und vor allem um die Denke und das Handeln. Hier ist der Verband auf dem Weg, aber noch nicht am Ziel.

"Zukunftsbauern" rege beteiligt

Mit dem Prozess „Zukunftsbauern“ soll die Landwirtschaft mehr Wertschätzung sowie Wertschöpfung bekommen. Dafür müssen Landwirte etwas ändern, der Verband aber auch. Nach einer mehrstündigen Diskussion gaben die Delegierten fast einstimmig den Startschuss für den Prozess, unüberhörbar war aber der Wunsch: Es muss konkreter werden, was genau gemeint ist.

Unterm Strich gab es viele konstruktive Diskussionen, aber nicht immer konkrete Ergebnisse. Etwas stolz waren die Delegierten des WLV, weil sie mit der DBV-Vizepräsidentin und dem Zukunftsbauern an zwei Akzenten beteiligt waren. Das stimmt. Und sollte Ansporn sein, beim Bauerntag 2023 in Münster weiter zu sein.

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