Bäuerliche Familienbetriebe retten!

Nicht nur die neue europäische Agrarpolitik lässt Auflagen für Landwirte steigen. Auch von anderer Seite wächst der Druck auf die Betriebe. Bricht die Mitte unter Preisdruck, Auflagen und Bürokratie weg?

Die einen sprechen vom Systemwechsel zu einer ganz neuen Agrarpolitik, die anderen von einer Katastrophe für Umwelt- und Klimaschutz in der Landwirtschaft. Ganz unterschiedlich fällt das Urteil zur Einigung der EU-Agrarminister auf eine Position zur Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) aus. Immerhin: Der Rat hat sich geeinigt, und allein das ist schon ein Erfolg für die deutsche Präsidentschaft.

Drei Positionen, ein Kompromiss

Auf eine gemeinsame Position hat sich auch das Europäische Parlament verständigt, allerdings auf etwas andere Eckpfeiler für die künftige GAP. Kurz gefasst: Alles soll noch etwas grüner werden als vom Rat vorgeschlagen. So geht das Verfahren rund um die Agrarpolitik jetzt in den ­Trilog-Prozess, bei dem auch die Kommission ihre eigene – eben die dritte – Haltung einbringt.

Wie genau ein Kompromiss letztlich aussehen wird, ist noch ungewiss. Klar ist aber schon, dass die Auflagen für die landwirtschaftlichen Betriebe steigen werden, wenn sie weiter Direktzahlungen aus Brüssel erhalten wollen. Doch auch von anderer Seite stehen die Höfe unter Druck:

  • Die Tierhaltung in Deutschland steht am Beginn eines neuen Regelungszeitalters. Das gilt für Schweine, Rinder und Geflügelbetriebe.
  • Düngeverordnung und die Vorschriften rund um Güllebehälter, Siloanlagen und Mistplatten machen vielerorts große Investitionen nötig.
  • Die Umsatzsteuerpauschalierung droht für viele Betriebe zu kippen, weil die EU die deutsche Ausgestaltung für zu großzügig hält.
  • Und schließlich bleibt als permanente Herausforderung der Preisdruck, den der Lebensmitteleinzelhandel nach wie vor auf die Landwirtschaft ausübt. Entweder direkt oder indirekt über die Zwischenhändler und Verarbeiter.

Das alles wird den Bauern und ihren Familien einiges abverlangen, manchen zu viel. Nicht ohne Grund sinkt die Zahl der Betriebe unaufhörlich. Manchen Kritikern der Landwirtschaft wäre es ganz recht, wenn möglichst viele Bauern aufgäben; sie wünschen sich sozusagen Naturschutz pur. Lebensmittel kann man auch importieren ... Anderen Gruppen ist „nur“ die Nutztierhaltung ein Dorn im Auge. Und so heißen sie alles gut, was die Veredlungswirtschaft bremst und maßregelt.

Leitbild: bäuerlicher Familienbetrieb

Die große Mehrheit der Bevölkerung allerdings steht angeblich noch hinter dem, was oft als agrarpolitisches Leitbild gilt: der bäuerliche Familienbetrieb. Wenn auch meist ein wenig romantisch verklärt und mit unrealistischen Vorstellungen davon, wie groß so ein Hof sein muss, damit eine Familie auch davon leben kann.

Wenn dieses Leitbild weiter gelten soll, muss die Politik genau solche Betriebe jetzt auch wirklich stärken. Andernfalls entwickelt sich die deutsche Landwirtschaft in zwei unterschiedliche Richtungen: Auf der einen Seite die kleinen, direktvermarktenden, oft biologisch wirtschaftenden Höfe „zum Anfassen“. Sie werden dank enger Bindungen an ihre Kunden in ihrer Nische gut zurechtkommen – Vorzeigebetriebe zum Wohlfühlen. Auf der anderen Seite Großunternehmen, deren Eigner ohne Rücksicht auf Gemeinwohlinteressen ihre ökonomischen Ziele verfolgen. Mit sehr großen Tierhaltungsanlagen, einer Flächenausstattung, die bisher beispiellos ist, und mit Arbeitskräften, die einen Job erledigen, aber nicht mehr mit Herzblut Bauer sind – weil der Hof nicht der eigenen Familie gehört.

Die Mitte dagegen blutet aus, die Zahl der echten Familienbetriebe geht immer weiter zurück. Von Preisdruck, Auflagen und Bürokratie in die Knie gezwungen, von öffentlichen Vorwürfen und ­Anfeindungen entnervt – so verschwindet der bäuerliche Familienbetrieb. Wollen wir das so hinnehmen?

Die Politik darf diesen elementaren Kern der Landwirtschaft nicht aus den Augen verlieren, er hat jede Hilfe verdient!

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