Kommentar

Alles Bio – oder was?

Die Ampel-Regierung strebt eine Verdreifachung des Ökoanteils bis 2030 an. 30% der Flächen in Deutschland sollen dann ökologisch bewirtschaftet werden. Das Ziel ist klar, jedoch fehlen konkrete Wege.

Die Zielmarken sind gesetzt: Die EU will 25% Ökoanteil bis 2030. Die Ampel-Regierung setzt noch eins drauf und hat sich 30% bis 2030 vorgenommen. Aktuell sind rund 10% der Fläche in Deutschland ökologisch bewirtschaftet. Die Ampel plant also eine Verdreifachung in acht Jahren – und hat den Ökolandbau zum Leitbild gemacht. Für manch einen klingt das nach ideologischer Traumtänzerei.

Kein Selbstläufer

Zweifelsohne sind die Ambitionen hochgesteckt. Klar ist aber auch, dass Landwirte starkes Inte­resse an Öko haben. Jeder fünfte konventionelle Landwirt kann sich die Umstellung vorstellen, zeigt eine aktuelle Umfrage. Ein Höchstwert. Besonders Betriebe bis 50 ha sowie Futterbetriebe liebäugeln mit der biologischen Wirtschaftsweise. Sie erhoffen sich mehr Einkommen und aus der gesellschaftlichen sowie politischen Schusslinie zu kommen. Doch Bio ist keinesfalls ein Selbstläufer. Drei Knackpunkte zeigen das:

Förderung: Damit die Umstellung und der Ökolandbau interessant sind, verlangen Landwirte höhere Prämien. Hier muss die Ampel nachbessern. Denn mit der Agrar­reform 2023 könnte es passieren, dass sich Ökoregeln der ­Ersten Säule nicht mit der Ökoförderung oder ­Agrarumweltmaßnahmen der Zweiten Säule kombinieren lassen. Biobetriebe wären gekniffen.

Nachfrage: Die Nachfrage muss entsprechend dem wachsenden Angebot mitziehen. Die Ampel will deshalb in Bundeskantinen einen Ökoanteil auf dem Teller vorschreiben. Diese Nachfragemacht des Staates kann wirken. Künftig dürfte aber auch noch mehr Bioware im deutschen Lebensmittelhandel erhältlich sein. Da stellen sich die Fragen: Hält die Biobranche dem Preisdruck stand? Greifen mehr Verbraucher zu – auch, wenn konventionelle Erzeuger ihre Standards erhöhen und für Verbraucher die Unterscheidung zunehmend schwieriger wird? Und was passiert, wenn das Geld im Portemonnaie knapper wird?

Wirtschaftlichkeit: Knappheit sichert einen hohen Preis, lautet die Devise der Biobranche. Doch wenn das Angebot schneller steigt als die Nachfrage, gelten die Marktgesetze auch für den Biomarkt – der Preis sinkt dann. Oder aber die Kosten fressen den Biopreis auf, wie aktuell bei der Milch: Jahrelang lag der Ökomilchpreis bei rund 48 Cent/kg. Die Produktionskosten sind gestiegen, zuletzt explodiert. Obwohl auch die Ökomilchpreise leicht angezogen haben, schreiben Biomilcherzeuger rote Zahlen (Seite 40). Ähnliches droht den Biogemüseerzeugern, wenn der Mindestlohn von 12€ greift.

Konkretisierung nötig

Die Zahlen „30% Öko bis 2030“ sind konkret, den Weg dorthin lässt die Ampel noch sehr unkonkret. Hier ist mehr Klarheit nötig! Eines sollte die Ampel aber vermeiden: einen politischen Keil zwischen konventionelle und ökologische Wirtschaftsweise treiben. Damit schadet sie der gesamten Branche und erreicht das selbst gesteckte Ökoziel sicher nicht. Agrarminister Cem Özdemir müsste sich dann neben seine Parteikollegin Renate Künast einreihen: Sie wollte als Landwirtschaftsministerin 2001 den Ökoanteil von damals gut 3% in zehn Jahren auf 20% erhöhen. Ein Ziel, das bis heute nicht erreicht ist.

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