Susanne Schmitt hatte sich wegen ihrer Bewerbung ans Landgestüt NRW bis zum Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm durchgekämpft. Erfolglos. Das Gericht bestätigte das Urteil aus Münster und wies das Verfügungsverfahren in der Berufung ab.
Verhandlung trotz Befangenheit?
Der Termin für die Verhandlung war Donnerstag, 28. April 2022, in Hamm vor dem Landesarbeitsgericht. Am Mittwochnachmittag war es noch fraglich, ob die Verhandlung überhaupt stattfindet, da es gegen den vorsitzenden Richter einen Befangenheitsantrag gab.
Der Richter war bereits in dem Kündigungsschutzverfahren gegen Schmitt zuständig. Zudem hatte er Schmitts Antrag auf einen erneuten Hängebeschluss vom 18. Februar 2022 nicht entschieden. Dieser hätte dem Land weiterhin untersagt, die Stelle am Landgestüt wegen eines des laufenden Verfügungsverfahrens neu zu besetzen. Die Nicht-Entscheidung des Gerichts erleichterte dem Land aber die Neubesetzung zum 15. März 2022, obwohl es zu dem Zeitpunkt noch kein rechtskräftiges Urteil gab.
Land berücksichtigte Bewerbung nicht
Das war am Donnerstag auch einer der Gründe vor Gericht. Auslöser für das ganze Verfahren war, dass das Land NRW die Bewerbung von Susanne Schmitt, der ehemaligen, langjährigen Leiterin des Landgestüts und ehemaligen Direktorin der Deutschen Reitschule, auf die Stelle der Leitung beim Landgestüt NRW überhaupt nicht berücksichtigte. Die 57-Jährige wollte „aus Überzeugung und aus vollem Herzen“ zurück zum NRW-Landgestüt. 20 Jahre war sie dort Chefin und brachte die Institution voran. „Das war mein Leben“, betont sie immer wieder.
Als Aushängeschilder ihrer Arbeit, „auf die auch heute noch alle stolz sind“, zählt sie u.a. die Hengstparaden, die Symphonie der Hengste, den Aufbau des weltweit führenden Hengstbestandes des Rheinisch-Deutschen Kaltbluts, das „Gartenfestival“, und die Tierschutzkonzepte am Landgestüt Warendorf, die erst nach ihrer Amtszeit umgesetzt wurden und werden. In ihrer Amtszeit habe sie mehrere Tausend Pferde beurteilt und Hengste für den Spitzensport entwickelt, die heute noch internationale Erfolge in Zucht und Sport feiern.
Fachlich ja, persönlich nein
Um die fachliche Kompetenz gehe es nicht, räumte der Justiziar des beklagten Landes ein, sondern das Vertrauen des Landes NRW als Arbeitgeber in die Bewerberin sei unwiederbringlich zerstört. „Fachlich ja, persönlich nein“, sagte der Ministerialrat Dr. Günther.
Der Grund liegt einige Jahre zurück. Es geht um Verdacht auf Vorteilsnahme im Amt, Nebentätigkeiten, angebliche Luxusreisen. Die Situation: Im Jahr 2012 knüpfte die Klägerin auf Wunsch ihres Arbeitgebers, dem Land NRW, Geschäftsbeziehungen mit Katar. Johannes Remmel, damals NRW-Landwirtschaftsminister, soll die Gestütsleiterin, ihrer Aussage nach, seinerzeit im Rahmen der Hengstparade in Warendorf 2012 aufgefordert haben: „Frau Schmitt-Rimkus, machen Sie doch was mit den Arabern.“
Als Nebentätigkeit ausführen
Die Beschuldigte habe ihren damaligen direkten Vorgesetzten wiederholt darauf hingewiesen, dass es Probleme gebe, was den Umfang der, von Katar erwarteten Dienstleistungen angehe. Mitarbeiter- und Pferdevermittlung wollte das Land nicht als Dienstleistung anbieten. So solle sie diese eben als Nebentätigkeit ausführen, soll der Vorgesetzte gesagt haben. Schmitt erklärt, sie habe dem Ministerium diese erforderlichen Nebentätigkeiten angezeigt und eine umfangreiche (zweiseitige) Genehmigung erhalten, deren inhaltliche Interpretation später im Rahmen der Verfahren strittig beurteilt worden seien. Susanne Schmitt wurde im März 2017 fristlos entlassen.
Fristlose Kündigung nicht nachvollziehbar
Dass die fristlose Kündigung gerechtfertigt sei, hat damals das Landesarbeitsgericht Hamm, obwohl der parallel laufende Strafprozess noch gar nicht endgültig entschieden war, unter Vorsitz desselben Richters entschieden, der auch den Vorsitz am vergangenen Donnerstag innehatte. „Somit ist meine damalige fristlose Kündigung durch das Land für mich nicht nachvollziehbar, zumal ich seit über 15 Jahren im Amt den Schutz der Unkündbarkeit erreicht hatte und sogar mit mehr als 50 Lebensjahren einen noch umfänglicheren Schutzstatus genoss“, sagte Schmitt, die hier auch heute wieder Verfahrensfehler sieht.
Nicht so der Justiziar Ministerialrat Dr. Günther: Das Urteil sei rechtskräftig. Das habe die Klägerin zu akzeptieren, auch wenn ihr die Entscheidung nicht gefalle. Es sei nicht irrelevant, was damals gewesen sei. Es liege eine schwere Pflichtverletzung vor, welche beim Bewerbungsverfahren für die Stelle im öffentlichen Dienst zu berücksichtigen war. Darüber gebe es einen Aktenvermerk.
Situation neu bewerten
Schmitt entgegnete, dass es um eine neue Situation gehe, die neu zu bewerten sei: „Ich klage nicht gegen das damalige Urteil, sondern auf Berücksichtigung meiner aktuellen Bewerbung.“ Das Strafverfahren wurde nämlich im Jahr 2020 vor dem Landgericht Münster nach nur einem Verhandlungstag auf Vorschlag der Richterin gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt. Durch die damalige Aufhebung nach §153a StPO gilt die Unschuldsvermutung und Schmitt sei offiziell „nicht vorbestraft“.
Nur unter der Voraussetzung der vollumfänglichen Unschuldsvermutung habe sie den Vorschlag angenommen, „ansonsten hätte ich bis zum Freispruch weitergekämpft.“ Dass sie vor diesem Hintergrund keine neue Chance bekomme, empfinde sie als diskriminierend, gerade weil das Land das „Vertrauen“ so hoch hänge. „Ich habe zahlreiche Fortbildungen in denen es gerade um Verlässlichkeit, Transparenz, Offenheit und Fairness geht, mit großem Erfolg absolviert."
Dazu gehören Zertifizierungen als systemisch-psychologischer Coach, Change Manager, Leadership Coach, Scrum Master I und II und Professional Scrum Product Owner und habe ein „sauberes“ Führungszeugnis und keine Einträge im Bundeszentralregister. Als Jägerin werde ich zusätzlich regelmäßig vom Verfassungsschutz, LKA und der Waffenbehörde der Kreispolizei überprüft: "Was soll ich denn noch machen, um das Vertrauen des Landes in mich wieder herzustellen?“
Mit ihrer Bewerbung für den Dienst für das Land NRW habe sie gezeigt, dass sie dem Land vertraue, sagte die 57-Jährige vor Gericht: „Geht es hier wirklich um Vertrauen, oder um die Eitelkeit mancher Personen, für die meine Rückkehr ans Landgestüt eine persönliche Niederlage wäre?“
Frist- und formgerecht beworben
Die Diplom-Agraringenieurin reichte ihre Bewerbungsunterlagen vier Tage nach der offiziellen Stellenausschreibung am 25.Oktober 2021 beim Landwirtschaftsministerium in Düsseldorf ein und wartete auf die Einladung aus Düsseldorf ins Accesmentscenter (Neudeutsch für: Auswahlverfahren, wobei der Arbeitgeber die Bewerber intensiv prüft). Als vier Wochen nach Bewerbungsschluss immer noch keine Reaktion – auch keine Absage - aus Düsseldorf kam, hakte sie nach. Daraufhin erhielt sie eine formlose E-Mail mit der Nachricht, dass die Bewerbung nicht berücksichtigt worden sei. Konkrete Gründe habe das Ministerium nicht genannt.
Dieses Verhalten des Ministeriums fand der Richter „ungewöhnlich“. Er fragte, ob andere potenzielle Bewerber eine Nachricht erhalten hätten und ob und wann das Ministerium der Bewerberin eine formelle Absage geschickt hätte, wie es im öffentlichen Dienst vorgeschrieben ist. Nach einer längeren Pause antwortete der Ministerialrat: „Davon ist auszugehen. Ich halte das aber für nicht relevant.“
Land durfte Stelle nicht neu besetzen
Relevant war vor Gericht offenbar auch nicht der Eilbeschluss, den Schmitts Anwalt am 18. Februar 2022 zusammen mit der Berufungsklage beim LAG beantragt hatte. Damit sollte dem beklagten Land weiterhin untersagt werden, die Stelle während des laufenden Verfügungsverfahrens zu besetzen. Darüber setzte sich das Land offenbar hinweg und gab am 15. März eine neue Gestütsleitung bekannt. Auch dieses Vorgehen betitelte der vorsitzende Richter erneut als „ungewöhnlich“.
Damit hat sich die Neubesetzung der Leitung des Landgestüts NRW erledigt, heißt es aus dem Umweltministerium. Für die Bewerberin stellt sich hier zumindest aber die Frage, ob ein derartiges Handeln seitens eines zu korrektem rechtsstaatlichen Verhalten verpflichteten Landes NRW, welches im Weiteren auch zu einem respektvollen Umgang mit Mitarbeitern im Rahmen einer gebotenen Fürsorgepflicht angehalten ist, überhaupt zumindest moralisch vertretbar ist.
Der Berufungsantrag wird zurückgewiesen
Offensichtlich ja: Nach einer Stunde Anhörung und einer weiteren halben Stunde der Beratung verkündete der vorsitzende Richter, die Entscheidung der 11. Kammer. Der Berufungsantrag wird zurückgewiesen, allein schon weil der Verfügungsgrund nicht mehr bestehen würde, da das Land die Stelle zwischenzeitlich besetzte. Genau das ist der Knackpunkt, der das ganze Verfahren eigentlich ad absurdum führt: Bei der Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Münster am 10. Februar 2022 stellte sich heraus, dass sich das Ministerium bereits für einen Bewerber entschieden hatte, aber die Stelle aufgrund eines von Schmitts Anwalt beantragten Hängebeschlusses noch nicht besetzt war.
Der Anwalt änderte die Klage dahingehend, dass das Land das Bewerbungsverfahren ruhen lassen muss, bis das Verfügungsverfahren abgeschlossen ist. Über einen weiteren Antrag auf einen zweiten Hängebeschluss hatte der vorsitzende Richter in Hamm nicht entschieden, und so konnte das Land die vorzeitige Stellenbesetzung vornehmen. „Das sind doch erhebliche, für mich negative, Auswirkungen, die hätten verhindert werden können“, kommentiert Schmitt, die sich in ihren Grundrechten verletzt fühlt.
Keine Fehler im Bewerbungsverfahren
Weiter heißt es zur Begründung der 11. Kammer: Fehler im Bewerbungsverfahren werden verneint. Es fehle an der persönlichen Eignung der Klägerin. Den Eignungsmangel habe das Gericht losgelöst vom strafrechtlichen Verfahren gegen die ehemalige Leiterin des NRW-Landgestüts im Jahr 2017 bewertet.
Dass das Verfahren mit dem Verweis auf §153 a StPO eingestellt wurde, trage nicht dazu bei, dass der Schuldvorwurf nicht begründet sei. Das Gericht vertritt damit die Auffassung des Landes. Eine Revision vor dem Bundesarbeitsgericht wurde nicht zugelassen, da für den Fall, dass es keinen Verfügungsgrund mehr gibt, eine Revision nicht vorgesehen sei. Für die Klägerin bestehe die Möglichkeit, Schadenersatzansprüche geltend zu machen. Susanne Schmitt ist zwar enttäuscht, aber nicht entmutigt. "Ich will weiterkämpfen und werde alle weiterhin möglichen Rechtsmittel voll umfänglich ausschöpfen.“
Die Stelle wurde im Zuge der Video-Affäre im Mai 2021 um die Ex-Leiterin Kristina Ankerhold frei.
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