Ist die Messe nicht längst gelesen? Der Ausschuss für Stadtentwicklung der Stadt Horn-Bad Meinberg hat am 16. Dezember 2020 beschlossen, die Industrieansiedlung konkret zu planen. Der Entwurf des Bebauungsplanes mit vielen Gutachten lag bis 15. Februar 2021 öffentlich aus. Noch im Frühjahr könnte der Rat der Stadt den B-Plan als Satzung beschließen. Dann könnten im „Industriepark Lippe“, sprich Beller Feld, die Bagger rollen.
Doch eine Aktionsgruppe will bis zuletzt Widerstand leisten und hat eine Anwaltskanzlei aus Bielefeld beauftragt. „Wir bekommen eine Datenkrake vor die Haustür. Und unsere Stadt macht einen Kniefall“, klagt Bauernsohn Uwe Hartmann. Und Biobauer Josef Bussen sagt: „Es geht um mehr als 21 ha Acker, die versiegelt werden. Wir geben ein Stück Heimat preis für ein Unternehmen, das Billiglöhne zahlt und unsere Innenstädte ausbluten lässt.“
Der Hintergrund
Vor etwa 15 Jahren hatten Horn- Bad Meinberg, Blomberg und Schieder-Schwalenberg im Beller Feld ein interkommunales Gewerbegebiet geplant und ausgewiesen. Die 50 ha liegen im Kreuzungsbereich der B 239 und der Ostwestfalenstraße (B 252). Damals hatte die Stadt Horn die 50 ha von Landwirten gekauft und den Bürgern versprochen: Wir siedeln im Beller Feld kleine und mittlere Firmen an, keine Logistikunternehmen!
"Monsterhalle" auf 21 ha
Bis heute haben sich vier mittlere Gewerbebetriebe im Industriepark angesiedelt. 2019 trat Amazon an die Stadt heran. Der weltweit größte Onlinehändler will im Beller Feld auf 21 ha eine „Monsterhalle“, 320 m lang, 180 m breit, 30 m hoch, mit allen Nebenanlagen (790 Parkplätze) errichten. In zwei bis drei Schichten sollen bis zu 1200 Mitarbeiter/innen Pakete auspacken, Waren sortieren und wieder verpacken, damit die Bestellungen über Verteilzentren und Sprinter ruckzuck bei den Kunden sind.
Argumente der Gegner
Seit Monaten wehrt sich die Aktionsgruppe gegen die Ansiedlung:
- 21 ha Acker, bis 80 Punkte, werden versiegelt. Sie fehlen den Landwirten und der Tier- und Pflanzenwelt als Produktions- und Lebensgrundlage. „Warum wird bester Boden beansprucht, ohne zu prüfen, ob Industriebrachen zur Verfügung stehen. Warum wird das Hornitex-Gelände in Horn-Bad Meinberg nicht genutzt?“, fragt Wolfram Fiedler. In der Spanplattenfabrik fanden bis zu dessen Insolvenz vor rund 20 Jahren bis zu 2700 Mitarbeiter Lohn und Brot.
- Der Verkehr in Belle und Wöbbel wird stark steigen. Die B 239 führt durch beide Orte. Amazon spricht von 220 Lkw-Anfahrten pro Tag. Das sei nur die halbe Wahrheit, behaupten die Gegner. Unter anderem verschweige Amazon die Anzahl der Zulieferer für den Marketplace. „Es wird viel mehr Verkehr geben, als in der Planung genannt“, sagt Fiedler.
- Seit Jahren steht der Onlinehändler wegen seiner Arbeitsbedingungen in der Kritik. Amazon sucht vorwiegend ungelernte Kräfte, es gibt keinen Tarifvertrag. „Auf einer Informationsveranstaltung wurden Einstiegslöhne von 11,76 €/Stunde genannt. Davon kann man keine Familie ernähren“, meint Stefan Grasediek. Die Gegner befürchten zusätzliche Kosten für Kreis und Kommunen, wenn sie den Beschäftigten Aufstockungsbeträge im Rahmen von Hartz IV zahlen müssen. „Jetzt hören wir, dass unsere Stadt Bauplätze in Belle für die Beschäftigten von Amazon schaffen will. Das ist doch ein Witz“, so Grasediek.
- Die zugesagten 1000 bis 1200 Arbeitsplätze seien keineswegs sicher. „Amazon will die meisten Arbeiten automatisieren. Die Zukunft sieht so aus, dass Roboter in den Hallen die einfachen Arbeiten verrichten und die Beschäftigten ersetzen“, prophezeit Grasediek.
- Die Stadt hat für die Ansiedlung auch damit geworben, dass Amazon erhebliche Gewerbesteuern zahlen werde. Uwe Hartmann hat recherchiert: „Amazon zahlt an seinen Standorten in Deutschland im Schnitt so viel Gewerbesteuern wie ein mittlerer Handwerksbetrieb. Der Konzern nutzt unsere Infrastruktur, verlagert seine Gewinne jedoch ins Ausland.“
Wie viel zahlt Amazon?
Wie viel wird Amazon für die 21 ha zahlen? „Grundstückskaufverträge müssen wir geheim halten“, sagt Rüdiger Krenz, Wirtschaftsförderer der Stadt Horn-Bad Meinberg. Laut Homepage bietet die Stadt die Flächen im Industriepark für 28 €/m2 inklusive Erschließung an. „Dieser Preis ist überholt. Nur dank einer Landesförderung konnten wir die Flächen früher so günstig anbieten“, so Krenz auf Nachfrage.
Tiefenbohrungen im Beller Feld haben nun offensichtlich gezeigt, dass sich Fließsand im Untergrund befindet. Die Mehrkosten zur Stabilisierung des Baugrundes will Amazon vom Kaufpreis abziehen, berichtet die Tagespresse.
B-Plan lange rechtskräftig
Seit 2012 sei der B-Plan „Industriepark Lippe“ rechtskräftig, betont Krenz. Die Fläche sei im Landesentwicklungsplan ausgewiesen. Vor der Ausweisung hätten sich Horn-Bad Meinberg, Blomberg und Schieder-Schwalenberg abgestimmt und darauf verzichtet, keine weiteren Gewerbeflächen in ihren Kommunen zu entwickeln. Krenz: „Somit haben wir diese Flächen für die Lipper Landwirte geschont.“ Das Hornitex-Gelände eignet sich laut Krenz nicht für Amazon. Hier plane die Stadt Horn-Bad Meinberg unter anderem ein neues Wohngebiet.
Laut Krenz hat die Region seit den 1990er-Jahren zwei Nackenschläge wegstecken müssen. Zuerst seien viele Arbeitsplätze in den Kurbädern weggefallen. Dann habe die Möbelindustrie Tausende Arbeitsplätze abgebaut. „Wenn Amazon jetzt bei uns 1000 neue Arbeitsplätze schafft, könnten wir bis zu 700 Hartz-IV-Bezieher von der Straße holen“, prophezeit Krenz.
Amazon zahle Berufseinsteigern 11,76 €/Stunde. Doch die Arbeitnehmer/innen könnten sich bewähren und qualifizieren. „Nach zwei Jahren soll eine ungelernte Kraft auf 2600 € brutto im Monat kommen. Das ist viel mehr als der Mindestlohn“, sagt Krenz.
Die Vertreter der Stadt Horn Bad-Meinberg hätten im Vorfeld Amazon-Standorte besichtigt und zum Beispiel in Werne, Kreis Unna, auch mit dem Bürgermeister gesprochen. Krenz: „Wir hatten nicht das Gefühl, dass die Werner mit Amazon unzufrieden sind.“
Fachgeschäfte verdrängt?
Dass der Verkehr insbesondere in Belle zunehmen werde, sei unbestritten, räumt der Wirtschaftsförderer ein. Ein weiteres Argument der Gegner weist Krenz jedoch zurück: „Amazon und andere Onlinehändler können die Fachgeschäfte in unseren kleinen Innenstädten nicht mehr verdrängen. Das ist längst geschehen. Der Zug ist abgefahren.“
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