Familie Schulte möchte gerne unerkannt bleiben, weil sie ein Geheimnis hütet: Sie behandeln ihre Schweine mit homöopathischen Mitteln und halten sich nicht an die gesetzlichen Vorgaben. „Wir müssten jede Gabe ins Bestandsbuch eintragen, um noch mehr Dokumentationsaufwand zu vermeiden“, erklären sie.
Doch der Papierkram ist nicht die einzige Herausforderung der Schultes. Wenn sie Globuli für ihren konventionellen Schweinebestand mit Eigenremontierung ordern, dann geht das deutlich über die haushaltsüblichen Mengen hinaus: „Wir bestellen nur alle paar Jahre, dann aber gerne auch 300 bis 500 g Globuli.“ Mit der Zeit hat sich ein kleines Spiel zwischen Frau Schulte und dem Apotheker, der weiß, dass die Homöopathika zur Behandlung der Schweine dienen, entwickelt. Er fragt dann immer: „Ist fürs Pferd, ne?“ Diese Frage ist zu seiner eigenen Absicherung nötig. Von der Apothekerkammer Westfalen-Lippe heißt es dazu: „Humanhomöopathika für Lebensmittel liefernde Tiere dürfen in der Apotheke grundsätzlich nicht [...] abgegeben werden, sondern müssen vom Tierarzt verordnet/umgewidmet werden.“ Doch Schultes kommen dank der Nachsicht ihres Apothekers ohne Rezept an die kleinen Kügelchen ran.
Versteckspiel bei Kontrollen
Hilfestellung für die homöopathische Behandlung ihrer Tiere erhielten Schultes in ihrem Arbeitskreis der Landwirtschaftskammer NRW sowie den Leitfäden der Veronica Carstens-Stiftung (siehe Kasten). „Das A und O ist aber, dass wir unsere Tiere stets im Blick behalten – frei nach dem Motto: Wehret den Anfängen“, weiß Frau Schulte.
Doch was, wenn sich der Kontrolleur ankündigt? „Wir räumen vor jeder Kontrolle die Globuli weg“, erklärt der Betriebsleiter. Die Tiere auf dem Hof bekommen die homöopathischen Mittel in Wasser aufgelöst als Dilution, weil so die Applikation einfacher ist. Das erleichtert nebenbei das Verstecken bei unangekündigten Kontrollen, weil nicht die verräterischen kleinen Globuli-Fläschen im Schrank stehen. „Wir haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht, die Mittel auf die Rüsselfläche zu spritzen“, sagen Schultes. Die Tiere erhalten nur selten Injektionen. „Schon so mancher Tierarzt hat uns gespiegelt, dass unsere Tiere deutlich ruhiger sind als die von Berufskollegen“, freut sich Ehepaar Schulte über die Fachmeinung von außen.
„Homöopathie im Schweinestall“
50 Betriebe aus dem Kreis Warendorf beteiligten sich 1996 am Pilotprojekt zur homöopathischen Vorbeugung und Behandlung von Erkrankungen in der Schweinehaltung. Daraus entstand ein zweiteiliger Leitfaden über Grundlagen der homöopathischen Therapieempfehlungen sowie Wege zum richtigen Mittel bei Störungen während der Geburt, Harnwegs-, Magen-Darm-, Haut- und Atemwegserkrankungen sowie Bewegungsstörungen. Leitfaden zur homöopathischen Behandlung von Schweinen – von Achim Schütte. KVC-Verlag, ISBN 978-3-94-515032-0 und 978-3-94-515089-4, je 34,90 €.
Nur ein Drittel der Kosten
„Unser Veterinär weiß um die Homöopathika im Stall. Wir entscheiden aber ohne ihn, was wir den Tieren geben“, sagt Frau Schulte. Mit ihrer jahrelangen Erfahrung trauen sie sich zu, die Symptome richtig zu deuten und zu behandeln.
Obwohl Familie Schulte damit Gesetze umgeht, haben sie nicht das Gefühl, eine Gefahr zu sein: Denn in § 12 a der Verordnung über tierärztliche Hausapotheken (TÄHAV) steht, dass die Wartezeit bei homöopathischen Mitteln auf null Tage gesetzt werden darf. „Das wirft für uns nur erneut die Frage auf, warum wir die Gabe ins Bestandsbuch eintragen müssten“, wundern sich Schultes über die Regelungen in der konventionellen Schweinehaltung. Würden sie ökologisch wirtschaften, wäre ihr Tun akzeptierter. In der EG-Öko-Basisverordnung (Artikel 14) steht, dass nur „chemisch-synthetische allopathische Tierarzneimittel einschließlich Antibiotika [...] verabreicht werden [dürfen], wenn die Behandlung mit [...] homöopathischen [...] Mitteln ungeeignet ist.“ Das heißt: erst Homöopathie, dann „Schulmedizin“. Familie Schulte wird auch in Zukunft weiter konventionell wirtschaften und Zuckerperlen vor die Säue geben. Das machen sie nicht nur weil ihre Kosten für Arzneimittel etwa ein Drittel derer ihrer Berufskollegen entsprechen, sondern weil sie auch das Gefühl haben, so aktiv zum Wohl ihrer Schweine beizutragen.