Wie wär’s mit einem „Brabanter Spaten“? Oder miteinem Häufelpflug, der mit beweglichen eisernen Streichbrettern ausgestattet ist? All diese und viele andere Landmaschinen wurden zum Verkauf angeboten in einem „Preis-Verzeichniß der Werkzeuge und Modelle aus der Ackergeräthe-Fabrik des Königlich Württembergischen Land- und Forstwirthschaftlichen Instituts Hohenheim“. So lautet der Titel einer Druckschrift mit 32 großformatigen Seiten. Eines der seltenen Exemplare hat seinerzeit den Weg in die Bibliothek der Ackerbauschule Lüdinghausen gefunden – und nach deren Auflösung in die „Westfälischen Bibliothek der Landwirtschaft“, die heute von der Stiftung LV Münster unterhalten wird.
Start mit 16 Studenten
Dass der Katalog zu den raren, besonders begehrten Sammlerstücken zählt, hat vor allem drei Gründe:
- Zum einen ist er seinerzeit in relativ geringer Auflage verbreitet worden.
- Zum anderen weist er interessante agrartechnische Abbildungen auf und dokumentiert den Stand der Landtechnik um 1850.
- Zum dritten steckt in ihm ein doppelter Superlativ: Denn die „Ackergeräthe-Fabrik“ in Hohenheim war eine der ältesten auf deutschem Boden – und war ein Jahr nach Gründung des Landwirtschaftlichen Instituts in Hohenheim entstanden, einer der ältesten Agrarakademien in Deutschland.
Das Institut, vom württembergischen König Wilhelm I. ins Leben gerufen, war im November 1818 mit anfangs 16 Studenten eröffnet worden. Geleitet wurde es von Johann Nepomuk von Schwerz (1759–1844). Zwei Jahre vor der Hohenheimer Gründung war er noch preußischer Regierungsrat in Münster. Kreuz und quer war er damals durch Westfalen und durch das Rheinland gewandert, hatte sich mit führenden Landwirten unterhalten und etliche Denkschriften „durchgeackert“, ehe er daraus seine noch heute lesenswerte „Beschreibung der Landwirthschaft in Westfalen und Rheinpreußen“ erarbeitet hatte.
Ein Pflug als Sinnbild
1818 wechselte Schwerz nach Hohenheim. Dort baute er das „Land- und forstwirthschaftliche Institut“ und ein Jahr später die „Ackergeräthe-Fabrik“ auf. Sie war anfangs in einem ehemaligen Offiziersgebäude unweit des Gutes Hohenheim untergebracht. Die Fabrik sollte zukunftsweisende Ackergeräte entwickeln und in größerer Stückzahl bauen, um auf diese Weise die Modernisierung der Landwirtschaft im deutschen Südwesten voranzutreiben. Doch schon bald waren die Produkte weit über das Schwäbische hinaus bekannt und begehrt.
Das galt vor allem für den Hohenheimer Pflug. Schwerz hatte auf Forschungsreisen durch Flandern einen besonderen Beetpflug kennengelernt: den „Brabanter Pflug“, wie er auch genannt wurde. Seit 1826 ließ er das Gerät in der neuen Ackerbau-Fabrik nachbauen. Der „Hohenheimer Pflug“ oder auch „Schwerz’sche Pflug“, wie er später hieß, wurde zum Sinnbild der „rationellen“ Landwirtschaft – und zum meistverkauften Pflug der „Ackergeräthe-Fabrik“. Der Pflug, so heißt es auf der ersten Seite des Kataloges von 1854, zeichne sich aus „durch solide Verbindung seiner einzelnen Theile und in Folge dieser durch Dauerhaftigkeit; durch tadellose Arbeit, denn er gestattet eine so tiefe Beackerung wie wenige andere Pflüge, und er zeigt sich daneben nicht minder brauchbar bei ganz seichter Pflugart.“
Der Katalog listete aber auch andere Technik für das Land auf: Eggen, Walzen, Sämaschinen, Reinigungsgeräte aller Art sowie auch einfache „Wiesengeräthe“ wie den „Brabanter Spaten“, das „Siegen’sche Wiesenbeil“ oder auch ein „Wiesenhobel“, der sich „zum Wegschneiden der Maulwurfs- und Ameisenhaufen auf Weisen und Kleefeldern“ eignete.
Ideen aus vielen Ländern
Die Hohenheimer „Ackergeräthe-Fabrik“ griff viele Vorlagen aus aller Welt auf, verbesserte sie und passte sie mitteleuropäischen Verhältnissen an. Das erklärt, warum es im Angebotskatalog der Fabrik von 1854 staunenswert international zugeht. Die angebotenen Maschinen hießen unter anderem
– Amerikanisches Luftbutterfass,
– Piemonteser Seidehaspel,
– Englische Handbuttermaschine,
– Käsepresse nach Schweizer Art,
– Schottische Dreschmaschine,
– Amerikanische Mais-Entkörnungs-Maschine,
– Haferputzmaschine aus England oder auch
–„Newyorker“ Dreschmaschine.
Alle hier aufgeführten Maschinen und Geräte waren keine Importe, sondern wurden in der Hohen heimer Fabrik nach Originalplänen nachgebaut und dann verkauft.Angeboten wurden ferner Schälhacken, Pflanzenbohrer, Obstmahlmühlen oder auch eine geschickt konstruierte „Fahrtonne“: ein nach oben offenes Fass, das beweglich in einem Rahmen hing, der von einem Pferd oder Rind gezogen werden konnte. Das Fass halte „beim Bergauf- wie Bergabfahren das Gleichgewicht und lässt aus diesem Grunde nichts überfließen – ein Transportgerät von großer Brauchbarkeit“.
Die Qualität der Hohenheimer Ackerbaugeräte, ihre gediegene Fertigung und die Praxistauglichkeit sprach sich bald herum. 1858 wurde die Hohenheimer „alte Fabrik“, die man sich wie eine große Schmiede vorstellen muss, um einen umfangreichen Bau erweitert.
Das Ende der Fabrik
Für Jahrzehnte bestimmte die Hohenheimer Ackerfabrik die Landtechnik in Deutschland. Erst seit den 1870er-Jahren machten ihr neue, aufstrebende Landmaschinenfabriken zunehmende Konkurrenz. Darauf soll das Hohenheimer Unternehmen nur schwerfällig reagiert haben. Nach 1880, so heißt es in einer offiziellen Beschreibung, wurde die Fabrik „aufgrund der engen Anbindung an die Landwirtschaftliche Akademie sowie wegen mangelnder technischer Innovationsbereitschaft und kaufmännischer Führung immer unrentabler“.
1904 kam das Ende. Die Ackergerätefabrik musste ihre Fabrikation einstellen. Erhalten geblieben sind aber nicht nur Lieferkataloge auf Papier, sondern auch die Maschinen selbst. Diese Hohenheimer Fabrikate sind heute im Deutschen Landwirtschaftsmuseum in Stuttgart-Hohenheim zu sehen.
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