Wer es nicht weiß, vermutet es nicht: Im schmucken Hofladen von Familie Koch aus Volkmarsen-Külte im Landkreis Waldeck-Frankenberg waren vor rund eineinhalb Jahren noch zahlreiche Sauen untergebracht und haben dort ihre Ferkel gesäugt. Heute befindet sich in dem roten Backsteingebäude „Koch’s WurschtelEi“, wie Rebecca, Renate und Carsten Koch ihren Verkaufsraum getauft haben.
Betrieb im Wandel
„Wir sind ein kleiner Familienbetrieb, der sich vom geschlossenen System in der Schweinehaltung gelöst hat und nun auf das neue Standbein Direktvermarktung setzt“, erklärt Rebeccas ältere Schwester Sarah Sippel, die regelmäßig im Betrieb mithilft.
Diese Veränderung wurde notwendig, weil die Kochs in der Sauenhaltung keine Zukunft mehr sahen. Bis Sommer 2021 hielt der Betrieb 160 Sauen, zog die Ferkel auf und mästete diese in einem angepachteten Maststall. „Die vergangenen Jahre waren aber für die Schweinehalter schwierig – vor allem die Ferkelerzeugung war trotz sehr guter biologischer Leistungen mehr als unbefriedigend und oft geprägt von Wut über die Abhängigkeit von Großhandel und Agrarpolitik“, beschreiben Renate und Carsten Koch die Situation.
"Um mit der Sauenhaltung auf Dauer weitermachen zu können, hätten wir für viel Geld neue Ställe bauen müssen und dennoch in eine ungewisse Zukunft geschaut“, ergänzt Juniorchefin Rebecca: „Außerdem ist meine Leidenschaft für die Sauen nicht ganz so groß, wie die der älteren Generation auf dem Hof.“
Daher reifte der Entschluss, den Betrieb umzustrukturieren. Die Sauenhaltung wurde aufgegeben. Die Mast läuft weiter. Im Ackerbau sind etliche Arbeiten ausgelagert. Neuer Betriebsschwerpunkt ist die Direktvermarktung.
Schlachtung im Ort
Hier spielte neben der schlechten Absatzlage für Ferkel und Schweine die veränderte Nachfrage nach Lebensmitteln im Zuge der Corona-Zeit eine wichtige Rolle. Dazu muss man wissen, dass Kochs seit jeher einige Schweine für den Eigenbedarf beim Hausmetzger im Ort schlachtet lassen.
Seit rund zwei Jahren häuften sich jedoch die Anfragen von Freunden und Bekannten, welche Wurst und Fleisch direkt vom Hof erwerben wollten. Offensichtlich gibt es einen Markt für solche Produkte.
Diese Chance will Familie Koch nutzen, um über die selbst vermarkteten Schweine unabhängiger zu werden und eine optimale Wertschöpfung der eigenen Arbeit zu erreichen.
Gestartet wurde Ende 2020 mit dem Verkauf aus einem gebrauchten Anhänger heraus, was gut angenommen wurde, berichtet Mutter Renate. Vor gut einem Jahr kamen dann zwecks Erweiterung der Produktpalette ein Hühnermobil mit gut 400 Hennen und erste Zukaufwaren von anderen Regionalerzeugern hinzu. Angesichts der steigenden Nachfrage entschloss sich die Familie schließlich 2022 zum Bau des Hofladens.
Einkaufen und Gespräche
Dieser sollte aus Sicht der Landwirtsfamilie jedoch nicht nur der Vermarktung dienen, sondern ein Ort der Kommunikation und Transparenz sein. Der Laden soll helfen, Vorurteile aufzuklären, Fragen zu beantworten und das Bewusstsein der Menschen für die eigene Region zu stärken.
Aus diesem Grund bieten Kochs in ihrem Hofladen nicht nur die eigenen Erzeugnisse von ihren Schweinen und Hühnern an, sondern ein umfangreiches Feinschmeckersortiment mit Honig, Nudeln, Kornbränden, Wein, Kartoffeln, Mehl, Milchprodukten, Fruchtaufstrichen, Ölen und vielem mehr. Weil es in der „WurschtelEi“ zudem täglich frische Backwaren sowie eine Auswahl an Deko- und Geschenkartikeln gibt, hat der Hofladen Potenzial zum Nahversorger-Markt.
Die Kunden kommen aber nicht nur aus dem Ort, sondern reisen auch aus Kassel, Marsberg oder vom Twistesee an, berichtet Renate Koch. Auch ist bislang nur wenig von der allgemeinen Kaufzurückhaltung im Premiumsegment zu spüren. Vielmehr freut sie sich darüber, dass die Arbeit der Landwirtsfamilie als Direktvermarkter endlich wertgeschätzt wird. "Das war als Schweine haltender Betrieb vorher längst nicht immer so“, beschreibt sie die veränderte Perspektive. Schon deshalb ist sie froh, den mutigen Schritt gemacht zu haben.
Blick in den Stall
Wer in einem Hofladen einkauft, möchte sich idealerweise auch anschauen, woher seine Lebensmittel kommen. Deshalb gestaltet Carsten Koch einen Teil der alten Sauenställe derzeit so um, dass dort künftig die „Hausschlachtungsschweine“ gemästet werden können.
Die Tiere haben viel Platz in Zweiflächenbuchten mit eingestreuter Liegefläche und perforiertem Kotbereich. Wer möchte, kann ihnen von einem eigens eingerichteten Besucherraum aus beim Wühlen, Fressen oder Ruhen zusehen.
Dabei bekommt man spätestens zum Mastende kapitale Tiere zu Gesicht: Weil auch regionale Spezialitäten wie die nordhessische „Ahle Wurscht“ zur Produktpalette gehören, werden die Schweine länger als üblich gemästet. Sie bringen ausgeschlachtet rund 160 kg auf die Waage. „Aber das passt schon. Sie sind ja schließlich im ehemaligen Sauenstall untergebracht“, schmunzelt Carsten Koch.
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