Kühe mögen keine Hitze – vor allem nicht in Kombination mit hoher Luftfeuchte. Heiße, schwüle Sommertage bedeuten Stress für die Tiere, deren Wohlfühlbereich in Abhängigkeit von der Leistung zwischen etwa 4 und 16 °C liegt (bei üblichen Luftfeuchten um 70 %).
Wenn es deutlich wärmer wird, versuchen die Tiere, überschüssige Wärme über die Haut, durch Schwitzen und Atmung abzugeben. Sie wollen dadurch die Körpertemperatur auf etwa 38,5 °C stabil halten.
Doch das gelingt nicht immer und es kommt zu Hitzestress mit negativen Folgen für Leistung und Tiergesundheit, wie bei der Qnetics-Vortragstagung „Zukunft Milch“ in Alsfeld deutlich wurde. Dort diskutierten rund 300 Landwirte, Berater und Wissenschaftler über aktuelle Fragen der Rinderhaltung und Milcherzeugung.
Gefährlicher Hitzestress
Der oben angesprochene Hitzestress beispielsweise hat spürbare Auswirkungen auf die Tiere, wie Prof. Dr. Sven König von der Universität Gießen erläuterte. Direkte Folgen sind unter anderem eine verminderte Futteraufnahme und daraus resultierend ein Rückgang der Milchleistung. Zudem steigen die Zellzahlen und auch die Fruchtbarkeit leidet.
Indirekt bzw. zeitversetzt wirkt sich starker Hitzestress sogar auf das ungeborene Kalb im Mutterleib und dessen spätere Leistungsfähigkeit aus. Zur Einordnung der Hitzebelastung wird dabei häufig der Temperatur-Luftfeuchte-Index (englisch Temperature-Humidity-Index, THI) zu Rate gezogen. Dieser lässt sich aus der Umgebungstemperatur und der relativen Luftfeuchte berechnen.
Erste Anzeichen von (mildem) Stress zeigen sich nach Prof. König bereits bei einem THI von 65 bis 70, also oberhalb von beispielsweise 23 °C und 55 % Luftfeuchte. Hier gibt es bei den Frühlaktierenden erste Leistungseinbußen in Form geringerer Milcheiweißmengen.
Die Fruchtbarkeit leidet sogar schon bei einem THI von 60 bis 65. Liegt der Index deutlich darüber, kommt es zu erheblichen Stresssymptomen bis hin zu gestörtem Allgemeinbefinden und Kreislaufkollaps.
Auswirkung auf Trächtigkeit
Wenn hier nicht gegengesteuert wird, kann das Problem sogar Langzeitschäden anrichten. So hat Hitzestress während der späten Trockenstehzeit der Kuh einen Einfluss auf die Entwicklung des Kalbes, erklärte König.
Er hat dazu in großem Umfang Daten aus der Milchleistungskontrolle und von Wetterstationen ausgewertet. Dabei hat sich gezeigt, dass die Nachkommen von Kühen mit Hitzestress in den letzten acht Wochen vor der Kalbung in den Leistungs- und Fruchtbarkeitsmerkmalen den Kälbern aus „Nicht-Hitzestress-Trächtigkeiten“ unterlegen sind. Die genauen Zusammenhänge und Ursachen dieses Phänomens werden derzeit in einem Verbundprojekt der Universitäten Gießen und München untersucht.
Das Problem ist jedenfalls nicht zu unterschätzen. So berichtete Dr. Christian Koch von der rheinland-pfälzischen Lehr und Versuchsanstalt für Viehhaltung Hofgut Neumühle über US-amerikanische Untersuchungen aus dem Jahr 2020 (Laporta et al.).
Diese zeigten ebenfalls einen negativen Einfluss auf die Töchter und Enkeltöchter von Milchkühen mit Hitzestress in der Trächtigkeit: Die Nachkommen gaben dauerhaft weniger Milch und gingen früher aus den Herden ab.
Hitzetolerante Bullen?
Um diesen Spätfolgen vorzubeugen, gibt es züchterische Ansätze und solche, welche die Haltungsumwelt verbessern. Auf der Genetikseite könnte man laut Prof. König beispielsweise die Unterschiede in der „Hitzetoleranz“ der Besamungsbullen nutzen.
Es gibt nämlich Vererber, deren Töchter auf Hitze seltener mit Mastitis (Euterentzündung) reagieren, als ihre Herdengefährtinnen mit anderen Vätern. Die „robusteren“ Besamungsbullen haben am sogenannten HEMK1-Gen alle den Genotyp „GG“. In Hessen sind das unter anderem die Vererber Big Point, Argus und Kingston, so König.
Bevor die Zucht Früchte trägt, kann es allerdings noch dauern. Deshalb sollten die Landwirte parallel alles tun, um den Hitzestress ihrer Tiere möglichst zu reduzieren. Dazu gehören Ventilatoren zur Luftbewegung ebenso wie wärmeisolierte Stalldächer und Schattenplätze auf der Weide sowie stets reichlich Tränkwasser. Bei großer Hitze kann Wassernebel zur Verdunstungskühlung versprüht werden. Außerdem sollte die Futtervorlage in kühlere Tageszeiten verlegt werden, um die Tiere zum Fressen zu animieren.
Lesen Sie mehr: