Viele Privatanleger neigen dazu, ihr Geld jedes Mal auf die Aktie mit dem aktuell vermeintlichen Erfolg zu setzen. Das ist nicht klug. Denn jedes Kaufen und Verkaufen an der Börse schmälert die Rendite. Entscheidungsfehler bei Geldanlagen kommen häufig vor und sind nicht sehr originell. Der größte Feind einer erfolgreichen Geldanlage blickt uns im Spiegel an, sagt der Finanzpsychologe Prof. Dr. Hartmut Walz von der Hochschule Ludwigshafen am Rhein.
Geld anlegen: Zwischen Angst und Gier
Ein Beispiel für einen Anlagefehler: Jungbauer Maurice T. interessiert sich seit seiner Jugend für Aktien und hatte mit einem Aktien-Sparplan, in den er seit einigen Jahren monatlich 150 € einzahlte, eigentlich alles richtig gemacht. Aus seinem Kapitaleinsatz von rund 10 000 € waren Anfang des Jahres 2020 schon über 14000 € geworden, wie die monatliche Prüfung seines Depotstands ergab. Doch dann kam Corona, und in der ersten Märzhälfte ging der Depotwert dann mehrere Tage nacheinander kräftig nach unten.
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Kurse fallen - was tun?
Durch die Medienberichte aufgeschreckt verfolgte Maurice nun täglich, wie sein Depotwert zerrann. Als sein Depot Mitte März unter den Wert von 10 000 € fiel, verlor er die Nerven und zog die Reißleine. Er verkaufte alles. Der ihm am Folgetag gutgeschriebene Gegenwert betrug etwa 9400 € und Maurice war ein paar Tage lang sogar noch froh, „mit einem blauen Auge davongekommen zu sein“, zumal die Kurse noch ein wenig weiter fielen. Doch nur kurze Zeit später, nämlich schon in der letzten Märzwoche 2020, stiegen die Kurse wieder. Maurice bewertete das trotzig als „Zwischenhoch“.
Er hielt sein Geld „trocken“. Auch die starken Kurserholungen im April und weitere Kursgewinne im Mai beobachtete Maurice von der Seitenlinie. Erst im Juni siegte bei Maurice wieder die Zuversicht – oder die Gier? – über seine Ängste. Jedenfalls investierte er rund 9500 € erneut in den Aktienmarkt und ist heute mit einem Depotwert von knapp 11 000 € auch schon wieder leicht im Plus.
Seine Emotionen (Ängste, als der Depotwert sank) und seine Überaktivität haben Maurice trotzdem mehrere Tausend Euro gekostet. Denn hätte er einfach die Füße stillgehalten und den Kurseinbruch ausgesessen, würde sein Depotwert jetzt bei mehr als 14 000 € liegen.
Hin und Her – Taschen leer
Eine alte Börsenregel lautet: Hin und Her – Taschen leer. Maurice hat die Regel missachtet. Ihm sind gleich mehrere psychologische Fehler unterlaufen, die dazu führten, dass er keine klugen Entscheidung für sein Depot getroffen hat.
Erstens: Er hätte sich in guten Zeiten in Ruhe darüber klar werden müssen, welche (vorübergehenden) Verluste er aushält und sein Geld entsprechend dieser Risikobereitschaft anlegen müssen.
Zweitens: Maurice hat sich selbst überschätzt. Er wollte schlauer sein als der Markt und einerseits vorübergehende Verluste begrenzen und andererseits trotzdem Gewinnmöglichkeiten mitnehmen. Und das gelingt regelmäßig nicht. Zum einen weil Anleger zu spät aussteigen. Dann ist ein Großteil der Verluste schon eingetreten. Und zum anderen, weil sie ebenso wieder zu spät einsteigen. Das Gros der Erholungen bzw. Gewinne ist ebenfalls schon wieder eingetreten. Es gibt eben keine Kristallkugel, um in die Zukunft zu schauen.
Vorsicht bei Prognosen
Niemand und nichts kann die Finanzmärkte vorhersagen. Und es gibt nicht nur ein Risiko, wenn man investiert, sondern auch das gegenteilige Risiko, wenn man nicht investiert hat. Wie der Blick auf die vergangenen 100 Jahre Anlagepraxis zeigt, ist das Risiko, nicht investiert zu haben, erheblich größer als das Risiko, investiert zu haben. Die Psyche als TreiberDer Fehler von Maurice war, dass er zu aktiv war, als sein Depot zu schmelzen begann. Durch sein eiliges Handeln schmälerte er seinen Anlageerfolg anstatt ihn zu steigern.
Hier finden Sie Analysen, Einschätzungen und Tipps wie Sie Ihre Finanzen auch in Zeiten von Null- und Negativzinsen fest im Griff behalten.
Kosten vermeiden
Das ist absolut typisch – ganz abgesehen davon, dass bei jedem Kauf oder Verkauf Kosten anfallen, die das Ergebnis zusätzlich belasten. Weniger Aktivität wäre also mehr Anlageerfolg gewesen. Oder anders gesagt: Außer Spesen nichts gewesen! Und es gilt: Emotionen sind bei Entscheidungen zur Geldanlage fast immer schädlich.
Die schlechte Nachricht: Durch unvorteilhaftes Handeln getrieben von der „normalen“ Anlegerpsychologie verlieren Anleger einen erheblichen Teil der Rendite, welche die Finanzmärkte seit vielen Jahrzehnten „frei Haus“ liefern und die jeder Anleger mit Ruhe und bei Beherrschung schädlicher Emotionen und Einstellungen leicht und mit wenig Kosten einfach abernten kann.
Die gute Nachricht: Anlagefehler sind nicht originell. Meistens sind es immer wieder die gleichen. Ein etwas uncharmanter, jedoch leider wahrer Satz zum Geldanlegen lautet: Wenn Sie den größten Feind Ihrer Anlage und Ihres Vermögensaufbaus sehen wollen, dann schauen Sie einfach in den Spiegel.
Die eigene Psyche ist der Feind der erfolgreichen Geldanlage
Leider ist das nur allzu wahr. Bei Entscheidungen über Geldanlagen und Vorsorge unterlaufen den meisten teure Fehler, weil sie die eigene Psyche narrt. Viele denken zunächst rational, handeln dann aber oft irrational, weil ihnen die Emotionen einen Streich spielen.
Überlegen Sie selbst einmal kurz: „Wie fühlt es sich an, wenn ich bei der Anlage Geld verlieren würde? Werde ich bei einem vorübergehenden Verlust von 10 %, 20 % oder 30 % meines Vermögens noch die Nerven behalten und gut schlafen? Sehen Sie, es lohnt sich nicht, dafür panisch zu werden.
Häufige Fehler erkennen
Mit der Vermeidung der häufigsten Fehler lassen sich die Erträge erheblich steigern. Und das Schönste daran ist: Sie müssen dafür nicht mehr tun, sondern Sie dürfen – einmal richtig angefangen – künftig erheblich weniger tun. Nur der kleinere Teil unseres Anlageerfolgs beruht auf Fleiß oder Arbeit. Der größere hängt von der Qualität der Entscheidungen ab.
Geldentscheidungen nicht überstürzen
Eine häufig gestellte Frage bezieht sich auf „Bauchentscheidungen“. Soll man auf seinen Bauch hören oder lieber das Bauchgefühl unterdrücken? Die Antwort ist überraschend einfach. Denn hinter dem Bauchgefühl stehen zwei völlig unterschiedliche Dinge, nämlich Emotionen und Intuition. Emotionen treten je nach Situation auf, können durch viele Außeneinflüsse wie auch Hormone beeinflusst und manipuliert werden.
Sie verzerren Entscheidungen in eher zufälliger und meist negativer Weise. Intuition ist hingegen „gefühltes Wissen“, also die Summe von vielen Lebenserfahrungen und Daten, die jemand in seinem Unterbewusstsein abgespeichert hat. Wenn Sie Emotionen unterdrücken, etwa indem Sie wichtige Geldentscheidungen mindestens eine Nacht überschlafen, aber auf Ihre Intuition, also Ihren Erfahrungsschatz hören, ist Ihr Bauch ein guter Ratgeber. Gerade wenn die Entscheidungssituation kompliziert und die richtige Entscheidung von vielen Kriterien abhängig ist, sind Bauchentscheidungen hilfreich.
Buchtipp: Einfach genial entscheiden von Hartmut Walz. Haufe Verlag, ISBN 978-3-648-05532-8, 246 Seiten, 19,90 €.
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