Wir brauchen beim Thema Vogelgrippe mehr Augenmaß, sonst ist die Freilandhaltung hierzulande bald Geschichte“, warnen Christoph Gieseker und Richard Schulte.
Die beiden Landwirte züchten auf ihren Betrieben in Rietberg bzw. Delbrück sogenanntes „buntes“ Wirtschaftsgeflügel. Das sind spezielle Legehennen sowie Mastgeflügel für Klein- und Hobbyhalter sowie Direktvermarkter.
Die Tiere aus Ostwestfalen sind in ganz Deutschland vor allem bei Menschen beliebt, die etwas Farbe in ihre Geflügelschar bringen wollen und Hühner suchen, die in der Aufzucht gezielt auf die Haltung in überschaubaren Beständen mit Freilauf vorbereitet wurden.
Stallpflicht schreckt Kunden ab
Die Haltung mit Auslauf ins Freie spielt für die Kunden eine große Rolle. Eine reine Stallhaltung kommt für sie nicht infrage. Diese Geflügelfreunde möchten ihre Tiere täglich draußen sehen. Das aber wird durch die Vogelgrippe (Aviäre Influenza, AI) schwierig. Wo sie auftritt, müssen die Hühner, Enten und Gänse im Umkreis von mindestens 10 km aus Seuchenschutzgründen im Stall bleiben.
Oftmals gilt die Stallpflicht für den ganzen Landkreis.Die Geflügelpest macht den Freilandhaltern daher Sorgen – und den ostwestfälischen Geflügelzüchtern noch mehr. Denn falls ein Zucht- oder Aufzuchtbetrieb in die Schutzzone gerät, steht dort der gesamte Betrieb still: Die legereifen Junghennen können nicht ausgeliefert werden. Sie fressen und wachsen weiter und beginnen, in dafür nicht vorgesehenen Ställen mit dem Eierlegen.
Richard Schulte und Christoph Gieseker wissen, wovon sie sprechen. 2021 war Schultes Hof von der Vogelgrippe betroffen. In diesem Herbst erwischte es Giesekers Tiere. Der betroffene Standort musste geräumt werden. Aus den nicht direkt betroffenen Betriebsstätten durften wochenlang keine Tiere verkauft werden, obwohl die Kunden warteten und die Hennen die Legereife erreichten.
Das ist für die Tiere und Käufer ein Problem, für die betroffenen Unternehmen jedoch eine Katastrophe – zumal diese sich nicht gegen eine Betriebsunterbrechung absichern können, wie Schulte und Gieseker berichten: „Hier brauchen wir unbedingt eine Lösung, beispielsweise über die Tierseuchenkasse oder öffentliche Hand“, fordern die Geflügelzüchter.
Strategiewechsel gefordert
Die Landwirte plädieren zudem für einen Strategiewechsel im Umgang mit der Vogelgrippe, sonst gebe es bald keine Freilandhaltung und kein Geflügel in kleineren Beständen mehr:
- „Warum“, fragen Gieseker und Schulte, „ziehen AI-Funde in Kleinstbeständen großräumige Sperrmaßnahmen nach sich – ein verendetet aufgefundener Wildvogel jedoch nicht?“ Eine engmaschige Beprobung und Untersuchung der Geflügelbestände im direkten Umkreis würde doch ebenso gut helfen. Und die nachweislich gesunden Tiere könnten anschließend vermarktet werden. Die Geflügelhalter seien jedenfalls zur Mithilfe bereit, wenn das dem Schutz der Tiere und Unternehmen diene.
- Weil die Seuche in den Wildvogelpopulationen mittlerweile endemisch sei, sich also festgesetzt habe, fordern die Praktiker außerdem einen Schutz der Bestände über die sogenannte Marker-Impfung. Ansonsten laufe die Vogelgrippe aus dem Ruder. „Wir können nicht auf Dauer immer mehr Tiere aus Seuchenschutzgründen töten, die übrigen in den Stall sperren und uns anschließend wundern, dass die Eier und Weihnachtsgänse sowie -puten knapp werden“, geben die beiden Landwirte zu bedenken: Man brauche bessere Lösungsansätze, damit sich Geflügelbegeisterte auch morgen und übermorgen noch am Anblick ihrer Tiere im Garten erfreuen können.
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