Wochenblatt: Frau Jedowski, Sie sind als Fleischermeisterin am Handwerkskammer Bildungszentrum in Münster in der Ausbildung von FleischermeisterInnen und Auszubildenden tätig. Was sind es für Typen, die FleischermeisterIn werden?
Jedowski: Die angehenden Meister in unseren Kursen sind jung und ehrgeizig. Den Betriebsnachfolgern ist anzumerken, dass sie die Selbstständigkeit im Nacken haben. Sie sind Unternehmertypen und möchten gut sein.
Die angestellten Gesellen wollen sich im Betrieb weiterentwickeln. Ihr Ziel ist es, nicht mehr ausschließlich in der Produktion zu arbeiten, sondern auch in der Qualitätssicherung, Produktentwicklung oder im Büro tätig zu sein.
Wochenblatt: Dem Fleischerhandwerk fehlt es an Nachwuchs. Wie kommt das?
Es gibt mehrere Gründe, warum junge Leute nicht den Beruf des Fleischers oder des Fleischereiverkäufers wählen.
- Da in immer weniger Familien gekocht wird, haben Jugendliche keinen Kontakt mit Fleisch und es fehlt das Wissen, was man daraus alles Tolles machen kann. Ich beobachte so manches Mal Berührungsängste mit dem Produkt Fleisch.
- Leider können junge Leute in Fleischereien kaum Ferienarbeit machen, um den Beruf kennenzulernen und dann auch in die Branche zu gehen. Denn die Abläufe für Schüler und Studenten, die nur wenige Wochen da sind, sind zu komplex und für den Verkauf ist viel Wissen notwendig. Es ist schwer, in kurzer Zeit gut mitwirken zu können , um in wenigen Wochen gut mitwirken zu können.
- Die Arbeitszeiten sind nicht die besten. Es geht morgens früh los und auch am Wochenende sind Fleischergeschäfte geöffnet.
- Außerdem gehen viele davon aus, dass die Arbeit körperlich anstrengend ist und mit Blut zu tun hat. Blutig ist die Arbeit nur bei der Produktion von Blutwurst, sonst nicht. Und was die Kraft angeht, es gibt Unterstützung durch technische Geräte. Die Maschinen in den Metzgereien finde ich persönlich sehr faszinierend. Ich kann mich besonders für die Geräte bei der Wurstherstellung begeistern.
Wochenblatt: Oder liegt es an der Bezahlung?
Jedowski: Im ersten Lehrjahr bekommen die Azubis oft wesentlich mehr als die tariflichen 750 € pro Monat oder es gibt Extras wie einen Motorroller oder Handyvertrag.
Auch bei den FleischergesellInnen im fünften Berufsjahr ist der Tarif von 2402 € pro Monat die absolute Untergrenze. Bei FleischerifachverkäuferInnen liegt das Gehalt nach Tarif im fünften Berufsjahr bei 2068 €. In der Praxis bezahlen die Betriebe oft viel mehr.
Doch mit Geld lassen sich die jungen Leute kaum in die Fleischerberufe locken. Ich beobachte, dass sie einfach nicht im Handwerk arbeiten möchten. Deshalb setzen viele Betriebe auf angelernte Kräfte und Quereinsteiger. Allerdings geht das nur im Verkauf. In der Produktion ist eine Ausbildung erforderlich.
Was noch wichtig ist: Gutes Personal zieht gutes Personal.
Wochenblatt: Ist Selbstständigkeit im Fleischereibereich attraktiv?
Jedowski: Selbstständig zu sein ist viel Verantwortung und die Büroarbeit wird immer mehr. Wer eine Leidenschaft für die Herstellung von Fleisch- und Wurstwaren hat, der möchte sich mitunter nicht gern mit Zutatenlisten, Protokollen für Arbeitsabläufe und Rückstandsproben beschäftigen, sondern etwas "schaffen". Auch Personalführung ist nicht jedermanns Sache.
In einer Fleischerei ist immer viel zu tun, meist an sechs Tagen in der Woche und die Arbeitstage sind lang.
Wochenblatt: Was sind die Themen, mit denen sich Fleischereien in Zukunft verstärkt auseinandersetzen müssen?
Jedowski: In der Ernährung vieler Verbraucher wird der Fleischkonsum reduziert. Es gibt in den Familien nicht mehr jeden Tag ein Schnitzel oder Hackfleischsoße. Öfter stehen vegetarische Gerichte auf dem Tisch. Und wenn ein Stück Fleisch gekauft wird, dann ist es ein gutes, etwa zum Grillen oder zum Kochen am Wochenende. Der reduzierte und bewusste Fleischkonsum wird aktuell auch von Politikern gefordert.
Vegetarische und vegane Trends müssen alle - auch die in der Fleischbranche Tätigen - ernst nehmen und vielleicht auch den eigenen Fleischkonsum überdenken. Wenn Kunden merken, dass sich "ihr" Metzger mit modernen Ernährungsformen auseinandersetzt und Vegetarismus akzeptiert, wird der Fleischer bewundert. Trotzdem darf der Metzger seiner Tradition treu bleiben.
Wochenblatt: Mit anderen Worten: Sollte in der Fleischtheke auch Vegetarisches liegen.
Es tut dem Image von Fleischereibetrieben gut, sich diesem Trend nicht zu verschließen. Außerdem helfen einige vegetarische Produkte in der Theke oder auch Gerichte beim Mittagstisch dem Kunden: Es ist bequem für ihn, wenn er im Fachgeschäft gleich raffinierte Alternativen für seine vegetarischen Freunde bekommt. Das können Grillkäse oder marinierte Gemüsespieße sein, aber auch eine vegetarische "Wurst".
Ich sehe es als eine Herausforderung für Metzger, vegetarische Produkte oder auch Hybridfleisch - also Fleischprodukte mit einem gewissen Anteil an Gemüse - zu entwickeln. Diese zeigen den Kunden, dass "ihr" Fleischereibetrieb nicht in der Tradition stecken bleiben.
Wie groß die Auswahl sein muss, hängt vom Kundenstamm ab. In städtischen Regionen wie Münster sind sie viel gefragter als in Landmetzgereien. Auf jeden Fall würde ich ausloben, dass die Zutatenliste der vegetarischen Produkte wesentlich kürzer ist als die aus dem Discounter.
Wochenblatt: Was unterscheidet die stylischen Fleischereien von Traditionsbetrieben?
Jedowski: Diese haben sich eine bestimmte Zielgruppe gesetzt und arbeiten mit einem gut durchdachten, auf die Kunden abgestimmtes Marketing. Beispielsweise haben die Geschäfte einen industriellen Einrichtungsstil, alle Produkte, Flyer, Arbeitskleidung und auch die Einrichtung sind mit einem trendigen Betriebslogo ausgestattet. Die Wirkung des Geschäfts ist hochwertig und hat Stil. Das zeugt von Individualität unterstreicht die Hochwertigkeit der Ware und der Kunde bekommt das Gefühl, etwas Besonderes zu kaufen.
Manche Fleischereien spezialisieren sich, etwa auf Grillfleisch, Steaks oder mit Fertigprodukten. Andere legen Wert auf regionale Produkte von Bauern aus der Umgebung.
Das Allerwichtigste ist aber, egal ob es sich um einen Szene-Metzger in der Stadt oder einem traditionellen Betrieb auf dem Land handelt, dass Inhaberfamilie und Personal authentisch wirken und sich treu bleiben. Das ist der größte Pluspunkt der Handwerksbetriebe.
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