„Wir Landwirte sind sicher nicht bis in den Kühlschrank hinein für die Lebensmittel zuständig. Aber die Verantwortung endet auch nicht mit dem Treiben der Schweine über die Verladerampe“, beschrieb Hubertus Beringmeier am heutigen Freitag in Gütersloh sein Verständnis von gesellschaftlicher Verpflichtung. Dorthin hatte der Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV) gemeinsam mit Hugo Gödde von der Neuland Fleischvertrieb GmbH und Armin Wiese von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) zu einem Pressegespräch eingeladen, um mit den Journalisten über die aktuelle Situation und die künftige Ausrichtung der Land- und Ernährungswirtschaft zu diskutieren. Schließlich steht seit den zahlreichen Corona-Infektionen bei Tönnies und in anderen Unternehmen der Fleischwirtschaft die gesamte Erzeugungskette in der Kritik. Es geht nicht nur um die Arbeitsbedingungen der osteuropäischen Werkvertragskräfte, sondern zunehmend um Grundsatzfragen der Tierhaltung und Fleischerzeugung.
Diesen gesellschaftlichen „Ruf nach Veränderung“ spüre die Landwirtschaft sehr deutlich, so Beringmeier. Man blicke schließlich über die Hofgrenzen hinaus. Die Branche verschließe sich auch keineswegs dem Tierwohlgedanken. Man wolle die notwendigen Veränderungen jedoch aktiv mitgestalten, erklärte der WLV-Präsident und verwies auf die Arbeit der sogenannten Borchert-Kommission. „Deren Empfehlungen zur Neuausrichtung der Tierhaltung bei gleichzeitigem finanziellen Ausgleich für den Mehraufwand unterstützen wir vollumfänglich“, so Beringmeier: Denn letztlich sollen die Bauernfamilien auch künftig von ihrer Arbeit auf den Höfen leben können und die Lebensmittel weiterhin aus Deutschland kommen.
Mehr Tierwohl in den Ställen, bessere Arbeits- und Lebensbedingungen für die Schlachter und Zerleger kosten jedoch Geld. Und bislang war die Mehrzahl der Verbraucher nicht wirklich bereit, beim Lebensmitteleinkauf tiefer ins Portemonnaie zu greifen. Die spannende Frage ist also, ob Handel und Kunden es diesmal ernst meinen und auch zu eigenen Zugeständnissen bereit sind.
Wer jetzt nur viele Forderungen stellt, ohne den Aufwand dafür bezahlen zu wollen, treibt nämlich die Tierhaltung ins Ausland. Das verbessert aber weder die Bedingungen für die Tiere, noch die der Arbeiter am Schlachtband – im Gegenteil. Letztlich sind sachlich-konstruktive Diskussionen mit Augenmaß und Weitblick gefragt. Zudem müsse man auch mal etwas wagen und Fehlentwicklungen korrigieren, um Verbesserungen zu erreichen, appellierte Hugo Gödde an den Mut der Beteiligten. Die Zeit sei jedenfalls reif für Veränderungen.