Die Rinder hatten zwei Bügel demoliert. Also stallte Landwirt Clemens B.* die Tiere um, holte sich Flex und Schweißgerät und begann, an einer Metallstange zu flexen. Plötzlich schoss eine 4 m hohe Stichflamme zwischen den Spalten hoch.
Tödliche Schadgase in Gülle
Im Umgang mit Gülle passieren immer wieder Unfälle – auch tödliche. „Gerade in geschlossenen oder schlecht belüfteten Ställen besteht ein hohes Risiko für Vergiftungen, Erstickung und Explosionen“, berichtet Udo Bussmann, Technische Aufsichtsperson, Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG).
„Ich hätte es besser wissen müssen“, räumt Landwirt B. ein, „mein Lehrherr sagte immer ,In der Gülle sind vier Gase. Das eine nimmt dir den Geruchssinn, das zweite den Geschmackssinn und die anderen beiden holen den Sauerstoff aus der Luft. Die bringen dich um.‘“
Die schädlichen Gase sind Schwefelwasserstoff, Kohlendioxid, Methan und Ammoniak.
Schwefelwasserstoff (H2S) ist farblos, schwerer als Luft und riecht nach faulen Eiern. Es ist ein starkes Blut- und Nervengift. In höheren Konzentrationen lähmt es den Geruchssinn und die Atmung.
Ammoniak (NH3) ist farblos und leichter als Luft. Bereits in geringer Konzentrationen reizt es Schleimhäute, Atemwege und Augen. Ammoniak riecht stechend.
Methan (CH4) ist farb- und geruchlos. Das Gas ist leichter als Luft und verteilt sich sofort im Raum. Es besteht Erstickungs- und Explosionsgefahr.
Kohlendioxid (CO2) ist farblos und schwerer als Luft. Auch hier besteht Erstickungsgefahr.
Die Schadgase werden in der Gülle kontinuierlich freigesetzt. Mit Luft bzw. Sauerstoff bilden Methan und Schwefelwasserstoff ein explosives Gemisch. „Es gilt extreme Vorsicht und es sind konsequent Sicherungsmaßnahmen zu treffen“, betont Bussmann. Außerdem ist die Prävention versicherungstechnisch relevant. „Wer keine Sicherungsvorkehrungen trifft, handelt möglicherweise grob fahrlässig“, erläutert Christian Hoth von der Provinzial Versicherung in Münster. Es gibt vertraglich festgelegte und gesetzliche Sicherheitsvorschriften, die eingehalten werden müssen, um den Versicherungsschutz nicht zu gefährden. Steht ein Schaden im direkten Zusammenhang mit der Verletzung einer Sicherheitsvorschrift, dann kann es im Schadensfall zu Einschränkungen der Versicherungsleistung kommen.
1000-mal gerührt
Was Landwirte also tun sollten, wenn sie doch mal was im, über oder am Güllekeller reparieren müssen, weiß SVLFG-Experte Bussmann und erklärt es gerne. Sowohl die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften als auch die Provinzial Versicherung bieten Schulungen für Auszubildende im dritten Lehrjahr im Rahmen der überbetrieblichen Ausbildung auf Haus Düsse an. „Da halte ich es gerne frei nach Klaus Lage: 1000-mal gerührt, 1000-mal ist nix passiert, 1000 und noch einmal und es hat bumm gemacht“, sagt Hoth, der die Schulungen gemeinsam mit Bussmann durchführt. Die umgemünzte Version des Gassenhauers klingt zwar lustig. Die Botschaft ist ernst.
Übrigens: Clemens B.* ist zum Glück nichts zugestoßen. „Trotzdem war das ein Denkzettel“, sagt der Familienvater.
*Name geändert