Um ihre Klimaschutzziele zu erreichen und nun auch um schnellstmöglich unabhängig vom Import fossiler Energieträger zu werden, möchte die Bundesregierung den Ausbau der erneuerbaren Energien massiv beschleunigen. Windenergieanlagen (WEA) an Land gelten dabei als eine tragende Säule. Um ausreichend viele WEA bauen zu können, sollen deshalb 2% der deutschen Landesfläche für die Windenergie ausgewiesen werden. Die installierte Leistung soll so von heute rund 56 GW auf über 100 GW im Jahr 2030 steigen. Gesetzlich festlegen möchte die Bundesregierung das 2%-Ziel im Sommer im Rahmen einer Novelle des Baugesetzbuches.
Was heißt das für NRW?
In NRW stehen heute auf etwa 0,5% der Landesfläche insgesamt 3563 Windenergieanlagen mit einer installierten Leistung von 6340 MW. Muss nun also in den nächsten Jahren die Zahl der Anlagen vervierfacht werden, um auf die geforderten 2% zu kommen?
Nein, natürlich nicht. Zum einen beziehen sich die 2 % nicht auf bebaute, sondern auf für die Windenergie ausgewiesene Fläche. Zum anderen wird sich die Anlagenstruktur ändern: Denn heute sind viele WEA in NRW in die Tage gekommen. Diese Anlagen sind im Vergleich zu modernen Anlagen relativ klein. So liegt die durchschnittliche Leistung aller WEA in NRW heute bei rund 1,8 MW. Moderne Anlagen haben aber eine Leistung von drei bis sechs MW. Sie sind bis zur Flügelspitze zwischen 170 und 260 m hoch. Im Schnitt hatten laut Fachagentur Wind an Land die 83 im Jahr 2021 in NRW in Betrieb gegangenen Anlagen eine Nabenhöhe von 142 m, einen Rotordurchmesser von 134 m und knapp 4 MW Leistung. Tendenz steigend.
Mehr Leistung - mehr Platz
Doch neue Anlagen sind nicht nur leistungsstärker und größer als ältere Anlagen, sie benötigen auch mehr Platz. Zwar beträgt auch bei modernen Anlagen die reine Standfläche nur etwa 0,3 ha. Doch damit die Anlagen möglichst effizient und störungsfrei laufen, brauchen sie ausreichend Abstand zueinander. Stehen WEA zu eng, nehmen sie sich nicht nur gegenseitig den Wind weg. Es entstehen auch Windverwirbelungen und damit sehr starke Kräfte, die das Material der Nachbaranlage extrem stark belasten können.
Als Faustzahl gilt, dass Anlagen etwa das fünffache ihres Rotordurchmessers voneinander Abstand halten sollten. Hat zum Beispiel eine 4 MW-Anlage einen Rotordurchmesser von 133 m, benötigt sie eine Fläche von rund 16,5 ha.
Rund 16 % mehr Anlagen
NRW hat eine Landesfläche von gut 3,4 Mio. ha. 2% davon sind 68 196 ha. Würden in NRW 2 % der Landesfläche für die Windenergie ausgewiesen, so könnten hier bei einem Flächenbedarf von 16,5 ha pro WEA theoretisch 4133 Anlagen Platz finden.
Zur Erinnerung: Heute drehen sich in NRW bereits 3563 Anlagen im Wind. Ihre Anzahl müsste sich also nicht vervierfachen, sondern nur um rund 16 % steigen. Dabei werden die neuen Anlagen allerdings deutlich größer und damit „sichtbarer“ sein als die älteren. Angenehmer fürs Auge ist dann aber vielleicht, dass sich die Flügel der Riesen wesentlich langsamer drehen als die der kleine, älteren Anlagen. Dies kann auch ein Vorteil für den Artenschutz sein.
Umsetzung des 2 %-Ziels offen
Die installierte Leistung könnte bei Austausch alt gegen neu plus Zubau auf gut 16,5 GW steigen. Die Stromerzeugung stiege zusätzlich überproportional. Denn je größer die WEA sind, desto mehr Wind weht ihnen auch an relativ windstillen Tagen um die Flügel. Damit steigt die Zahl der Volllaststunden. Kann eine ältere, kleinere Anlagen vielleicht 2000 h im Jahr unter Volllast Strom produzieren, sind es bei modernen Anlagen auch im Flachland rund 3000 h. So steigt auch die Versorgungssicherheit.
Noch hat die neue Bundesregierung ihr 2 %-Ziel nicht in ein Gesetz gegossen. Entsprechend ist offen, wie genau die Umsetzung erfolgen soll. Möglich ist eine Regelung, mit der Bundesländer einen Teil der Zielerfüllung für andere übernehmen können. Notwendig ist das sicher für die Stadtstaaten Hamburg und Bremen. Denn auch in Zukunft wird der ländliche Raum Hauptträger des Ausbaus der Windenergie an Land sein. WEA in Ballungs-, Gewerbe oder Industriegebieten werden die Ausnahme bleiben.
Neue NRW-Potenzialstudie
Was in NRW gehen könnte, beschreibt die Potenzialstudie Windenergie, die das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) im Auftrag des NRW-Wirtschaftsministeriums erstellt hat. Nachdem die Veröffentlichung der Studie im Februar kurzfristig abgesagt wurde (siehe Wochenblatt Folge 11, Seite 19), liegen die Ergebnisse nun vor:
Nach der derzeitigen rechtlichen Genehmigungslage (Restriktionsszenario) beträgt die Potenzialfläche gut 8700 ha (5,2 GW). Weder die Ziele der Landesregierung (12 GW in 2030) noch des Bundes sind erreichbar.
Ausweitung von Zonen und Öffnung des Waldes
Das Leitszenario Energieversorgungsstrategie kommt auf eine Potenzialfläche von gut 59.500 ha (etwa 1,7% der Landesfläche) und ein Gesamtpotenzial von 3827 WEA mit 16,4 GW. Voraussetzung hierfür ist eine Anpassung des rechtlichen Rahmens. Dazu gehört insbesondere die Ausweitung der ausgewiesenen Windkonzentrationsszonen der Kommunen sowie Öffnung des Waldes. Laut diesem Szenario liegen 30% der Potenzialflächen im Wald (Nadelwald in besonders waldreichen Gemeinden sowie Kalamitätsflächen).
Die Potenzialflächen liegen insbesondere in der Eifel, im Rheinischen Revier, im Sauerland, im Raum Paderborn und Höxter sowie vereinzelt im Münsterland.
Würde der zurzeit in NRW geltende pauschale Mindestabstand zu Wohnbebauung von heute 1000m auf etwa 720 m (dreifache Höhe Referenzanlage) verkürzt, erhöht sich das theoretische Flächenpotenzial im Leitszenario zusätzlich um knapp 25.000 ha auf insgesamt 84.500 ha oder knapp 2,5% der Landesfläche.
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