Es gibt noch vieles abzuwägen: Die Akzeptanz von PV-Freiflächenanlagen steht und fällt mit der Standortwahl. Aber auch darüberhinaus gibt es einige Dinge zu beachten, wie unser kleines Stimmungsbild aus der Praxis zeigt. Das sagen Jäger, Naturschützer, Bürgermeister und Landwirte.
Chance für Landwirte
Ludger Schulze Beiering, Landwirt aus Borken-Weseke: "Photovoltaik (PV) auf Freiflächen kann eine Chance sein, die Energiewende zu fördern und Wertschöpfung in der Landwirtschaft zu halten. Seitdem Investoren ohne EEG große Anlagen errichten, kann man diese Form der Energiegewinnung nicht ignorieren. Die Diskussion um Freiflächen-PV in der Landwirtschaft ähnelt der vor Jahren von anderen erneuerbaren Energien wie Wind und Biogas. Selbstverständlich beansprucht diese Form der Energiegewinnung landwirtschaftliche Nutzfläche. Es wäre viel gewonnen, wenn es gelänge, dieses Feld nicht nur großen Investoren zu überlassen. Verträglicher für die Landwirtschaft ist die Kombination mit landwirtschaftlicher Produktion (Agri-PV) oder Umweltleistungen (Biosolarpark, Blühstreifen) zur Steigerung von Biodiversität. Eine weitere Möglichkeit ergibt sich mit der Errichtung von senkrechten Elementen entlang von Wirtschaftswegen, Straßen und Feldgrenzen. Bevor weiter großflächig Photovoltaik auf Freiflächen installiert wird, sollten auch alle Möglichkeiten genutzt werden auf anderen vorhandenen Flächen wie Dächern, Wänden, Parkplätzen usw. PV-Anlagen zu errichten. Ich fordere den Gesetzgeber auf, hierzu bessere Bedingungen zu schaffen.Dann kann es gelingen, die nötige Verdreifachung von PV-Strom zu erreichen. Freiflächen-PV kann eine Möglichkeit sein, die wir nicht unbedingt ausschließen sollen."
Besser andere Flächen nutzen
Andreas Schneider, Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Landesjagdverband NRW: "Die Jägerschaft befindet sich hinsichtlich der PV-Freiflächenanlagen noch in der Meinungsbildung. Dabei spielen unter anderem folgende Aspekte eine Rolle: PV-Anlagen scheinen alternativlos. Sie werden beim CO2-neutralen Energiemix der Zukunft sicher eine bedeutende Rolle spielen. CO2-Neutralität darf aber nicht durch andere Nachteile im Naturhaushalt erkauft werden. Weitere Flächenverluste in Land- und Forstwirtschaft sind an sich schon problematisch. Sie bedeuten zudem weniger Lebensraum für Flora und Fauna sowie einen Leistungsverlust der Natur. Der Flächenverlust führt auch zu weniger bejagbarer Fläche mit entsprechenden Ertragseinbußen für die Grundeigentümer als Inhaber des Jagdrechtes.
Nicht nur die Flächen der PV-Freiflächenanlagen sind unbejagbar. Auch im weiteren Umfeld kommt es zu jagdlichen Einschränkungen. Zum Beispiel sind Schrotschüsse auf Flugwild in Richtung der Anlagen bis 400 m wegen herabfallender Schrote gefährlich und somit nicht vertretbar. Es scheint viel sinnvoller, zunächst andere, bereits der Natur entzogene Flächen für PV-Anlagen zu nutzen. Geeignete Dachflächen auf Gebäuden jeder Art gibt es im Überfluss. Wenn die Solarmodule ohnehin aufgeständert werden sollen wie in Agri-PVs, können mit dem gleichen Aufwand und viel umweltverträglicher auch öffentliche Plätze und Parkraum überdacht werden."
Naturschutzbelange berücksichtigen
Harald Gläser und Rudolf Ostermann, Vorsitzende des NABU-Kreisverbandes Höxter: "PV-Freilandanlagen können ein Baustein auf dem Weg zu einer klima- und naturverträglicheren Energieerzeugung sein. Bei einem Flächenverbrauch in NRW von täglich 10 ha verkleinert sich der Kultur- und Naturraum allerdings bedrohlich. Das darf durch einen „Wildwuchs“ von PV-Anlagen jetzt nicht noch weiter verstärkt werden. Notwendig ist eine geordnete Bauleitplanung, bei der geeignete Standorte ausgewiesen werden – sinnvollerweise in örtlicher Anlehnung an Gewerbe-, Industrie- oder Militärflächen und entlang von großen Verkehrswegen. Ziel muss die geringstmögliche Zerschneidung von Naturlandschaft und Lebensräumen sein.
Die PV-Anlagen selbst sind von Anfang an naturschutzfachlich zu begleiten. Ihre Genehmigung auf Ackerland beispielsweise sollte an Naturschutzkonzepte zur Steigerung der Biodiversität gebunden sein (Einsaat von Blühflächen mit Saatgut aus autochthoner Herkunft, Einsatzverbot von Pestiziden, definierte Mäh- oder Mulchtermine usw.). Auf Grünlandstandorte ist in Anlehnung an den dringend notwendigen Erhalt des Grünlandanteils im Kreis Höxter zu verzichten. Ebenso verbieten sich PV-Freilandanlagen auf ertragsschwächeren Ackerstandorten mit wertvollen, schützenswerten Biotopverbünden, in Naturschutz- oder Feuchtgebieten sowie in der Nähe von geschützten Biotopen nach § 30 BNatSchG.
Grundsätzlich verschließt sich der NABU-Kreisverband Höxter jedoch nicht den Herausforderungen zur Eindämmung der Klimakrise. PV-Freiflächenanlagen sind ein Teil der Lösung, wenn die Naturschutzbelange berücksichtigt werden."
Standorte gut auswählen
Antonius Wiesemann, Bürgermeister der Stadt Neuenrade: "Die Stadt Neuenrade hat sich schon sehr früh für erneuerbare Energien aufgestellt und eine Vorrangzone mit sechs im Bau befindlichen Windenergieanlagen ausgewiesen. Diese können demnächst etwa 15 000 Haushalte mit CO2-freiem Strom versorgen.
Photovoltaik ist ein wichtiger zusätzlicher Energieträger, jedoch sollte man bei den Standorten auf schon versiegelte Flächen zurückgreifen wie Gebäude, Parkplätze oder Gewerbeparks. Zumindest sollte in jedem Fall eine Prüfung vorgenommen werden. Gut befahrbare Flächen mit 85er-Böden im Sauerland sind nicht oft vorhanden. Diese Flächen dann für Photovoltaik zu nutzen, befinde ich als nicht angemessen. An dieser Stelle sind mir gerade die landwirtschaftlichen Betriebe aus der Region wichtig, wo sie doch um jeden Quadratmeter landwirtschaftlicher Fläche kämpfen. Hier fehlt mir aber auch die klare Ansprache aus der Landwirtschaft."