Diese Zusammenarbeit war lange Zeit so selbstverständlich, dass sie dem einen oder anderen vielleicht kaum aufgefallen ist. Seit Jahren haben Landwirtschaftskammer NRW und EnergieAgentur.NRW bei allen Belangen rund um erneuerbare Energie aus Biomasse, Wind, Sonne und Wasser zusammengearbeitet, sich ausgetauscht und ergänzt.
Landwirte haben von der höheren Manpower, aber auch von finanzieller Unterstützung der EnergieAgentur zum Beispiel bei Fortbildungsveranstaltungen profitiert. In den Bereichen Biomasse und Photovoltaik ergänzten die EnergieAgentur-Fachleute die Arbeit der Kammer. In den Bereichen Wasserkraft und Windenergie hatte die Landwirtschaftskammer in den vergangenen Jahren gar keine eigenen Berater mehr, sondern verwies komplett auf die EnergieAgentur.NRW.
Doch damit ist zum Jahresende Schluss (siehe Wochenblatt Folge 10 und 22/2021). Die EnergieAgentur.NRW muss ihre Türen schließen. Ihr Auftraggeber, das Land NRW wollte im vergangenen Jahr die Zusammenarbeit nicht verlängern und setzt ab Januar 2022 auf eine neugegründete Landesgesellschaft mit dem Namen NRW.Energy4Climate (E4C).
Träger der Energiewende
Ziel der neuen Landesgesellschaft ist es, „NRW zu einer der modernsten und klimafreundlichsten Industrie- und Wirtschaftsregionen Europas weiterzuentwickeln“. So schreibt es uns E4C-Geschäftsführer Ulf C. Reichardt auf Anfrage. Unter dem Dach von E4C sollen die Kräfte in den Bereichen Klimaschutz und Energiewende gebündelt und verstärkt werden.
Konkret bedeutet das: „Wir sind sektorübergreifend Ansprechpartnerin und erste Anlaufstelle, wenn es darum geht, Klimaschutzprojekte voranzubringen – sei es in der Energiewirtschaft, der Industrie, im Gebäude- und Wärmebereich oder im Verkehrssektor.“
Den Bereich Landwirtschaft schließt Reichardt dabei explizit aus. Allerdings: Alle Aktivitäten von Landwirten im Bereich der Stromerzeugung, egal, ob mit Hilfe einer Photovoltaik-, einer Windenergie-, einer Wasserkraft- oder Biogasanlage gehören nicht zur Land-, sondern zur Energiewirtschaft. Damit sind Landwirte und der ländliche Raum insbesondere als Standort von Windenergie- und in Zukunft sicher auch von PV-Dach- und Freiflächenanlagen wichtige Träger für die Energiewende.
Wichtiges Standbein
Aber nicht nur das: Die Erzeugung erneuerbarer Energie ist schon heute ein wichtiges Standbein für viele landwirtschaftliche Betriebe. „2020 erzielten (in NRW) 8800 und damit rund ein Viertel aller Betriebe (26,2 %) Einnahmen mit der Erzeugung erneuerbarer Energien“, antwortet das NRW-Landwirtschaftsministerium (MUNLV) auf Nachfrage. Und weiter: „Durch die Energiewende wird die Erzeugung erneuerbarer Energien auch in Zukunft ein wirtschaftliches Standbein für viele landwirtschaftliche Betriebe bleiben. Zudem wird bei steigenden Energiepreisen die Erzeugung von Strom und Wärme für den Eigenverbrauch attraktiver.“
Deutlich mehr Zubau
Für die nächsten Jahre vermutet das MUNLV eine Verdopplung der Ausbauziele für PV und Windenergie an Land. Und das noch unter Annahme der Vorgaben der alten Bundesregierung. Setzen die neuen Regierungsparteien ihre Ziele aus dem Koalitionsvertrag um, wird es zu einem deutlich stärkeren Ausbau der erneuerbaren kommen müssen. Am Ausbau der erneuerbaren werden, so das MUNLV, „auch die Landwirtschaft und der ländliche Raum partizipieren.“
Also arbeiten Landwirtschaftskammer und E4C künftig zusammen? Steigt das Beratungsangebot mit der Bedeutung von Energiewende und Einkommensbeitrag für die Landwirtschaft?
Reichardt antwortet uns auf die Frage nach einer Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaftskammer und E4C: „Die Netzwerke der Landwirtschaftskammer NRW in den Bereichen Bioenergie, Windenergie, Wasserkraft und Photovoltaik sind für NRW.Energy4Climate von hohem Interesse.“ An die Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaftskammer und EnergieAgentur knüpfe er gerne an. „Die fachliche Expertise in den Bereichen Bioenergie, Windenergie, Wasserkraft und auch Photovoltaik ist bei uns bereits vertreten bzw. wird aufgebaut“, schreibt er.
Zukünftige Partner?
Die Führung der Landwirtschaftskammer mochte trotz mehrmaliger Nachfrage nicht direkt auf Fragen des Wochenblattes antworten: Weder zur Rolle der erneuerbaren Energien für landwirtschaftliche Betriebe noch zum erwarteten Beratungsbedarf in den nächsten Jahren, noch zum Beratungsangebot nach Ende der EnergieAgentur oder zu einer möglichen Zusammenarbeit mit E4C. Diese Fragen seien „zu politisch“, teilten Kammerdirektor Dr. Martin Berges sowie Pressesprecher Bernhard Rüb mündlich mit und verwiesen auf Antworten des NRW-Landwirtschaftsministeriums (MUNLV), bei dem das Wochenblatt nachgefragt hatte.
Dessen Pressestelle schreibt: „Nach Angaben der Kammer bleibt das Beratungsangebot der Landwirtschaftskammer im Wesentlichen unverändert.“ Des Weiteren richte es sich „nach der Nachfrage und konzentriert sich demnach auf die Bereiche Biogasveredlung und Photovoltaik. Die Beratung im Bereich große Windkraftanlagen könne von der Landwirtschaftskammer zurzeit nicht übernommen werden“.
Start Anfang Januar
Auch die Landwirtschaftskammer findet es nach Angabe des MUNLV „wünschenswert, wenn es künftig auch mit NRW.Energy4Climate zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit kommen würde“.
Am 1. Januar 2022 nimmt E4C die operative Arbeit auf. Drei Wochen davor ist offen, ob Landwirtschaftskammer und E4C zusammenarbeiten werden und wenn ja, wie diese Zusammenarbeit aussehen wird. Offen ist auch, wer die Beratung von Landwirten in den Bereichen Windenergie und Wasserkraft übernimmt. Offizielle Gespräche zwischen den potenziellen Partnern haben scheinbar noch nicht stattgefunden, sind jedoch, wie E4C heute dem Wochenblatt mitteilte, geplant.
„Bündler in Sachen Klimaschutz und Energiewende“
Die neue Landesgesellschaft „NRW.Energy4Climate“ ist dem Wirtschaftsministerium unterstellt. Ihre Aufgabe wird es sein, klimafreundliche Technologien in Industrie, Energiewirtschaft, Gebäude und Verkehrssektor zu etablieren. Unterstützung erhält die Gesellschaft durch per Ausschreibung gesuchte Kooperationspartner. Zur Finanzierung stellt das Land NRW jährlich 17 Mio. € zur Verfügung.
Als bekannt wurde, dass die Landesregierung ihre Zusammenarbeit mit der EnergieAgentur.NRW beendet, löste dies Proteste aus. Entsprechende Schreiben von Unternehmen, Kommunen und Verbänden an den zuständigen Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart liegen unserer Redaktion vor. Unter anderem sammelte Klimabündnis Bielefeld mehr als 14.000 Unterschriften gegen die Entscheidung der Landesregierung.
Ein Kritikpunkt ist die enge Verknüpfung zwischen Landesgesellschaft und Wirtschaftsministerium. Denn: In der Vergangenheit war die EnergieAgentur auch als Mahner der Politik aufgetreten. Laut Minister Pinkwart soll die Landesgesellschaft näher an der Politik arbeiten und ihre Aufgaben schneller und flexibler umsetzen können, als es der über sechsjährige Ausschreibungen gebundenen EnergieAgentur möglich war.
E4C geht im Januar zunächst mit 50 Mitarbeitern an den Start. Das sind zwar mehr als die ursprünglich geplanten 25 Mitarbeiter. Doch wurden, wie Landschaft Westfalen berichtet, von den ehemals 160 Mitarbeitern der EnergieAgentur nur 14 übernommen. Offen ist damit, auf wie viel der ursprünglich aufgebauten Netzwerke der EnergieAgentur E4C zurückgreifen kann und wie viel – vielleicht unnötig – neu aufgebaut werden muss. Im Laufe des Jahres 2022 soll der Mitarbeiterstamm auf 74 Fachexperten steigen, so Geschäftsführer Ulf C.Reichardt.
Die neue Landesgesellschaft wird, so Reichardt, „mit bewährten sowie mit neuen Onlinetools, Beratungs- und Workshopangeboten wie auch mit spezifischer Informationsvermittlung, zum Bespiel zu Förderprogrammen oder Fachthemen, die Umsetzung unterstützen – vom Ausbau der erneuerbaren Energien über Maßnahmen des kommunalen Klimaschutzes bis hin zur Umgestaltung unseres bisherigen Energiesystems.“ Speziell erhalten bleiben soll, der von der EnergieAgentur.NRW entwickelte „FörderNavi“.
Ansprechpartner wird E4C für Kommunen und Unternehmen sein. Für Privatpersonen verweist Reichardt auf die Angebote der Verbraucherzentrale NRW.
Eine große Rolle, schreibt Reichardt uns, „wird beispielsweise das Thema Photovoltaik spielen, deren Ausbau wir in NRW massiv beschleunigen wollen.“ Zu der Frage, welche Rolle die ländlichen Regionen im Rahmen des Ausbaus der erneuerbaren Energien spielen sollen, welche die urbanen, äußerte sich Reichardt nicht. Die Rahmenbedingungen setze die Politik.
Ulf C.Reichardt leitet E4C als Vorsitzender der Geschäftsführung seit April dieses Jahres. Zuletzt hatte er seit 2012 als Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer zu Köln gearbeitet. Zuvor bekleidete er verschiedenen Managementpositionen im ThyssenKrupp-Konzern. Bei E4C erhält Reichardt ein Grundgehalt von 200.000 € sowie eine Altersvorsorge in Höhe von 24 .000 € pro Jahr und einen Dienstwagen.
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