Mehr Elektromobilität. Unter anderem hiermit möchte die Bundesregierung den Verkehr klimafreundlicher machen. Dringend nötig ist das allemal: Denn der Verkehrssektor – und dazu gehören all unsere täglichen Fahrten – ist nach wie vor eins der größten Sorgenkinder, wenn es um eine klimafreundliche Zukunft geht. Doch E-Autos sind nicht unumstritten. Ist es sinnvoll, den (fossilen) Verbrenner zu verkaufen und ein E-Auto anzuschaffen? Hilft das tatsächlich, das Klima zu schützen? Oder holen wir uns damit andere, größere Probleme an Bord?
1 : 1-Ersatz ist nicht möglich
Ein klares „Ja, aber“ ist die Antwort von Prof. Andreas Knie auf diese Fragen. Der studierte Politikwissenschaftler ist Leiter der Forschungsgruppe „Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung“ am Wissenschaftszentrum für Sozialforschung in Berlin. Für ihn sind E-Autos ein Teil der Lösung – nicht weniger, aber eben auch nicht mehr. „Wir können nicht einfach alle 48 Mio. Pkw in Deutschland 1 : 1 durch E-Autos ersetzen. Allein die Herstellung würde viel zu viele Ressourcen, viel zu viel Energie verbrauchen“, sagt er. Wo eben es geht, müssen wir umdenken und alte Gewohnheiten überprüfen.
„Bisher setzen Politik und Gesellschaft stark auf das Auto. Immer noch bauen wir Autobahnen, immer noch fließen milliardenschwere Subventionen in das System Auto. Jetzt eben auch in die Elektromobilität“, erklärt er. Dabei, so ist er sich sicher, lässt sich die Strategie „nahezu jeder besitzt ein eigenes Auto, um jederzeit frei und unabhängig zu sein“, in einem klimafreundlichen Verkehrssystem auf keinen Fall aufrechterhalten.
„Überall wo es geht, und das ist insbesondere in den Städten und Ballungszentren, brauchen wir einen wesentlich besseren öffentlichen Nahverkehr. Wir benötigen dringend bessere Bahnverbindungen zwischen größeren Städten und einen Ausbau der Fahrradinfrastruktur. Autofahrer müssen zudem endlich alle Kosten tragen, die durch das Autofahren entstehen“, wünscht er sich.
In Kurzform heißt Letzteres: Die Preise für Benzin und Diesel müssen (und werden) steigen und zwar deutlich über die rund 6 Cent/l, die der CO2-Preis Anfang dieses Jahres mit sich gebracht hat und auch deutlich über die rund 16 Cent/l, die die jetzige Bundesregierung für das Jahr 2025 ins Spiel gebracht hat.
Sein Fazit: Da ein zufriedenstellender öffentlicher Nahverkehr auf dem Land auch in Zukunft schwierig umzusetzen sein wird, wird hier das (eigene) Auto zwar weiter eine höhere Bedeutung (jedenfalls im Vergleich zur Stadt) behalten. „Aber Autofahren wird in Zukunft teurer“, sagt Knie. „Gerade für Menschen auf dem Land ist das ein Nachteil. Insbesondere wenn sie jeden Tag zwischen ihrer Arbeit in der Stadt und ihrem Leben auf dem Land hin- und herpendeln.“
Im Vergleich zum fossilen Verbrenner wird die Alternative E-Auto wirtschaftlich zunehmend interessanter werden, ist sich Knie sicher. Bei Gebrauchtwagen klappt es noch nicht, aber beim Vergleich von Neuwagen liegen die Vollkosten je Kilometer bei E-Autos heute schon oft niedriger als bei Verbrennern. Durch den Einsatz von eigenem, erneuerbarem Strom zum Beispiel aus einer PV-Anlage lässt sich dieser Vorteil in vielen Fällen weiter ausbauen.
Und die Klimabilanz?
Praxisreif sind Elektroautos bereits heute. Das zeigen ein Werkstatt-Bericht und eine Reportage über die Erfahrungen von Familie Terbaum, die Sie auf den folgenden Wochenblatt-Seiten finden.
Wie umwelt- und klimafreundlich Elektroautos heute schon sind, kommt entscheidend darauf an, mit welchem Strommix sie betrieben werden und wie lange die Batterie hält. Nach Berechnungen des Fraunhofer Instituts ISI haben E-Klein- und Mittelklassewagen, wenn sie mit Strom aus dem deutschen Strommix geladen werden, nach zwei bis drei Jahren eine bessere Treibhausgasbilanz als Verbrenner. Bei Oberklassewagen dauert es etwas länger.
Aus Umwelt- und Klimasicht wäre es wohl am besten, vollständig auf das eigene Auto zu verzichten. Auf dem Land kommen Bus-, Bahn- und Radfahrer dabei aber schnell an ihre Grenzen: Die Strecken sind zu weit, die Busverbindungen jetzt, aber vermutlich auch in Zukunft zu schlecht. Auch wenn es lange nicht perfekt ist, kann hier das E-Auto heute schon eine Alternative sein – aus Umwelt- und Klimasicht, aber auch mit Blick auf den Geldbeutel.
In Zukunft, da ist sich Knie sicher, werden E-Autos nicht nur zunehmend wirtschaftlicher, sondern aufgrund des technischen Fortschritts auch zunehmend umweltfreundlicher werden – vorausgesetzt der Ausbau der erneuerbaren Energien hält Schritt.
Plug-in-Hybride: Toller Kompromiss?
Für viele sind Plug-in-Hybride der optimale Kompromiss: Sie bieten über den Verbrennungsmotor die gewohnte Flexibilität und Reichweite. Der elektrische Anteil reicht für die täglichen Kurzstrecken und sorgt so für mehr Klimafreundlichkeit.
„Vorsicht“, sagt Daniel F. Eisel, Experte für Energiemanagement und Effizienz vom Netzwerk LandSchafftEnergie in Straubing. Denn für ihn verbinden Plug-in-Hybride nicht das Gute, sondern das Schlechte aus zwei Welten. „Plug-in-Hybride verfügen über alle Bauteile eines Verbrenners. Sie benötigen genauso einen Ölwechsel, sind genauso reparatur- und wartungsanfällig“, erklärt er. Hinzu kommt dann noch der schwere Akku, der auf Langstrecken für höhere Diesel- bzw. Benzinverbräuche sorgt. Auf der elektrisch gefahrenen Kurzstrecke erhöht die mitgeschleppte Verbrennertechnik die Verbräuche. „Es gibt bestimmt Situationen, in denen ein Plug-in Vorteile bringt. In den allermeisten Fällen aber sind rein elektrische Fahrzeuge viel effizienter“, sagt er.
Auch Prof. Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin steht den Hybriden sehr kritisch gegenüber. Aus Befragungen weiß er, dass rund 90 % der Hybridfahrer sich aufgrund der staatlichen Förderung und der günstigeren Besteuerung für einen Plug-in-Hybriden entschieden haben. „Der elektrisch gefahrene Anteil ist bei diesen Nutzern dann oft vernachlässigbar niedrig“, sagt er.
Förderung von E-Autos
Der Bund will die Nutzung erneuerbarer Energien im Verkehrssektor fördern, deshalb gibt es für E-Autos eine Reihe von Fördermöglichkeiten.
- Von der Kfz-Steuer sind E-Autos zehn Jahre lang befreit, danach reduziert sich die Ermäßigung auf 50 %.
- Für die Anschaffung eines reinen E-Autos, eines Plug-in-Hybrides sowie einiger weiterer Varianten gibt es den sogenannten Umweltbonus. Er beträgt maximal 6000 €. Eine Hälfte trägt der Hersteller, die andere der Bund. Die volle Förderung gibt es für rein elektrische Fahrzeuge mit einem Netto-Listenpreis unter 40 000 €, keine für Wagen, die teurer als 65 000 € sind. Vor dem Antrag muss das Fahrzeug erworben und zugelassen worden sein. Die Mindesthaltedauer beträgt sechs Monate.
- Aktuell gibt es für reine E-Autos, die nach dem 3. Juni 2020 zugelassen wurden, zusätzlich eine Innovationsprämie. Dafür verdoppelt der Bund seinen Anteil auf maximal 6000 € Zuschuss.
- Leasingfahrzeuge werden ebenfalls gefördert, bei einer Leasinglaufzeit über 23 Monaten in identischer Höhe wie gekaufte Exemplare, ansonsten mit reduzierten Werten.
- Auch junge Gebrauchte sind förderfähig. Dafür gibt es mehrere Voraussetzungen, unter anderem muss das Auto nach dem 4. November 2019 erstzugelassen worden sein, im Falle einer Zweitzulassung maximal 15 000 km auf dem Tacho haben und noch nicht mit einem Umweltbonus bezuschusst worden sein.
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