Der Geburtstag des Gesetzes zum Ausbau erneuerbarer Energien, kurz EEG, jährt sich zum 20. Mal. Doch nicht für alle Betreiber von Photovoltaikanlagen ist das ein Grund zur Freude. Denn einige müssen entscheiden: Wohin künftig mit dem selbst erzeugten Strom? Die Frage drängt besonders bei Anlagen, die bis 2000 ans Netz gingen.
Ü20 – „wildes Einspeisen“?
Deutschlandweit wurden bis Ende 2000 18 100 Photovoltaikanlagen mit insgesamt 71 MW Förderanspruch in Betrieb genommen. 20 Jahre später heißt es nun für sie: Schluss mit der Förderung. Die meisten dieser Anlagen haben das Ende ihrer technischen Lebenszeit aber noch nicht erreicht und sind weiterhin funktionsfähig. Ihre Betreiber müssen nun entscheiden, wie sie weiter verfahren wollen. Denn so unkompliziert wie bisher geht es ab dem Jahreswechsel nicht mehr. Die ausgeförderten Anlagen verlieren alle Privilegien und werden wie ein normales, wenngleich kleines, Kraftwerk behandelt. Das heißt: Die technische Abnahme des Stroms ist durch den Netzbetreiber gesichert, nicht jedoch die kaufmännische. Gemäß der aktuellen Gesetzeslage muss jeder Anlagenbetreiber im Post-EEG-Szenario einen Direktvermarkter nachweisen. Der Vermarkter muss den Strom in seinen Bilanzkreis integrieren (§ 4 Abs. 3 StromNZV) und für eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung geradestehen. Besonders bei kleinen Anlagen, zu denen im Energiesektor üblicherweise Anlagen <100 kWp zählen, gestaltet sich das schwierig. Denn der Aufwand ist hoch und der erwartbare Gewinn entsprechend gering.
Doch die sogenannte „wilde Einspeisung“, also ein Einspeisen des Stroms ins Netz ohne Vertrag und Vergütung, ist nicht zulässig. Der Netzbetreiber kann hart sanktionieren und sogar die Abschaltung der Anlage veranlassen.
Einfach abwarten und weitermachen wie bisher ist deshalb keine Option. Es gilt, bis zum Jahresende einen Käufer für den selbst erzeugten Strom zu finden oder ihn selbst zu verbrauchen. Doch jede der Möglichkeiten ist an Voraussetzungen und Pflichten geknüpft (siehe Übersicht 4).
Option: Eigenverbrauch
Die wohl einfachste Variante des Weiterbetriebs ist die „Eigenversorgung“, auch wenn für den verbrauchten Strom die ermäßigte EEG-Umlage (40 %) fällig wird. Erzeuger und Verbraucher müssen identisch sein. Das bedeutet: Die Photovoltaikanlage und der landwirtschaftliche Betrieb müssen den gleichen Gesellschaftsnamen tragen. Damit es sich um Eigenversorgung handelt, muss außerdem ein „unmittelbarer räumlicher Zusammenhang“ zwischen Erzeugung und Verbrauch bestehen. Der Bundesfinanzhof sieht das im Kontext der Stromsteuerbefreiung bei einer Entfernung von bis zu 4,5 km gegeben (BFH, 20.04.2004 – VII R 44/03 –). Ist keine räumliche Nähe gegeben, weil die Module zum Beispiel außerhalb der eigenen Fläche installiert sind, bedarf es einer Einzelfallentscheidung, in welchem Umfang EEG-Umlage und Stromsteuer zu zahlen sind.
Eine weitere Besonderheit ergibt sich, wenn Stromerzeuger und Letztverbraucher verschieden sind, obwohl ein räumlicher Zusammenhang besteht und das öffentliche Netz nicht genutzt wird. In diesem Fall handelt es sich formal um eine „Stromdirektlieferung“. Ein Beispiel: Die für die Photovoltaikanlage gegründete GmbH verkauft den Strom an den landwirtschaftlichen Betrieb oder den Privathaushalt des Gesellschafters. Laut Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) ist die Solaranlage ein „Energieversorgungsunternehmen“, das eine Vielzahl an Melde- und Anzeigepflichten einhalten muss. Es fällt die volle EEG-Umlage an. Stromsteuer, Netznutzungsgebühr und Konzessionsabgaben müssen hingegen nicht gezahlt werden. Solch eine Belieferung wird neudeutsch als Corporate Power Purchase Agreement, kurz PPA, bezeichnet. Dabei vereinbaren Anbieter und Abnehmer den Strompreis individuell.
EEG-Umlage und Speicher
Unabhängig davon, für welche dieser beiden Formen der Abnahme sich der Betreiber entscheidet, laufen Erzeugung und Entnahme selten zeitlich synchron. Während Solaranlagen besonders in den Mittagsstunden ihre Leistungsspitzen erreichen, misst das Standard-Lastprofil in Privathaushalten in den Morgen- und Abendstunden die höchsten Entnahmen aus dem Netz. Viele Anlagenbesitzer investieren daher in Speicherkapazitäten, um den Eigenverbrauch zu erhöhen. Die Kosten belaufen sich auf etwa 700 € je kWh-Speichervolumen. Wer die Investition in einen Speicher scheut, kann den Eigenverbrauch auch durch ein E-Auto, eine Wärmepumpe oder ein Smart-Home optimieren.
Jeder Anlagenbetreiber sollte sich rechtlich absichern, ob er für den selbst verbrauchten Strom eine anteilige EEG-Umlage abführen muss. Bei älteren Bestandsanlagen, die auf Einspeisung ausgelegt waren, fällt grundsätzlich keine EEG-Umlage auf den Eigenverbrauch an. Es sei denn, die Anlage wurde nach dem 31. Juli 2014 erneuert, ersetzt oder ausgetauscht. Das EEG ist an dieser Stelle nicht eindeutig formuliert. Das gilt auch für kleinere Bestandsanlagen, deren bisherige Befreiung nicht automatisch über die 20-jährige Förderperiode hinaus gilt.
Lieber direkt vermarkten?
Alternativ zu Eigenverbrauch und Direktstrombelieferung bleibt die Möglichkeit der „sonstigen Direktvermarktung“ (gemäß § 21a EEG 2017), so die Bezeichnung für Bilanzierung und Verkauf von Strom ausgeförderter Solaranlagen. Bislang gab es dieses Modell nur für Anlagen über 30 oder gar 60 kW installierter Leitung. Erste Anbieter für die Vermarktung des Stroms aus Kleinanlagen gibt es bereits. Start-ups, aber auch etablierte Energieversorger zielen darauf ab, den Strom vom Hausdach zwischen Erzeuger und Verbraucher zu vermitteln. Die Regularien und Prozesse waren ursprünglich für den Strom aus größeren Anlagen konzipiert und sind entsprechend sperrig. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sind sie für kleine Anlagen nur schwer realisierbar.
Kostspieliges Einspeisen
Aufwendungen für Versicherung, Wartung und Reparatur kommen auf jeden Solarstromproduzenten zu. Bei Einspeisung ins Netz besteht außerdem die Verpflichtung, die gesetzlich geforderte Viertelstundenmessung (§ 21b Abs. 3 EEG) herzustellen. Das kann sowohl durch den Einbau eines Smart-Meters (Wochenblatt 20/20) als auch durch einen Zähler der Registrierenden Leistungsmessung, kurz RLM-Zähler erfolgen. Obwohl nicht gesetzliche verankert, kann auf Anlagenbetreiber die Forderung der Fernsteuerbarkeit der Erzeugung zukommen. Das Umweltbundesamt geht davon aus, dass „Direktvermarkter diese als notwendige Voraussetzung fordern, um einerseits Anlagen bei negativen Strompreisen [...] abregeln [...] und andererseits anhand von Echtzeitdaten Prognosen verbessern zu können“. Die Fernsteuerbarkeit schlägt einmalig mit 50 bis 500 € zu Buche. Die erhebliche Preisspanne erklärt sich dadurch, dass entweder eine Aufschaltung auf eine bereits vorhandene Wechselrichterschnittstelle ausreicht oder gänzlich neue Hardware nötig ist.
Die für die Direktvermarktung erforderlichen Investitionen sind hoch. Bei aktuellen Marktpreisen stehen ihnen jedoch nur relativ geringe Erlöse gegenüber.
Bei Volleinspeisung einer 5-kWp-Anlage ist jährlich mit Erlösen von etwa 225 € zu rechnen (siehe Übersicht 2). Neben den bereits erwähnten Kosten der Erzeugung kommen weitere Aufwendungen für den Verkauf des Stroms hinzu. Der Direktvermarkter verlangt für seine Dienstleistung jährlich durchaus mehrere Hundert Euro.
Kleine gucken in die Röhre
Die Kalkulationen (Übersichten 1 bis 3) aus dem Kurzgutachten des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e. V. (KTBL) zeigen, dass die „sonstige Direktvermarktung“ von Solarstrom ausgeförderter Anlagen kein Allheilmittel ist. Besonders kleine Anlagen sind in den Berechnungen wenig rentabel. Den Betreibern bleibt aber die Möglichkeit, an Dritte zu verpachten, die den Strom wiederum selbst verbrauchen oder direkt vermarkten.
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Letztlich steht jedem Inhaber die Option offen, die Anlage zu demontieren und funktionsfähige Komponenten zu verkaufen. Jörg Sutter, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie e. V., gibt zu bedenken, dass der Markt für Altanlagen sehr begrenzt ist: „Neuere Anlagen arbeiten deutlich effizienter. Ältere Module können verkauft werden, dienen aber häufig nur als Ersatzteil für den Austausch defekter Module“.
Die Zeit drängt
Unabhängig davon, welchen Weg die Betreiber von Pionieranlagen einschlagen, ist die Zeit knapp. Das EEG (2017 § 21c) sieht vor, dass ein Wechsel der Veräußerungsform dem Netzbetreiber vor Beginn des jeweils vorangehenden Kalendermonats mitgeteilt werden muss. Soll der Strom der Anlage beispielsweise ab dem 1. Januar 2021 direktvermarktet werden, muss der Verteilernetzbetreiber bis Ende November informiert werden. „Betreiber sollten einkalkulieren, dass die Auftragsbücher der Solarunternehmen gut gefüllt sind und beim Einbau der technischen Erfordernisse Wartezeiten entstehen können“, weist Sutter auf einen weiteren Aspekt der Planung hin.
Hoffnung legten Branchenkenner in die Novelle des EEG, die am 23. September 2020 im Bundeskabinett verabschiedet wurde. Strom ausgeförderter Anlagen hat demnach, gemäß § 11 EEG, weiterhin Einspeisevorrang und die Ü20-Anlagen können über die sonstige, nicht geförderte Direktvermarktung weiterbetrieben werden.
Ausgeförderte Anlagen (≤100 kW installierte Leistung) sollen, befristet bis 31. Dezember 2027, eine geringe Einspeisevergütung gemäß § 19 EEG 2021 erhalten. Im nächsten Schritt beraten im parlamentarischen Verfahren Bundestag und -rat über die Novelle. Ziel ist, das Gesetzgebungsverfahren noch in diesem Jahr abzuschließen. Genau genommen müssen sich die Solarpioniere dann bereits entschieden haben, was sie in Zukunft mit ihrem Strom machen werden.
Beratungsangebot „PVLOTSE“ bietet UnterstützungIm Rahmen des vom Umweltbundesamt geförderten Projektes PVLOTSE bietet die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) e. V. deutschlandweit Beratung für Betreiber von Photovoltaikanlagen, die 2021 und 2022 aus der Förderung fallen. Ziel ist zu verhindern, dass die Anlagen aufgrund fehlender Perspektiven außer Betrieb genommen werden. Die neutrale, kostenlose Beratung beantwortet alle Fragen rund um den Weiterbetrieb alter Photovoltaikanlagen. Dabei kann es um die Abwägung der prinzipiellen Möglichkeiten, die Betrachtung von wichtigen Entscheidungskriterien oder auch um konkrete Umsetzungsaspekte gehen. Die Berater sind per E-Mail pvlotse@dgs.de oder Telefon (030) 23 32 62 10 (werktags außer mittwochs von 14 bis 18 Uhr) erreichbar. Die Homepage wird bis zum Ende des Projektes im April 2021 fortlaufend ergänzt.
www.pvlotse.de. Mehr zum Thema: