"Grundsätzlich kann so gut wie jede Pflanze in Biogasanlagen vergoren und zu Energie in Form von Strom und Wärme oder Kraftstoff umgewandelt werden", erklärte der Präsident des Fachverbandes Biogas, Horst Seide. Der Unterschied liege allein in der Gasausbeute und damit letztendlich im Einkommen des Betreibers.
Herausforderung: die richtige Saatgutmischung
"Die Herausforderung besteht darin, eine Mischung zu finden, die an den Klimawandel angepasst ist, eine hohe Biodiversität garantiert und zudem durch ihre Massenwüchsigkeit ausreichend Ertrag für Biogasanlagen generiert", erläuterte Kornelia Marzini von der Bayerischen Landesanstalt für Wein- und Gartenbau Veitshöchheim. Dazu seien alle heimischen, spätblühenden Arten, aber auch Arten aus den östlichen, trocken-heißen Steppengebieten sowie Mischungen erprobt worden.
Denn gerade in den vergangenen drei trockenen Jahren reiften viele heimische Arten zu früh ab. "Um optimale Methanerträge zu erzielen, müssen wir nach dem 15. Juli ernten", so die Wildpflanzenspezialistin. Der wichtigste Biomasseträger sei der Rainfarn. Doch gerade auf guten Böden verdrängt er mit der Zeit die anderen Arten. Als sehr gut geeignet habe sich die Biogasmischung "Veitshöchheimer Hanfmix" herausgestellt, so Marzini. "Die Mischung wird Ende Juli geerntet und blüht dann später im Jahr bis zum ersten Frost noch einmal", informierte die Expertin.
Gut für Insekten
Untersuchungen hätten ergeben, dass bedrohte Vogelarten wie die Braun-, Schwarz- und Blaukehlchen in den Blühflächen vorkommen und die Brutreviere über die Jahre immer weiter zunehmen, berichtete Marzini. Basis hierfür sei die große Zahl und Vielfalt an Insekten. Bei Untersuchungen mit einem "Insektensauger" wurden auf den Blühflächen in einer Viertelstunde 225 verschiedene Insektenarten nachgewiesen. Natürlich käme es bei der Ernte zu Insektenverlusten, räumte die Expertin ein. Unterm Strich sei der Effekt solcher Blühflächen aber deutlich positiv. So käme es beispielsweise bei Hummeln zu einer signifikanten Zunahme.
Vielfältige, strukturreiche Flächen wünscht sich auch Dr. Andreas Kinser, stellvertretender Leiter Natur- und Artenschutz bei der Deutschen Wildtier Stiftung. Vor 50 Jahren seien noch 50 Kulturarten angebaut worden. Mittlerweile würde aber auf fast der Hälfte der Ackerflächen in Deutschland Weizen bzw. Mais angebaut.
Förderung für "Bunte Biomasse"
Mit dem 2019 gestarteten Projekt "Bunte Biomasse" sollen Landwirte dafür begeistert werden, Wildpflanzenmischungen zur Biomasseproduktion anzubauen. Mit den Landwirten werden dreijährige Verträge abgeschlossen. Pro Hektar Wildpflanzenmischung erhalten sie jährlich 250 €/ha. "Unser Ziel, bundesweit bis Ende 2024 auf 500 ha zu kommen, haben wir jetzt schon fast erreicht", berichtete Kinser. Mit bunter Biomasse als Teil des landwirtschaftlichen Mainstreams könne eine Trendwende beim Artenrückgang in der Feldflur gelingen, zeigte er sich überzeugt.
Rennrodler wirbt für Biogas
Als dreifacher Rodel-Olympiasieger hat Georg Hackl große Bekanntheit erlangt. Nach Beendigung seiner Rennrodelkarriere ist er seit 2015 Biogasbotschafter für den Fachverband Biogas. "Ich sehe in der Biogasnutzung eine große Chance, dem entgegenzuwirken – ganz besonders, wenn der Anbau der Energiepflanzen auch noch Artenvielfalt und Insektenschutz mit sich bringt."
Viele Betreiber von Biogasanlagen seien bereit, alternative Energiepflanzen anzubauen, resümierte der Präsident des Fachverbandes Biogas, Horst Seide. Wichtig sei aber ein finanzieller Ausgleich. In Niedersachsen regelt seit diesem Sommer die Förderrichtlinie "Mehrjähriger Wildpflanzenanbau" die finanzielle Unterstützung. Bis zu 500 €/ha gibt es für den Anbau von Blühpflanzen, wobei die Artenliste verpflichten vorgeschrieben ist. Der niedersächsische Ansatz sei ein gutes Beispiel für andere Bundesländer, sagte Seide. Und auch auf Bundesebene bestehe über eine geeignete Gestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik die Chance, den Ausbau alternativer Energiepflanzen zu fördern.
Weitere Informationen zur Aktionswoche Artenvielfalt gibt es hier oder unter dem Hashtag #blühendesLeben.