Als im Herbst das erste Mal ein anderer Trecker über meinen Acker gefahren ist, habe ich eine Träne verdrückt." Das berichtet ein 50-jähriger Landwirtschaftsmeister, der seinen Hof verpachtet hat und erzählt weiter: "Ich weiß, dass ich betriebswirtschaftlich alles richtig gemacht habe, doch gegen die plötzlich auftauchende Trauer ist es als eingefleischter Bauer manchmal noch schwer anzukommen. Das Herz rebelliert gegen den Verstand."
Dabei ist der Landwirt froh, dass er nun mit Förderanträgen und Pflanzenschutzvorgaben nichts mehr zu tun hat. Sechs Jahre habe es gedauert, von den ersten Überlegungen, aus der aktiven Landwirtschaft auszusteigen, bis hin zum Verpachten und Arbeitsstelle suchen.
Im Generationenwechsel aufgehört
Bis vor wenigen Jahren wurde die Bewirtschaftung eines landwirtschaftlichen Betriebs meist mit dem Generationenwechsel aufgegeben, berichtet Maria Höschen. Sie ist Geschäftsführerin der ländlichen Familienberatung im Erzbistum Paderborn. Die Agraringenieurin und ihre Kollegen begleiten Familien in schwierigen Lebensphasen. "Bis zur Rente hat sich die ältere Generation oft noch ,hinübergerettet‘ und mit innerem Frieden die Bewirtschaftung eingestellt", erzählt sie. Dieser Schritt wird nicht als Niederlage gesehen.
Ausstieg mitten im Berufsleben
Inzwischen hat sich der Wind gedreht: Landwirtinnen und Landwirte steigen auch mitten im Berufsleben aus. Die Gründe sind vielfältig: Es läuft im Stall nicht, das Einkommen reicht nicht, sie halten ihren Hof nicht für zukunftsfähig oder die gesetzlichen Vorgaben verlangen kostspielige Investitionen im sechsstelligen Bereich, beispielsweise in eine Siloplatte, in den Abferkelbereich oder ins Güllelager.
Gerade vor großen "Baustellen" überlegt mancher Unternehmer, ob er weiter wirtschaften möchte oder ob Verpachten und eine Berufstätigkeit die bessere Lösung ist.
- Einige Landwirte schieben die Gedanken zur Hofaufgabe schnell zur Seite,
- bei anderen blitzen sie immer wieder auf – mal mit Bauchschmerzen, weil sie einen Beigeschmack von Scheitern haben – mal rational mit dem Ehepartner diskutiert, um Alternativen zu den hohen Investitionen im Kopf durchzuspielen.
- Für wieder andere Landwirte steht die grundsätzliche Frage im Raum, was sie vom Leben noch erwarten, etwa ob sie die immer anspruchsvoller werdenden Managementaufgaben weiterhin stemmen möchten
- oder ob sie sich wegen teurer Umbauten noch 20 Jahre an die Ferkelproduktion binden wollen.
Fragen über Fragen
Im Gedankenkarussell rund um die Aufgabe der Bewirtschaftung des Hofes drehen sich nach Erfahrung von Maria Höschen unter anderem diese Fragen:
- Der Hof ist ein Generationenprojekt der Familie. Darf ich derjenige sein, der das Lebenswerk der Vorfahren abwickelt?
- Darf ich als Bauernkind beruflich etwas anderes machen als Landwirtschaft?
- Komme ich klar mit den Einnahmen aus Verpachtung sowie Beruf oder Rente?
- Wie sieht mein Leben nach der Hofaufgabe aus? Über was kann ich mich unterhalten?
- Stellt mich ein Unternehmen ein? Wie ist es, wenn ich nicht mehr Chef bin, sondern selbst Vorgesetzte habe?
- Ertrage ich es, wenn jemand anderes auf meinem Hof wirtschaftet und es anders macht?
- Wie verkraftet Opa die Betriebsaufgabe?
- Wie komme ich damit klar, dass ich wegen der Hofaufgabe Dorfgespräch bin?
Es gibt keinen Generationenvertrag
Dringend rät Maria Höschen, sich davon freizumachen, den Hof als "Generationenvertrag" zu betrachten. Damit ist gemeint, dass der Landwirt den Hof von den Vorfahren bekommen hat, um ihn an die nächste Generation weiterzugeben. Viel wichtiger sei, dass alle Familienmitglieder ohne Schuldgefühle über ihr Leben und ihren Beruf selbst bestimmen. "Ein Hof verpflichtet nicht, die eigenen Wünsche hinten anzustellen", betont die Beraterin.
Einmal die Situation besprechen
Wenn die Hofaufgabe kein Gedankenspiel mehr ist, sondern sich abzeichnet, sollte sich die Familie zusammensetzen. "Die betriebliche Situation muss einmal deutlich vor allen Betroffenen formuliert werden. Nur wer Dinge klar benennt, kann überlegen, wie es weitergehen kann", berichtet Maria Höschen. Eine Begleitung durch Fachleute von außen ist in diesem Prozess sinnvoll.
Wichtig ist, dass sich die Entscheidung für das Betriebsleiterpaar gut anfühlt und die Familie sie mitträgt. Damit die Hofaufgabe als positive Veränderung gesehen wird, hilft eine Liste, auf der die Vorteile notiert werden, beispielsweise:
- Wir haben Freizeit, wenn andere Familien frei haben.
- Es gibt keine Stallzeiten mehr.
- Unsere Arbeitsbelastung verringert sich. Die Verantwortung für Tiere und Acker entfällt.
- Die Schuldenlast schwindet. Das Einkommen ist regelmäßig und es hängt nicht von tagesaktuellen Fleisch- und Getreidepreisen ab.
- Der "Bürokram" wird weniger.
Wenn das letzte Tier den Stall verlässt
Bestimmte Tage bei der Betriebsaufgabe sind gezielt zu planen, empfiehlt Maria Höschen. Wie läuft der Tag ab, wenn die Tiere den Hof verlassen? Wird der Stall sofort sauber gemacht und die Aufstallung in den nächsten Tagen abgebaut? Geht man abends essen oder grillt gemeinsam? Was macht die Familie, wenn der Trecker verkauft ist?
Hobbys suchen
Bauernfamilien ziehen aus ihrer Arbeit oft Zufriedenheit und Selbstbewusstsein. Wenn die sinngebende Tätigkeit wegfällt, muss mitunter das Selbstverständnis neu definiert werden, erklärt Maria Höschen. Das kann über die neue Berufstätigkeit geschehen.
Es kann auch helfen, sich gezielt neue Hobbys oder ein Ehrenamt zu suchen. Der Landwirt vom Anfang hat folgende Erkenntnis gewonnen: "Arbeit ist nicht alles im Leben, sondern es zählt, das Leben zu leben. Diesen Schalter im Kopf muss die Bauernfamilie bei einer Hofaufgabe bewusst umlegen."
Lesen Sie mehr: