Die Stimmung unter den heimischen Landwirten ist so schlecht wie selten zuvor. Viele Bauern haben Angst um ihre Zukunft. Sie fühlen sich nicht mehr verstanden, nicht mehr gewollt und zum Teil auch nicht gut vertreten.
Nur noch ein Drittel zuversichtlich
Eine Blitzumfrage unter den mehr als 450 Teilnehmern beim digitalen Verbandstag des WLV-Kreisverbandes Gütersloh am gestrigen Mittwochabend zeigte die Verunsicherung deutlich: Auf die Frage von Moderator und WLV-Hauptgeschäftsführer Dr. Thomas Forstreuter „Sehen Sie für Ihren Betrieb unter den aktuellen Vorzeichen eine Zukunft?“ antworteten nur 30 % der Landwirte mit „Ja“. 32 % votierten mit „Nein“, die restlichen 38 % sind noch unentschieden.
Perspektiven bieten
Das ist sicherlich keine repräsentative Umfrage, aber auf jeden Fall ein sehr eindeutiges Stimmungsbild. „Wir brauchen daher dringend Antworten auf die drängenden Fragen der Branche sowie echte Perspektiven für die Betriebsleiter und ihre Hofnachfolger“, forderte Güterslohs Kreisverbandsvorsitzender Andreas Westermeyer. „Hat Landwirtschaft Zukunft?“ wollte er daher von den Teilnehmern der Podiumsdiskussion wissen. Immerhin waren mit Ralph Brinkhaus der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und mit Ursula Heinen-Esser die NRW-Landwirtschaftsministerin zugeschaltet. Beide Politiker sagten den Landwirten ihre Unterstützung zu. „Natürlich habe die heimische Landwirtschaft eine Zukunft“, so Brinkhaus: Im Gegenteil – ohne Bauern habe die Gesellschaft keine Zukunft. Und man brauche die Landwirte auch weiterhin als Garanten einer sicheren und hochwertigen Lebensmittelversorgung. Wohin die Abhängigkeit von Importware führe, sei ja aktuell sehr schmerzhaft beim Thema Corona-Impfstoffe zu sehen.
Fördern, nicht verhindern
Dazu muss sich die Landwirtschaft indessen weiterentwickeln können. „Die Bauern sind beispielsweise zu mehr Tierwohl bereit“, erklärte Hubertus Beringmeier. Das erfordert jedoch Investitionen und verteuert die laufende Erzeugung, „Wenn auf den Höfen – wie in der aktuellen Marktlage – kaum Geld ankommt, ist keine Weiterentwicklung möglich“, so der WLV-Präsident. Das sah auch Junglandwirtin Carolin Wagemann aus Borgholzhausen so. Die Familie hat die Baugenehmigung für einen neuen Kompoststall für ihre Milchkühe in der Tasche. Das Vorhaben wird von Tierschutzorganisationen mit "sehr gut" bewertet. Bei den Milchpreisen der vergangenen Jahre und gleichzeitig steigenden Futterkosten sei die Finanzierung aber fast unmöglich, so die junge Frau. Die Gewinnverteilung in der Wertschöpfungskette müsse daher dringend hinterfragt werden.
Auch Christoph Sandhäger aus Rheda-Wiedenbrück leidet unter den aktuellen Rahmenbedingungen. Der Sauenhalter ist seit eineinhalb Jahren im elterlichen Familienbetrieb tätig und möchte einen neuen Tierwohlstall bauen, um die alten Ställe abzulösen. Der Junglandwirt fragt sich jedoch, woher er das Geld nehmen soll. Die miserablen Preise und die gesamte derzeitige Lage der Landwirtschaft geben es einfach nicht her, erklärte Sandhäger beim Kreisverbandstag. Gleichzeitig steige der bürokratische Aufwand ständig. Hier müsse dringend gegengesteuert werden, wenn die Landwirte auf Dauer nicht die Freude am Beruf verlieren sollen.
Lebensmittelhandel in der Verantwortung
Um die Erlössituation der Landwirte zu verbessern, möchte Ursula Heinen-Esser sogenannte „Lockvogel-Werbung“ von Fleisch verbieten. Außerdem brachte sie ein „Verbot des Verkaufs unter Produktionskosten“ ins Spiel. Das wäre ein schärferes Schwert als das des Verkaufsverbot unter Einstandspreis, weil der Einkaufspreis die Produktionskosten nicht unbedingt abbildet. Parallel dazu könnte eine eindeutige Herkunftskennzeichnung von Fleisch den heimischen Erzeugern helfen. Hier bleibt aber abzuwarten, wie wichtig das Argument den Verbrauchern ist. Viele von ihnen kaufen bislang im Zweifel stets die preiswertere Ware ein.
Die Frage nach der fairen Entlohnung bleibt daher offen, zumal die Vorschläge der Kommission zur Weiterentwicklung der Nutztierhaltung bislang nicht in geltendes Recht umgesetzt sind. Dabei sollten hier dringend noch vor der Bundestagswahl im September Pflöcke eingeschlagen werden, forderte Ex-Landwirtschaftsminister Jochen Borchert. Die Landwirte bräuchten neben vereinfachten Baugenehmigungen bei Tierwohlumbauten nämlich unbedingt einen transparenten und gegenüber den Kunden gut erklärbaren finanziellen Ausgleich für ihre Mehraufwendungen.