Im Wahlkampf werden die großen Linien der Politik so intensiv diskutiert wie sonst selten. Die Orte, an denen diese Diskussionen stattfinden, haben sich in den vergangenen Jahrzehnten gravierend verändert. Ein großer Teil des Wahlkampfs spielt sich im Internet ab.
Blasen und Bots
Längst entscheiden Algorithmen, welche Nachrichten jedem Einzelnen bei Facebook angezeigt werden, welche Artikel Google zur Lektüre vorschlägt oder welche Twitter-Nachrichten durchdringen. Kurz gefasst: Was nicht ins eigene Weltbild passt, gerät kaum noch ins Blickfeld. Fachleute gehen davon aus, dass dabei auch künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt. Sie kann helfen anhand weniger Likes herauszufinden, welche Hautfarbe, Religion oder politische Orienterung eine Person hat.
Ein Hilfsmittel, um bewusst bestimmten Meinungen Auftrieb zu verleihen, sind Bots (kurz für das englische „Robot“). Das sind Computerprogramme, die automatisiert Aufgaben erfüllen. Das schaffen sie selbst ohne KI. Diese kann aber vorab zu einer noch passgenaueren Ausrichtung beitragen.
Propaganda-Bots „liken“ bestimmte Äußerungen, signalisieren also Zustimmung, und verleihen ihnen damit zusätzliches Gewicht. Sie können aber auch Diskussionen torpedieren, weil sie immer wieder mit den selben Gegenaussagen dazwischenfunken.
Falschmeldungen finden
Im Einsatz ist KI bereits, um Falschmeldungen herauszufiltern. Das Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie hat ein Werkzeug entwickelt, das Kampagnen identifizieren kann, die mit Fake News und Desinformation arbeiten. Getestet haben sie das Tool rund um die vergangene US-Wahl. Auch zur Bundestagswahl wird es zur Analyse im Einsatz sein.
Besonders im Wahlkampf geht es häufig weniger um Inhalte als um Emotionen, um Sympathie und Vertrauen. KI kann rasend schnell herausfinden, wie Botschaften ankommen. Was Wählerinnen und Wähler von dieser oder jener Aussage halten, klärt sich dann nicht erst bei der nächsten Sonntagsfrage, sondern zum Beispiel über die Auswertung von Social-Media-Kanälen.
Von wachsender Bedeutung im Wahlkampf ist „Nudging“, das meint das „Anstupsen“ zuvor herausgefilterter Nutzergruppen. Donald Trump soll diese Methode für seine Wahlkämpfe genutzt haben, indem er Menschen kontaktieren ließ, die dank Datenanalyse mit hoher Wahrscheinlichkeit noch unentschlossen waren. Beim Herausfiltern dieser Wähler kann KI helfen.
KI – bessere Politiker?
Ein Experiment ganz anderer Art gab es in Japan. Dort trat 2018 in der 150 000 Einwohner großen Stadt Tama eine künstliche Intelligenz zu einer realen Bürgermeisterwahl an. Das Wahlargument des Entwicklers: KI lasse sich von Fakten statt von Emotionen leiten, sei nicht bestechlich und immer fair. Mit knapp 7000 Stimmen landete der digitale Kandidat am Ende auf Platz drei.