Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat einen sozialen Ausgleich für steigende Lebensmittel- und Fleischpreise angemahnt. „Es geht nur ökosozial, sonst verliert man die Unterstützung der Bevölkerung“, sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider der „Welt“. Mit Blick auf Sozialhilfeempfänger forderte er, entsprechende Preissteigerungen müssten „zwingend mit einer deutlichen Erhöhung der Regelsätze einhergehen“.
Auch die Union forderte, das Soziale nicht aus den Augen zu verlieren. „Wir werden jedenfalls sehr genau auf die sozialen Auswirkungen achten, denn nicht jeder kann sich Bioprodukte leisten“, sagte der neue Unionsfraktionsvize Steffen Bilger (CDU). Bilger ist in der Fraktionsspitze der Union für Landwirtschaft zuständig.
Özdemir hatte der „Bild am Sonntag“ im Weihnachtsinterview gesagt, es dürfe „keine Ramschpreise für Lebensmittel mehr geben, sie treiben Bauernhöfe in den Ruin, verhindern mehr Tierwohl, befördern das Artensterben und belasten das Klima“. Lebensmittel dürften zwar kein Luxusgut werden, doch der Preis müsse „die ökologische Wahrheit stärker ausdrücken“.
ZKL für sozialen Ausgleich
Mit der sozialen Frage von steigenden Lebensmittelpreisen hatte sich auch die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) beschäftigt und einen sozialen Ausgleich für einkommensschwächere Verbraucher empfohlen. „Nachhaltig produzierte Lebensmittel verlangen nach höheren Preisen. Dabei ist eine entsprechende finanzielle Abfederung für einkommensschwache Verbrauchergruppen in Form einer umfassenden flankierenden Sozialpolitik erforderlich“, hatte die ZKL in ihren Abschlussbericht geschrieben. Dies könne durch eine Erhöhung des ernährungsbezogenen Satzes bei Transfereinkommen und durch jährliche Kompensationszahlungen bei der Anhebung von Verbrauchssteuern erfolgen.
Hinter Özdemirs Vorstoß stellte sich der Deutsche Tierschutzbund. „Es gibt kein Menschenrecht auf Billigfleisch“, erklärte Verbandspräsident Thomas Schröder. „Und es stimmt: Ramschpreise verhindern ein Mehr an Tierschutz“, fügte er hinzu. Umstellungsbereite Landwirte hätten „in diesem Billigpreissystem zudem keine Planungssicherheit“.
Mehr Tierschutz benötige massive Investitionen, erklärte Schröder weiter. Daher brauche es eine Tierwohlabgabe auf Fleisch, Milch und Eier. Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass dies allein nicht reichen werde. Der Staat müsse die Transformation mit zusätzlichen Fördergeldern anschieben und einen stabilen Rahmen schaffen, indem die Tierschutzvorgaben im Ordnungsrecht angehoben und Gesetzeslücken geschlossen würden. Der freie Markt werde es allein nicht schaffen.
Am Ende müsse es aus Tier-, Klima- und Umweltschutzgründen auch darum gehen, Bestände zu reduzieren und das Angebot pflanzlicher Alternativen auszubauen, forderte Schröder. „Man kann den Menschen ihre Ernährungsweise nicht diktieren, aber es gibt auch kein Recht auf das tägliche Stück auf dem Teller“, erklärte er.
Fleischsteuer gefordert
In eine ähnliche Richtung gehen Forderungen von Greenpeace. Für eine bessere Tierhaltung und angemessene Bezahlung der Landwirte bekräftigte die Umweltschutzorganisation ihre Forderung nach einer höheren Mehrwertsteuer auf tierische Produkte. „Die neue Bundesregierung sollte die Mehrwertsteuer für Fleisch und Milch auf den regulären Satz von 19 % anpassen. Im Gegenzug kann sie die Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse senken oder ganz streichen“, sagte Pressesprecher Matthias Lambrecht der „Funke Mediengruppe“. Damit würden Verbraucher entlastet und Anreize für umweltfreundlicheren und klimaschonenderen Konsum pflanzlicher Lebensmittel geschaffen.
Noch ein heikles Thema: Özdemir will Agrarfinanzierung ändern
Özdemir fordert zudem eine Neuausrichtung der Agrarfinanzierung. „Wenn wir Strukturreformen wollen, müssen wir die Landwirtinnen und Landwirte finanziell unterstützen. Es kostet nun mal viel Geld, einen Stall umzubauen“, sagte er dem Redaktions-Netzwerk Deutschland. Auf die in der Ampelkoalition bisher ungelöste Frage der Tierwohlfinanzierung ging Özdemir zwar nicht direkt ein. Dennoch sagte er: „Zum Nulltarif ist eine soziale und ökologische Neuausrichtung der Agrarpolitik jedenfalls nicht zu haben. Wenn wir es ernst meinen, dann müssen wir auch die Mittel dafür zur Verfügung stellen.“ Vieles sei denkbar, er werde darüber jetzt Gespräche führen.
Im Koalitionsvertrag hatte die Ampelkoalition sich nicht auf eine staatliche Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung über Steuern oder Abgaben geeinigt. Stattdessen sollte ein „durch Marktteilnehmer getragenes finanzielles System“ die höheren Kosten für mehr Tierwohl in deutschen Ställen ausgleichen.
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