Für eine tiergerechte Beleuchtung müssen die biologischen Besonderheiten des Vogelauges berücksichtigt werden. Im Gegensatz zum Menschen sind bei Geflügel unter anderem die Wahrnehmung von ultraviolettem (UV) Licht, eine höhere Flimmerfusionsfrequenz und eine höhere Hellempfindlichkeit hervorzuheben. Bei der Lampenauswahl für Geflügel sollte daher unter anderem auf einen UV-A-Anteil und Flackerfreiheit geachtet werden.
Das Huhn sieht mehr Farben
Licht bezeichnet elektromagnetische Wellen, die über Lichtrezeptoren auf der Netzhaut wahrgenommen werden können und im Gehirn zu einem Farbeindruck umgewandelt werden. Die Zapfen sind dabei zuständig für das Farbsehen, Stäbchen für das Schwarz-Weiß-Sehen. Die für das menschliche Auge wahrnehmbaren Wellenlängen, also Farben, sind bei einem Regenbogen zu sehen. Im Regenbogen ist das „weiße“ Licht in die für Menschen sichtbaren Farben zerlegt. Menschen verfügen über drei verschiedene Zapfen, die am empfindlichsten auf die Farben Rot, Grün und Blau reagieren. Geflügel verfügt über einen zusätzlichen vierten Zapfentyp, der die Wahrnehmung von UV-A-Licht ermöglicht. Es ist davon auszugehen, dass Säugetiere mit zwei Zapfen wie Rind und Schwein einen Regenbogen in weniger Farben wahrnehmen als der Mensch. Vergleichsweise wird Geflügel einen Regenbogen am farbreichsten wahrnehmen.
Lebewesen nehmen erst „weißes“ Licht wahr, wenn alle Zapfen gleichzeitig erregt werden. Voraussetzung für die Wahrnehmung von „weißem“ Licht ist, dass die zapfenspezifischen Wellenlängen bzw. Farben im Lichtspektrum enthalten sind. Im Sonnenlicht sind alle Wellenlängen enthalten, die zu einem „weißen“ Farbeindruck führen. Die meisten Kunstlichtquellen enthalten in der Regel keinen UV-A-Anteil, sodass für Geflügel eine Grundfarbe zur Wahrnehmung von „weißem“ Licht fehlt.
Wenn der UV-A-Anteil fehlt
Fehlt eine Farbe im Lichtspektrum, wird die Haltungsumwelt von Geflügel in sogenannten „Falschfarben“ wahrgenommen. Die Farbzusammensetzung des Lichts entscheidet, wie Licht von Haltungsgegenständen und Gefieder reflektiert wird. So sähe eine eigentlich rote Futterschale unter grünem Licht schwarz aus, wie die Abbildung beim Vergleich desselben Knopfes einer Fernbedienung unter den jeweiligen Lichtfarben verdeutlicht.
Ist Geflügel an UV-Licht durch Freilauf gewöhnt, tritt der Effekt des „Falschfarbensehens“ wahrscheinlich bei jedem Wechsel zwischen Freiland und Stall auf. Dadurch nimmt Geflügel das Gefieder von Artgenossen in ständig wechselnden Farben wahr. Plötzlich neuartig reflektierende Gefiederstellen werden von Artgenossen erkundet, wodurch unter Umständen Federpicken hervorgerufen werden kann. „Falschfarbensehen“ im Stall kann unter anderem durch den Einbau von LEDs vermieden werden, die auch UV-A-Licht emittieren.
Licht kann Stress auslösen
Je mehr Wellenlängen im Kunstlichtspektrum enthalten sind, desto eher wird das natürliche Licht nachempfunden und werden die von der Tierschutz-Nutztierhaltungs-VO artentsprechenden Bedürfnisse von Geflügel erfüllt. Auch hat jede Geflügelart abhängig vom natürlichen Lebensraum wahrscheinlich andere Lichtansprüche an ihre Umwelt. Die Pute als ursprünglicher Steppenbewohner würde vielleicht eher hellere Lichtbereiche wählen als das Huhn, das ursprünglich im Dschungel beheimatet ist. Auch das Alter der Tiere kann eine Rolle spielen.
Flimmern kann Federpicken auslösen
Eine weitere Besonderheit des Geflügelauges ist die im Vergleich zum menschlichen Auge höhere Flimmerfusionsfrequenz (FFF). Die FFF beschreibt die Frequenz, ab der eine Abfolge von einzelnen Lichtreizen als kontinuierlicher Lichtstrom wahrgenommen werden. Emittieren Lampen im Stall eine Lichtfrequenz von 100 Hz (doppelte Netzfrequenz), nimmt der Mensch flackerfreies Licht und Geflügel wahrscheinlich flackerndes Licht wahr, sodass Stress beim Tier ausgelöst werden kann. Damit erhöht sich die Gefahr von Verhaltensabweichungen wie Federpicken und Kannibalismus. Aufgrund des überlegenden Sehsinns des Vogels kann der Mensch die Lichtverhältnisse für Geflügel absolut nicht über das eigene Empfinden, sondern nur mit geeigneten Messgeräten beurteilen.
Flimmerfusionsfrequenz (FFF)
Wenn die jeweiligen Lichtreize nicht vollständig miteinander verschmelzen, nimmt der Mensch oder das Tier dies als Flimmern wahr. Die Abfolge (Frequenz) von Bildern oder Lichtreizen, bei der diese als Film oder kontinuierliches Licht wahrgenommen werden, wird als Flimmerfusionsfrequenz (FFF) bezeichnet, die in der Einheit Hertz (Hz) angegeben wird. Geflügel kann eine FFF in der Größenordnung von 120 Hz und Menschen ca. 60 bis 80 Hz erreichen. Geflügel kann ungefähr doppelt so viele Lichtreize voneinander unterscheiden wie der Mensch. Das heißt, es sind pro Minute vergleichsweise mehr Lichtreize nötig, damit das Huhn Licht ohne Flimmern sieht. Helligkeit und Reflexion des Lichtes im Raum beeinflussen die individuelle Wahrnehmung zusätzlich.
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