Einst genossen bis zu 60 Kinder hier Ponyferien wie auf Immenhof. Heute machen ganze Familien Urlaub – mit oder ohne eigenem Pferd. Seit sieben Jahren leiten Tina und Paul Schulze Zurmussen den Ponyhof Georgenbruch in Everswinkel im Kreis Warendorf. Sie stellten den Betrieb um und investierten einen siebenstelligen Betrag in Ferienwohnungen und mit zusätzlichen Pferdeboxen sowie einer zweiten Reithalle auch maßgeblich in die Pensionspferdehaltung.
Immenhof neu denken
Auf dem Hof trifft jede Generation ihre eigene Entscheidung. „Mein Opa hat Mitte des letzten Jahrhunderts den Grundstein für den Ponyhof gelegt“, erzählt Paul Schulze Zurmussen nicht ohne Stolz. Die Shetty-Herde des Kölner Zoos wurde im Zweiten Weltkrieg auf den Hof evakuiert und blieb. Sie bildete den Grundstein für die Pferdezucht und den heutigen Betrieb. Bereits 1963 fanden auf dem Hof die ersten Reiterferien für Kinder statt. Pauls Vater Clemens Schulze Zurmussen baute den Ferienbetrieb weiter aus. Schon in den 80er-Jahren hatte er sich zu einem wichtigen Standbein entwickelt.
Nachfrage verändert sich
Wie sein Vater möchte auch Paul Schulze Zurmussen dem Hof seine eigene Handschrift geben. Die Zeit war reif für Veränderungen: Bei der Betriebsübernahme blickte der studierte Agraringenieur auf rückläufige Anmeldezahlen für die Ponyferien. Hingegen war die Auslastung der Reitstunden unter der Woche sehr gut. Für Neuanmeldungen gab es sogar Wartelisten. Ein weiterer Anstoß für Veränderung war der Modernisierungsbedarf des alten Gutshofes, der nicht nur energetisch nicht mehr auf dem neusten Stand war. Die Mehrbettzimmer waren in die Jahre gekommen und die sanitären Einrichtungen befanden sich zur gemeinschaftlichen Nutzung auf dem Flur. „Das genügte den heutigen Ansprüchen unserer Ferienkinder und ihrer Eltern nicht mehr“, betont Tina Schulze Zurmussen die gestiegenen Anforderungen an Wohnkomfort.
Investition bindet
Die Modernisierung und Erweiterung der Zimmer wäre einer langfristigen Bindung an diesen Betriebszweig gleichgekommen. Das junge Betriebsleiterpaar zögerte. Denn die Suche nach gutem Betreuungspersonal für die Ferienkinder gestaltete sich zunehmend schwierig. Sie entschieden sich, die Pensionspferdehaltung auszuweiten sowie nach reiflicher Überlegung das Haupthaus gründlich zu sanieren und sieben Ferienwohnungen hineinzubauen. „Vorher hatten wir für uns bereits eine Wohnung über dem Stall ausgebaut, um einen eigenen Rückzugsort zu haben“, berichtet Tina Schulze Zurmussen. Bis dato wohnte die kleine Familie ebenfalls im Gutshaus, direkt zwischen den kleinen Feriengästen.
Pläne aus der Schublade
Der Plan, weitere Pferdeboxen zu bauen, war nicht neu. Sie lagen bereits seit einiger Zeit bei Vater Clemens Schulze Zurmussen in der Schublade. Er hatte sie jedoch bis zur Klärung der Hofnachfolge zurückgestellt. „Wir haben sukzessive von einer Handvoll Boxen für Privatpferde auf 44 erweitert“, beschreibt Tina Schulze Zurmussen, die obendrein in Teilzeit als angestellte Tierärztin tätig ist.
Die Entscheidung und Planung des kostspieligen Umbaus des Haupthauses zu Ferienwohnungen war weit aufwendiger. Unterstützung suchten sich Schulze Zurmussens bei einem Unternehmensberater, der sich auf kleine Betriebe außerhalb der Landwirtschaft spezialisiert hat. „Die Sympathie passte und wir sind dankbar für den Input, den er uns gab“, fasst Paul Schulze Zurmussen den mehrjährigen Beratungsprozess zusammen.
Eigene Erfahrungen machen
Noch heute besteht Kontakt, denn das Paar schätzt die objektive und unvoreingenommene Sicht des Beraters auf den Betrieb. „Von ihm kam auch der Tipp, einfach mal selbst Urlaub in einer Ferienwohnung zu machen und den Blick aus Sicht der Gäste zu wagen“, erklärt Tina Schulze Zurmussen. Dieser Rat erwies sich als besonders wertvoll. Aus ihren Erfahrungen auf anderen landwirtschaftlichen Betrieben brachten sie zum Beispiel die Idee mit, die Wohnungen um eine Ausstattung für Babys zu ergänzen und gemeinsame Grillabende anzubieten. „Wir mussten immer unsere Hausaufgaben machen“, beschreibt der 40-jährige Betriebsleiter den Ablauf der Beratung.
Gut beraten zur Veränderung
Der externe Fachmann half, die eigenen Überlegungen zu strukturieren. In den gemeinsamen Gesprächen entstanden die konkrete Geschäftsidee und der dazugehörige Businessplan. Ein weiteres Resultat des Prozesses war, dass Tina und Paul Schulze Zurmussen das Ponycafé, das erst 2010 Eröffnung gefeiert hatte, wieder schlossen. Arbeitsaufwand und Ertrag standen bei diesem Betriebszweig in keinem guten Verhältnis. Zusätzlich raubten die Arbeitsspitzen an den Wochenenden die ohnehin knappe Familienzeit.
Die Realisierung lief gut an. Das Paar war zuversichtlich, die Weichen richtig gestellt zu haben. Doch dann kam der März 2020 und mit ihm Umstände, die niemand auf dem Hof erwartet hätte.
Corona schmerzt
An Ostern sollten die ersten Gäste die Ferienwohnungen beziehen. Doch das Corona-Virus machte der Premiere einen Strich durch die Rechnung. Die Wohnungen mussten leer bleiben. Wenngleich 75 % der Gäste auf einen späteren Zeitpunkt umbuchten, waren die finanziellen Einbußen erheblich. Dennoch sieht das Ehepaar in den besonderen Startbedingungen auch eine Chance. Sie schätzen, dass durch das Corona-Virus der Urlaub im eigenen Land an Popularität gewinnen wird. Die zweifachen Eltern sind zuversichtlich, ihren Betrieb fit für die Zukunft gemacht zu haben. Die Umstrukturierung war kostspielig und mit Risiko behaftet. Doch Tina und Paul Schulze Zurmussen sind sich einig: „Wer Angst hat, der braucht keinen Betrieb zu leiten – aber Respekt sollte man haben.“
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