Kurz gefasst:
- Das Unternehmen Illucens aus Ahaus züchtet und mästet die Larven der Schwarzen Soldatenfliege in einer eigens dafür konzipierten Anlage.
- Die getrockneten Larven werden zu Proteinmehl und Fett verarbeitet. Abnehmer sind vor allem Hunde- und Fischfutterproduzenten.
- Illucens produziert rund 1000 t getrocknete Larven pro Jahr. Laut eigenen Angaben floriert der Absatz.
- Um die Mengen zu steigern, sucht das Unternehmen nun Landwirte, die in eigene Larvenmastanlagen investieren.
- Wer einsteigen will, muss mit einer Investition jenseits der 6 Mio. € rechnen. Eine verfügbare Wärmequelle (z. B. Biogasanlage) ist von Vorteil.
Dirk Wessendorf ist Massentierhalter. Doch in seinem Stall stehen weder Hühner, noch Schweine. „Mein Nutztier ist ein geniales Insekt“, grinst der 50-jährige Geschäftsführer des Unternehmens Illucens aus Ahaus. Auf seiner Hand wuseln Dutzende kleiner, weicher Würmchen: die Larven der Schwarzen Soldatenfliege – auch Hermetia illucens oder Black Soldier Fly (kurz BSF) genannt.
Exzellente Futterverwerter
In einer großen Halle, die früher ein Textilwerk war, produziert das Unternehmen rund 9 t Larven täglich. Diese werden getrocknet und zu Insektenfett und Proteinmehl weiterverarbeitet.
„Die Schwarze Soldatenfliege könnte künftig in der Proteinversorgung der Welt eine Schlüsselrolle spielen“, ist der Firmengründer überzeugt. Immerhin liegt der Eiweißgehalt der getrockneten Larven bei 40 bis 50 % – fast unabhängig davon, was sie zuvor gefressen haben.
Dirk Wessendorf beschäftigt sich bereits seit 13 Jahren mit der Insektenzucht. Heute führt er uns durch seine selbst konzipierte und zum Patent angemeldete Produktionsanlage. Es ist warm und riecht fast wie in einer Zoohandlung.
Getreide, Obst, Gemüse und Nebenprodukte
Der Geruch stammt weniger von den Tieren selbst, als viel mehr von ihrem Futterbrei. Dieser besteht zu einem wesentlichen Anteil aus Getreide. Hinzu kommen Ernteüberschüsse oder Reste aus dem Obst- und Gemüseanbau. Auch Molke, Treber, Trester und Produkte aus der Süßwarenindustrie landen gelegentlich im Mischer.
„Die Larven sind exzellente Futterverwerter. Sie könnten selbst Schlachtabfälle, Biomüll oder Gülle in wertvolles Protein umwandeln. Doch als Nutztiere dürfen sie in der EU nur mit zugelassenen Futtermitteln gefüttert werden“, erklärt Niklas Wolfering. Der Biologe ist bei Illucens für die Nachzucht zuständig und führt Fütterungsversuche durch. Ziel ist es, Nebenprodukte aus der Nahrungsmittelindustrie und der Landwirtschaft im praktischen Einsatz zu testen und Rezepturen zu finden, mit denen sich die Larven besonders effizient mästen lassen.
Larvenmehl im Essen
Hauptabnehmer der Endprodukte Insektenfett und proteinreiches Insektenmehl sind aktuell Hersteller von Hunde- und Fischfutter. Hinzu kommen Proteingroßhändler und Kunden aus der Industrie – europaweit. „Die Nachfrage ist gigantisch. Wir brauchen mehr Menge, um zusätzliche Großaufträge annehmen zu können“, versichert Wessendorf.
Dabei seien die Märkte gerade erst dabei, sich zu entwickeln. Als Beispiele nennt der Insektenhalter Kosmetik und Klebstoff: „Amazon und Co. brauchen immense Mengen an Klebstoff, um ihre Kartons zu verkleben. Hierfür bildet unser Proteinmehl eine gute Basis.“
Der Unternehmer erwartet 2023 noch einen weiteren Nachfrageschub für seine Produkte. Denn voraussichtlich wird auch die Soldatenfliege, wie zuvor schon Grille und Mehlwurm, in Kürze für die menschliche Ernährung zugelassen. „Dabei geht es uns nicht darum, dass Leute die BSF als Snack beim Fernsehen knuspern sollen. Wir denken vielmehr an den Einsatz als eine Art Zusatzstoff in Lebensmitteln, um zum Beispiel den Eiweißgehalt zu erhöhen.“
Pioniere gesucht
Um die Produktion zu steigern, bietet Dirk Wessendorf Landwirten die Möglichkeit, in die Larvenmast einzusteigen. Wie das funktionieren würde, zeigt die Übersicht:
Illucens liefert die Junglarven und nimmt zehn Tage später die getrockneten Larven zurück. Für eine kontinuierliche Auslastung der Mastanlage fahren täglich Lkws hin und her. Das Unternehmen bietet einen festen Abnahmevertrag über 15 Jahre. Bezahlt wird nach Erntegewicht. Der Preis soll sich an einem Getreide- bzw. Futterindex orientieren sowie am tatsächlich realisierten Erlös für die weiterverarbeitete Ware.
Die Investition in eine Anlage der Größenordnung, wie sie in Ahaus steht, ist immens. Von daher will Wessendorf mit seinem Angebot nicht nur Einzelinvestoren ansprechen, sondern auch Zusammenschlüsse von Landwirten. Im Einzelnen geht es um folgende Dinge, die vorhanden sein müssen:
Stallanlagen: Für die komplette Mastanlage mit einer Kapazität von knapp 600 Mio. Larven pro zehntägigem Mastdurchgang ist bei der größeren Ausbaustufe mit einer Investition von über 6 Mio. € zu rechnen, inklusive der Robotik für die Vollautomation. Mit Altställen kann man anteilig sparen – wenn die Höhe ausreicht. 7,5 m sind ideal. Die Technik kann der vorhandenen Gebäudehülle angepasst werden. „Wir können auch den Güllekeller mitnutzen, um an Höhe zu gewinnen“, erklärt Illucens-Techniker Norbert Hunke.
Das Ahauser Unternehmen kann auch den Bauantrag managen. So betreibt Dirk Wessendorf selbst ein Architekturbüro. Der Kontakt zu Kreisen und Kommunen ist bereits geknüpft. „Das Thema ist für alle Neuland. Daher haben wir sämtliche Behörden und Beteiligten früh an einen Tisch geholt“, berichtet der Insektenprofi. Die Gespräche seien durchweg positiv verlaufen. Doch bislang hat noch kein Bauamt eine Genehmigung erteilt. Derzeit kümmere man sich bei zwölf Interessenten um eine Baugenehmigung. Diese kommen aus den Kreisen Borken, Coesfeld, Steinfurt und Münster sowie aus Süd-Niedersachsen. Die Mehrheit will neubauen, wenige planen, vorhandene Gebäude umzunutzen.
Arbeitskraft: Dank Robotik ist der Arbeitsaufwand überschaubar. Für eine 1000-t-Anlage soll 1 AK ausreichen. Die täglichen Aufgaben bestehen im Wesentlichen darin, Futter anzumischen, die Junglarven anzunehmen, sie dem Roboter palettenweise vorzusetzen und Prozessschritte zu quittieren.
Futterflächen: Getreide bildet eine gute Basis für die Insektenfütterung. Wie bei anderen Nutztieren gilt auch hier: Wenn die Anlage landwirtschaftlich genehmigt werden soll, muss 50 % des Futters von eigenen Flächen stammen. Wie viel das tatsächlich sein wird, ist noch nicht abschließend geklärt. Überschlägig benötigt die genannte 1000-t-Anlage aber wohl unter 100 ha erforderliche Fläche.
Zugriff auf Nebenprodukte: Die Wirtschaftlichkeit der Anlage lässt sich weiter steigern, wenn der Mäster zusätzlich gut an Erntereste, Nebenprodukte usw. herankommt. Je günstiger, desto höher die Marge. Wer diesbezüglich noch keine eigenen Beziehungen aufgebaut hat, kann das zusätzliche Futter auf dem Markt erwerben. Die Agravis unterstützt hierbei als Kooperationspartner der Illucens.
Energieversorgung: Den genauen Wärmebedarf seiner Anlage will Wessendorf nicht verraten. Nur so viel: Eine Biogasanlage (oder eine andere verfügbare Wärmequelle) vor Ort ist quasi Pflicht. Die Abwärme lässt sich gut nutzen, um die Larven warmzuhalten, ihr Futter anzuwärmen, das Wasser für die Devitalisierung aufzuheizen und die anschließende Trocknung zu versorgen. Effiziente Wärmetauscher halten die Energie möglichst lange im System.
Darüber hinaus gibt es einen weiteren Anknüpfungspunkt zur Biogasanlage: Der sogenannte Frass der Insekten (Futter-, Häutungsreste, Kot) kann als Substrat eingesetzt werden und liefert vergleichbare Erträge wie etwa Rindermist. Im Anschluss dient der Output als Bodenhilfsstoff.
Lesen Sie mehr: