Die schwarze Fahne mit weißem Pflug und rotem Schwert ist Ende der 1920er Jahre in Schleswig-Holstein entstanden. Damals waren – als Folge einer schweren Agrarkrise – überall in Deutschland Bauernproteste aufgeflackert, am umfangreichsten und radikalsten in der „Landvolkbewegung“ in Schleswig-Holstein.
Zigtausende Bauern sammelten sich seit 1927/28 in dieser anfangs unorganisierten Bewegung, die spätestens am 28. Januar 1928 ins Licht der Öffentlichkeit trat. An diesem Tag demonstrierten in 17 Kreisstädten Schleswig-Holsteins rund 140.000 Bauern.
Die Landvolkbewegung attackierte den demokratischen Rechtsstaat und die parlamentarische Republik. Sie wandte sich überdies auch gegen die „eigenen“ Agrarverbände und Kammerverwaltungen. Nahezu jeder ihrer Aufrufe war von einem aggressiven Antisemitismus durchtränkt.
„Terroristische Einschüchterung“
Was mit Steuerstreiks, Kundgebungen und einem Lieferboykott begonnen hatte, radikalisierte sich in kurzer Zeit. Es kam 1928/29 zu mindestens elf Bombenanschläge auf Rathäuser, Finanz- und Landratsämter. Tote gab es nicht. Die Attentate richteten lediglich Sachschäden an.
Zu den Tätern zählten einheimische bäuerliche Führer wie etwa Claus Heim. Sie wurden unterstützt von versprengten Berufsrevolutionären von rechts, die der „Organisation Consul“ nahe standen. Dieser rechtsextreme, paramilitärisch organisierte Geheimbund hatte unter anderem das Attentat auf Außenminister Walter Rathenau verübt. Auch die Mörder des Zentrumspolitikers Matthias Erzberger hatten der „Organisation Consul“ angehört.
Die „Mittel terroristischer Einschüchterung“, wie es ein Abgeordneter im Oldenburger Landtag seinerzeit bündig formulierte, setzte das Landvolk auch gegen Landwirte ein, die sich der Radikalisierung entzogen oder gar widersetzten.
Nach den Bombenanschlägen und anderen Gewaltakten ging der Rückhalt in der Landbevölkerung zurück. Staatliche Maßnahmen, Gerichtsprozesse und Zuchthausstrafen gegen die bäuerlichen Rädelsführer ließen die Landvolkbewegung weiter schrumpfen. Sie sackte nach knapp zwei Jahren so rasch in sich zusammen, wie sie entstanden war.
Das politische Vakuum, das sie hinterließ, konnte vor allem die NSDAP für sich nutzen. Die Ideologie von Landvolk und NSDAP waren weitgehend deckungsgleich. Zu den Gemeinsamkeiten zählen vor allem
- die Ablehnung von Demokratie, Parlamentarismus und Rechtsstaat,
- der militante Nationalismus,
- das völkische Denken sowie vor allem
- der durchgängige, aggressive Antisemitismus. Er findet sich in nahezu jedem Aufruf der Landvolkbewegung, die unter anderem zum Kampf gegen die „jüdische Hochfinanz“ und das „jüdisch-parlamentarische System“ aufrief.
Wer schuf die Fahne?
Auch personell verquickten sich – nach anfänglicher Distanz – Landvolk und NSDAP rasch. Das zeigt sich nicht zuletzt auch am Beispiel der schwarzweißroten Fahne: Sie geht auf den aus Arenholz stammenden Landwirtssohn und Volksschullehrer Peter Petersen (1904-1989) zurück. Er war Landvolk-Aktivist – und seit 1930 Mitglied der NSDAP.
Später, im „Dritten Reich“, machte Petersen im NS-Reichsnährstand in Goslar und Berlin Karriere. Von 1967 bis 1971 saß Petersen als einer von vier NPD-Abgeordneten im Kieler Landtag.
Aufbewahrt in Oldenburg
Eine der wenigen original erhaltenen Landvolk-Fahnen von 1929 wird bis heute im Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte in Oldenburg aufbewahrt. In einer Dokumentation des Museums heißt es:
„Die schwarze Fahne war das zentrale Symbol dieser Aktionsbewegung, mit dem sich alle identifizieren konnten. In einem Lied der Butjadinger Notgemeinschaft wurde die ,Fahne der Bauernnot‘ besungen. Überall, wo die Landvolkbewegung aktiv wurde, tauchte sie auf, so im März 1932 bei Kolonisten in Augustfehn. Und immer deutlicher schwenkte die Landvolkbewegung ins nationalsozialistische Fahrwasser ein. Im April 1932 riefen protestierende Bauern in Jethausen (bei Varel) den anrückenden Gendarmen ,Juda verrecke‘ entgegen und sangen das Horst-Wessel-Lied.“
„Zusammen die alten Farben“
Als junger Zeitungsredakteur hat der Schriftsteller Hans Fallada (Pseudonym für Rudolf Ditzen) die Ereignisse in Schleswig-Holstein miterlebt. Fallada hat sie in seinem Roman „Bauern, Bonzen und Bomben“ verarbeitet, der bereits 1931 erschienen ist. Darin lässt Fallada einen Landvolk-Aktivisten die Fahne und ihre Symbole mit diesen Worten erklären:
„Ich habe mir alles überlegt. Das Fahnentuch ist schwarz. Das ist das Zeichen unserer Trauer über diese Judenrepublik. Darin ist ein weißer Pflug: Symbol unserer friedlichen Arbeit. Aber, dass wir auch wehrhaft sein können: ein rotes Schwert. Alles zusammen die alten Farben: schwarzweißrot.“
Ein klares Erkennungszeichen
Nicht nur die Geschichte der Fahne, sondern auch ihre Gestaltung und vor allem die Farbgebung weisen eindeutig auf einen rechtsnationalen bzw. rechtsextremistischen Hintergrund hin. Die Farbkombination geht – Fallada deutet es an – auf die Flagge des Kaiserreiches zurück, die von der Weimarer Demokratie abgeschafft und vom NS-Regime 1933 wieder eingeführt worden ist. Als sie 1935 durch die Hakenkreuzflagge ersetzt wurde, hielt das NS-Regime an der Farbkombination schwarzweißrot fest. Sie ist deshalb bis heute in rechten und rechtsextremen Kreisen ein klares Erkennungszeichen nach innen und außen.
Die Landvolk-Fahne tauchte in den Nachkriegsjahren in Deutschland vereinzelt auf Demonstrationen von Landwirten auf. In den einschlägigen Verzeichnissen der Verfassungsschutzbehörden zu Symbolen und Erkennungszeichen der rechtsnationalen bzw. rechtsextremistischen ist sie nicht zu finden. Auch ist sie gesetzlich nicht verboten. Wer sie verwendet, sendet dennoch eine unmissverständliche Botschaft.