Noch ist nichts entschieden. Selbst der erwartete Referentenentwurf stand zum Redaktionsschluss noch aus. Doch schon die Ideen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) zur Erlösabschöpfung reichten aus, um die Biogasbranche in Aufruhr zu bringen.
Der Präsident des Fachverbandes Biogas Horst Seide sprach in der vergangenen Woche im Rahmen der 32. Biogas Convention von einer deprimierten Stimmung, von Verlusten und Insolvenzgefahr. Vizepräsident Christoph Spurk ergänzte: „Es wurden bereits Aufträge in einem Wert von 400 Mio. € storniert.“ Die Summe umfasst Investitionen, die Betreiber von Biogasanlagen tätigen wollten und nun abgesagt bzw. verschoben haben.
90 % Abschöpfung im Gespräch
Ende September erschien eine EU-Verordnung, die das Ziel hat, Übergewinne von Energieunternehmen abzuschöpfen und so die (Strom-)Endkunden zu entlasten. Danach sollen die Mitgliedstaaten in der Zeit von Dezember 2022 bis März 2023 mindestens 90 % der Stromerlöse über 18 Cent/kWh (außer bei Erdgas und Steinkohle) abschöpfen – auch bei den erneuerbaren Energien mit Ausnahme von Biomethan. Die EU gibt dabei den Mitgliedstaaten einen Handlungsspielraum. Nach Eckpunkten der Bundesregierung vom 9. November soll die Abschöpfung oberhalb des anzulegenden Wertes laut EEG plus 3 Cent/kW erfolgen und zwar rückwirkend ab September 2022 (nicht wie ursprünglich geplant ab März).
Flexible Stromproduktion nötig
In der Erneuerbare-Energien-Branche sorgen die Pläne für großen Widerstand. Befürchtet werden massive Eingriffe, die die Investitionsbereitschaft und damit die Energiewende gefährden. Besonders betroffen sei die Biogasbranche. Die wichtigsten Gründe:
- Die Direktkosten, zum Beispiel für Substrate, sind stark gestiegen. Die geplante Erlösobergrenze sei viel zu niedrig und würde zu einem Rückgang der Stromproduktion und zu Insolvenzen führen.
- Viele Erlöse wurden bereits reinvestiert. Eine Rückwirkung würde zu Vertrauensverlust führen und sei zudem eventuell verfassungswidrig.
- Die Abschöpfung der Mehrerlöse reduziert die Anreize, Strom flexibel, also bedarfsgerecht, zu produzieren.
Gerade die flexible Stromproduktion sei aber notwendig, um einen mehr und mehr auf erneuerbarer Energie basierenden Strommarkt stabil zu halten. Die Biogasbranche, so Seide, wolle ihren Teil zur Strompreisbremse beitragen. Doch: „Betreiber haben investiert, Rohstoffe gekauft und die geplante Mehrproduktion bereits an der Börse abgesichert. Kommt die Erlösabschöpfung, wie bisher geplant, wird ihnen der Boden unter den Füßen weggezogen.“
Wann die Bundesregierung eine Entscheidung trifft, ist offen. Ursprünglich wurde ein Kabinettsbeschluss bereits an diesem Freitag erwartet. Nun steht der 25. November im Raum.
Viel Gegenwind
Gegenwind gegen die Vorschläge der Bundesregierung zur Ausgestaltung der Erlösabschöpfung vom 9. November kommt auch aus der Politik. Zwei Beispiele: Die Regierungskoalition in Schleswig-Holstein befürchtet einen Investitionsstopp beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Laut „Süddeutscher Zeitung“ sagte Ener-gie- und Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne): „Das Vertrauen der Energiewende-Unternehmen darf nicht verspielt werden.“ Genau das passiere aber mit dem vorgeschlagenen Modell.
„Wir finden die Vorschläge unglücklich“, sagt Markus Hümpfer (SPD), MdB und Mitglied des Ausschusses Klimaschutz und Energie. „Wir möchten, dass Biogas wie Biomethan von der Abschöpfung ausgenommen wird.“
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