Das „Paukenschlag-Urteil“ aus Mecklenburg-Vorpommern verbreitete sich rasend schnell unter den Landwirten: Das Oberverwaltungsgericht Greifswald hatte die Düngelandesverordnung von 2019 und 2020 Anfang November für unwirksam erklärt. „Geht doch, endlich folgt ein Gericht den Argumenten der Landwirte! Wir sollten auch in NRW klagen und den Schwachsinn mit der Landesdüngeverordnung beenden“, war die schnelle Forderung aus der Praxis.
Ein Pyrrhussieg?
Das könnte allerdings ein Schnellschuss sein, bei dem die Landwirte zunächst mehr Einschränkungen bei der Düngung haben als jetzt, verdeutlichte Dr. Jörn Krämer am Dienstag (16.11.2021) auf der WLV-Vorstandssitzung. Denn: „Das Gericht begründet die Entscheidung damit, dass das Land sogenannte Stützstellen bei der Ausweisung der Roten Gebiete nicht berücksichtigt hat. Dieser Verfahrensschritt hätte aber bei dem vom Land gewählten Regionalisierungsverfahren zwingend durchgeführt werden müssen. NRW ist bei der Gebietsausweisung anhand von hydrogeologischen sowie hydraulischen Kriterien einen etwas anderen Weg gegangen als Mecklenburg-Vorpommern, der am Ende aber zu ähnlichen Ergebnissen führt“, sagte der WLV-Umweltreferent. Konsequenz des Greifswalder Urteils: Das Land Mecklenburg-Vorpommern muss die Roten Gebiete neu ausweisen, der Anteil könnte bis dahin von jetzt 13 auf 85 % der Fläche steigen, befürchtet deren Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus. Denn nach dem Urteil greift die Bundesdüngeverordnung. Diese regelt den Fall, dass ein Land keine Gebietsausweisung vorgenommen hat. Dann ist ein Grundwasserkörper sofort auf rot gestellt, sobald nur eine Messstelle eine Nitratbelastung aufweist.
„Das darf uns in NRW nicht passieren!“, mahnte WLV-Präsident Hubertus Beringmeier. „Wir sind froh über die Binnendifferenzierung und den Rückgang der Roten Gebiete auf 11 %, das dürfen wir nicht aufs Spiel setzen.“
Klage gegen Messstellen
Für den WLV ist es keine Option, die Landesdüngeverordnung sowie die Binnendifferenzierung generell infrage zu stellen. Dennoch gibt es Kritik an einzelnen Messstellen, insbesondere aus den Roten Gebieten. Das verdeutlichte Rainer Meyer, Vorsitzender vom Landwirtschaftlichen Kreisverband Minden-Lübbecke.
Seine Erfahrungen in Kurzform: Im Raum Petershagen-Hille-Minden bemängeln Landwirte schon lange einzelne Messstellen, weil diese ganz offensichtlich weder geeignet noch funktionstüchtig sein können. Die Landwirte haben das mehrfach beim Landwirtschafts- sowie Umweltministerium und beim Landesamt für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz (LANUV) NRW gemeldet, sind aber nicht zu einer Lösung gekommen. Daraufhin haben sie die „Interessengemeinschaft Gerechte Messstellen“ gegründet und ein Gutachten bei Dr. Stephan Hannappel von der HYDOR Consult GmbH in Auftrag gegeben. Ergebnis: Mindestens vier der sechs Grundwassermessstellen zur Ausweisung der nitratbelasteten Gebiete seien fachlich dazu nicht geeignet. Dieses Ergebnis wollten die Landwirte Anfang November mit Vertretern vom Ministerium und LANUV diskutieren – doch diese haben den Termin kurzfristig abgesagt und zunächst auf Mitte Dezember verschoben. „Das riecht nach Hinhalte-Taktik, zumal die Frist zur Einreichung einer Klage zum Jahresende ausläuft“, sagte Meyer. Konsequenz: Die Landwirte bereiten aktuell eine Klage vor, warten einen nun kurzfristig anstehenden Gesprächstermin aber noch ab. Sollten sich keine Lösungen abzeichnen, wollen sie Klage einreichen. Dabei geht es ganz konkret um die laut Gutachten nicht geeigneten Messstellen, nicht um die Landesdüngeverordnung oder Binnendifferenzierung generell.
WLV will gezielt unterstützen
Intensiv haben die WLV-Vorstandsmitglieder darüber diskutiert, ob und ggf. wie sie das begleiten. Am Ende fasste Rechtsanwalt Hubertus Schmitte den Beschluss so zusammen: „Der WLV unterstützt Klagen, die sich auf die konkrete Eignung einzelner Messstellen beziehen. Er unterstützt aber keine Klagen, die sich auf das komplette System der Gebietsausweisung beziehen.“
Über allem schwebt außerdem noch das laufende Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission. Weil es weiter Kritik gibt, könnte es noch zu einer erneuten Ausweisung belasteter Gebiete nach geänderten rechtlichen Grundlagen kommen.
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