Welche Bedeutung wird dem Bericht der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) in den Koalitionsverhandlungen und unter Zeitdruck zukommen? SPD, Grüne und FDP haben sich unmittelbar vor Beginn der Koalitionsverhandlungen zu den Empfehlungen der ZKL für einen Umbau des Agrar- und Ernährungssystems bekannt. Bei der Abschlussveranstaltung der ZKL am Dienstag dieser Woche (19. Oktober 2021) in Berlin ließen Vertreter der möglichen künftigen Koalitionsparteien aber offen, welche Vorschläge sie aufgreifen wollen und wie deren Umsetzung erfolgen soll.
Politik am Zuge
„Die Zukunftskommission Landwirtschaft hat die Agrar-Umwelt-Politik nicht neu erfunden“, räumte Prof. Dr. Peter Strohschneider, Vorsitzender der ZKL, in seinem Impulsvortrag ein. Dennoch habe sie Kompromisse gefunden, die in einen Rahmen eingeordnet seien, in dem sie sich stützen und der Rosinenpickerei erschwere. Jetzt sei die Politik am Zuge, auf Basis der Empfehlungen mit ein wenig Umsetzungsfantasie zu agieren.
Er räumte ein, dass die Kosten der Transformation über die in den öffentlichen Haushalten verfügbaren Mittel hinausgingen. Allerdings werde der Umbau noch viel teurer, „wenn wir jetzt nichts tun“, so Strohschneider in Anspielung an steigende Umwelt- und Gesundheitskosten. Das bedeutet für ihn nicht, dass nationale und internationale Märkte für Lebensmittel, Futtermittel oder Bioenergie, die bisher ‚frei‘ gewesen wären, künftig reguliert würden. Es heiße vielmehr, dass gegenwärtige Marktregime so weiterentwickelt werden müssen, dass sie auch in ökologischer Hinsicht begründungsfähig sind.
„Gräben zugeschüttet“
„Der Abschlussbericht der ZKL ist nicht für die Schlepperkabine geschrieben, sondern für die Abgeordneten des Bundestags“, so Werner Schwarz, Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes, der auf dem Podium mitdiskutierte. Agrar- und Umweltseite haben ihm zufolge bereits die „Gräben zugeschüttet“ und zueinander gefunden. Das gleiche forderte er von den Koalitionspartnern.
Uneinigkeit herrschte vor allen Dingen bei der Frage nach der Finanzierung des Umbaus der Nutztierhaltung. „Der Konsens, dass zusätzliche Leistungen in der Landwirtschaft etabliert, auch honoriert werden müssen, hat beide Seiten zusammengebracht“, so Olaf Bandt, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland.
Eine Honorierung werde aber nicht rein über marktwirtschaftliche Instrumente funktionieren.Mit Nachdruck trat Dr. Matthias Mirsch, Mitglied des Bundestags und stellvertretendem Vorsitzenden der SPD-Fraktion, der Erwartung entgegen, allein über die Bereitstellung zusätzlicher öffentlicher Mittel ließen sich die anstehenden Herausforderungen etwa in der Tierhaltung bewältigen. „Es ist genügend Geld im System“, so Miersch.
Keine Tierwohlsteuer
Der landwirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Dr. Gero Hocker, verwies auf die im Sondierungspapier bekräftigte Absage an Steuererhöhungen. Das gelte auch für den Agrarbereich, betonte Hocker. Eine Tierwohlsteuer ist für ihn kein tragfähiges Konzept. Es müsse möglichst eine Lösung mit europäischen Standards geben, die die Verbraucher beim Konsum in die Pflicht nehmen.
Renate Künast, Mitglied des Bundestags von Bündnis 90/Die Grünen, rechnet damit, dass die Nutztierbestände schon bis 2035 halbiert werden müssten, um die Transformation umzusetzen. Ein reduzierter Fleischkonsum sei in diesem Kontext dringend notwendig.
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