Urteil des BGH zu Prämiensparverträgen

Zinsnachschlag für Prämiensparer

BGH bestätigt: Klausel zur Zinsanpassung beim „S-Prämiensparen flexibel“ ist unwirksam. Kunden stehen Nachzahlungen zu. Je nach Vertrag können das mehrere hundert oder tausend Euro sein.

Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes haben Verbraucher gegenüber Banken und Sparkassen einen Anspruch auf Nachforderungen bei den Zinszahlungen. Wie viel das sein wird, muss das Oberlandesgericht Dresden nun klären. Je nach Vertrag können das mehrere hundert oder tausend Euro sein.

Alter Prämiensparvertrag von 1999

Traute (78) und Klaus (81) B. könnten sich demnächst freuen. Das Rentnerehepaar schloss 1999 einen Prämiensparvertrag mit einer Laufzeit von 25 Jahren und einer monatlichen Sparrate von 100 € bei ihrer Sparkasse vor Ort ab. Das Besondere an diesen Prämiensparverträgen ist, dass der Sparer zusätzlich zum Zins eine jährliche Prämie erhält, die mit der Laufzeit steigt.

Wegen der anhaltenden Niedrigzinsphase sind solche Verträge aus Sicht der Geldinstitute unvorteilhaft. Daher hat der Berater die Eheleute wohl auch immer wieder angerufen und ihnen „empfohlen“, ihren Vertrag vorzeitig zu kündigen und das Geld in neue Produkte der Sparkasse anzulegen. Das haben die beiden nicht getan. Jetzt sieht es so aus, dass sie wie viele andere Sparkassen- und Bankkunden Anspruch auf einen Zinsnachschlag haben. Im Einzelfall kann dieser im drei- oder sogar vierstelligen Bereich liegen.

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BGH-Urteil stärkt Kunden

Grundlage ist ein Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) in Karlsruhe vom 6. Oktober 2021 (Az.: XI ZR 234/20). Mit diesem Urteil stärken die Richter die Kunden in zwei wichtigen Punkten.

  • Erstens entschieden sie, dass die in älteren Prämiensparverträgen häufig enthaltenen Klauseln zu variablen Zinssätzen unzulässig sind.
  • Zweitens legten sie fest, dass die dreijährige Verjährungsfrist erst ­beginnt, wenn der Sparvertrag beendet ist. So bestehen Nachzahlungsansprüche gegebenenfalls bis zurück in die 1990er-Jahre.

Dem Verfahren vor dem BGH liegt eine Musterfeststellungsklage der Verbraucherzentrale Sachsen für 1300 Sparer gegen die Stadt- und Kreissparkasse Leipzig vor dem Oberlandesgericht (OLG) Dresden aus dem April 2020 zugrunde. Darin ging es um bestimmte Klauseln, mit denen die Sparkasse Leipzig Zinsen auf Prämiensparverträge bzw. Bonussparverträge anpasste.

Die Sparkasse hatte nämlich beim Kunden den von ihr jeweils durch Aushang im Kassenraum bekannt gegebenen Zinssatz angewendet, den sie nach eigenem Ermessen gesenkt hatte. Das war nicht korrekt, befanden die Richter. Solche Klauseln würden das Mindestmaß an Kalkulierbarkeit nicht erfüllen und seien daher unwirksam. Stattdessen müsse sich der Sparzins an einem angemessenen, langfristigen, öffentlich zugänglichen Referenzzinssatz orientieren und sei monatlich anzupassen.

Zinsansprüche im Einzelfall prüfen

Nach Informationen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) enthalten viele ältere Verträge derartige (ungültige) Zinsanpassungsklauseln. Ob Landwirten, die in der Regel als Privatkunden solche Sparverträge abgeschlossen haben, Zinsnachzahlungen zustehen, entscheidet der Einzelfall. „Man muss sich die vereinbarten Vertragsklauseln ansehen, da es viele unterschiedliche Vertragsmodelle gab“, erklärt Rudolf Schüller, Westfälisch-Lippische Versicherungs- und Unternehmensberatungsgesellschaft mbH, Saerbeck.

Was Kunden tun können

Mit der Prüfung sollten sie nicht lange warten. Denn der Wirrwarr um die Prämiensparverträge ist noch nicht vorbei. Jetzt muss das OLG Dresden als Vorinstanz festlegen, welcher Referenzzinssatz geeignet ist. „Je nachdem, wie lange das OLG benötigt, um zu einem Urteil zu kommen, könnten Ansprüche aus ­bereits beendeten Sparverträgen verjähren“, warnt Schüller, „im Einzelfall kann es sinnvoll sein, hier zur Fristwahrung seine Bank mit einem entsprechenden Schreiben aufzufordern, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, bis das OLG-Urteil vorliegt.“

Geschehe dies nicht, sollte man zeitnah einen Rechtsanwalt einschalten. Für laufende Verträge rät Schüller, diese nicht zu kündigen, ohne die Zinsansprüche zu klären. Außerdem sollte das Geldinstitut in angemessener Zeit darstellen, wie es die Verzinsung nachträglich korrigieren und in Zukunft handhaben will. Hat die Hausbank den Prämiensparvertrag bereits gekündigt, haben Kunden im Rahmen der dreijährigen Verjährungsfrist ggf. noch Anspruch auf Zinsnachzahlung. Dieser ist unabhängig davon, ob die Kündigung durch die Sparkasse überhaupt rechtmäßig ist.

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