Wochenblatt: Beim Borchert-Plan stockt es. Niedersachsen hat eine Bundesratsinitiative gestartet, die Sie unterstützen. Zudem planen Sie mit Schleswig-Holstein einen Vorstoß auf der Agrarministerkonferenz. Warum?
Heinen-Esser: Der Bund muss mit der Umsetzung des Borchert-Plans jetzt vorankommen. Die Gefahr ist, dass ihn die Regierung in dieser Legislaturperiode nicht umsetzt und somit der große Konsens zum Umbau der Nutztierhaltung verloren geht. Im September gibt es eine neue Bundesregierung, die möglicherweise das Thema Nutztierhaltung anders bewertet, als wir es tun. Ein Entschließungsantrag zeigt den Willen des Bundesrates, dass wir jetzt die Umsetzung des Borchert-Papiers wünschen. Die Agrarministerkonferenz hat sich ja schon eindeutig positioniert.
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner sagt, wer jetzt fordere, Borchert schnell umzusetzen, habe das Papier nicht gelesen oder nicht verstanden.
Sicher sind die offenen Fragen zur Finanzierung immer schwieriger zu lösen, je näher wir an die Bundestagswahl kommen. Denn ein Vorschlag von einer Verbrauchssteuer von 40 Cent/kg Fleisch wird nicht bei allen Jubelschreie auslösen. Das birgt Risiken in einem Wahljahr. Daher gilt es, jetzt das Thema anzupacken und abzuräumen.
Bleiben wir bei der Finanzierung: Die Borchert-Kommission empfiehlt eine Verbrauchssteuer, die Union hat sich für eine Umlage ausgesprochen. Was favorisieren Sie?
Ich halte eine Verbrauchssteuer, etwa in der vorgeschlagenen Höhe von 40 Cent/kg für fair, weil sie sich am Verbrauch orientiert. Die Umlage arbeitet mit pauschalen Beträgen. Gleich welches Instrument man wählt: Der Mehrpreis für höhere Tierwohlstandards kann zumindest mittelfristig nicht allein über den Markt dargestellt werden.
Dass auf den Markt kein Verlass ist, hat jetzt noch einmal der sogenannte Bauern-Soli gezeigt, den ein Discounter schon nach wenigen Wochen wieder zurückgenommen hat. Da bin ich jetzt aber auch auf die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie gespannt.
Warum die Verzögerung?
Diese sollte eigentlich schon da sein, kommt jetzt vermutlich im März. Warum die Verzögerung?
Das müssen Sie im BMEL anfragen. Rückenwind für faire Lebensmittelpreise gibt unsere aktuelle Bundesratsinitiative, die vergangene Woche mit breiter Mehrheit von den Ländern unterstützt wurde. Darin wird der Bund aufgefordert, Lockvogelwerbung bei Fleisch und Fleischerzeugnissen zu unterbinden und sicherzustellen, dass die Einkaufspreise des Handels nicht unter den realen Produktionskosten liegen. Faire Preise sind die Voraussetzung für mehr Tier- und Umweltschutz entlang der Fleischkette vom Stall bis zum Teller.
Wie realistisch ist es dann überhaupt, dass eine Umsetzung der Ergebnisse der Borchert-Kommission noch vor der Wahl kommt?
Der Handlungsdruck ist groß, auch sehe ich eine breite Unterstützung in der Gesellschaft. Also bin ich weiterhin zuversichtlich. Auch bei der Agrarministerkonferenz im März werden wir dies noch einmal ansprechen und einfordern. Die Zustimmung im Bundesrat halte ich für realistisch, hier haben wir es ja selbst in der Hand. Wie gewillt der Bundestag ist, das noch vor der Wahl zu verabschieden, ist offen.
Pläne auch für Rind und Geflügel?
Borchert soll auch für Rind und Geflügel gelten – doch außer der Ankündigung gibt es kaum Details. Worauf müssen sich Rinder- sowie Geflügelhalter einstellen?
Diese Überlegungen stehen noch am Anfang. In NRW haben wir für die Zukunft der Rinderhaltung bereits ein erstes Arbeitspapier erstellt, das wir aktuell mit den Verbänden diskutieren.
In der Tierhaltung dreht sich viel um die Nutztierstrategie – aber wo und wie setzen Sie sich für den „normalen“, konventionellen Schweinehalter ein? Nur ein Beispiel: Der Entwurf zur TA-Luft hat viele Fallstricke für Schweinehalter.
Wir müssen den Nutztierhaltern eine Perspektive geben und deutlich machen: Wenn ihr jetzt investiert, habt ihr die nächsten zehn Jahre Ruhe. Dafür setzen wir uns zum Beispiel bei der TA-Luft oder dem Baurecht ein. Landwirte müssen Sicherheit über einen längeren Zeitraum haben. Unter anderem darf es nicht sein, dass sie zwei Jahre auf eine Baugenehmigung warten. Auf Haus Düsse bauen wir derzeit zwei Stalltypen, einen evolutionären und einen revolutionären. Ziel ist, Erfahrungen zu sammeln, welche Elemente sinnvoll sind, um nicht nur das Tierwohl in den Schweinställen zu verbessern, sondern auch die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen.
Insgesamt ist meine Idee: Wir müssen die Gemeinsame Agrarpolitik und die Nutztierstrategie in ein Fahrwasser bringen. Das heißt, jetzt noch einmal Veränderungen, dann aber Planungssicherheit für einen längeren Zeitraum.
Vor allem auf Sauenhalter kommen gravierende Um- bzw. Neubaumaßnahmen zu, um die Vorgaben der Tierschutz-Nutztierhaltungs-Verordnung zu erfüllen. Garantieren Sie den Landwirten, dass sie eine Baugenehmigung bekommen?
Ich stehe in einem engen Austausch mit NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach und auch Bundestagsabgeordnete im Umwelt- und Bauausschuss, damit Genehmigungsfragen zur Verbesserung des Tierwohls privilegiert werden. Wir sind hier schon einen großen Schritt vorangekommen.
Das gilt aktuell nur für Sauenhalter?
Wir arbeiten daran, dass dies auch für die weiteren Nutztierhalter gilt. Und es gilt im Übrigen nicht nur das Tierwohl. Es müssen auch weitere öffentliche Belange berücksichtigt werden, sonst sind gerade in unseren dicht besiedelten und viehstarken Regionen Konflikte vorprogrammiert.
Warum keine Hilfen für Schweinehalter?
Schweinehalter sind durch Corona extrem gebeutelt. Warum gibt es keine Hilfen?
Noch sind die Verbände uns gegenüber sehr zurückhaltend, was die Forderungen nach Hilfen angeht. Damit hätte ich aber auch Bauchschmerzen. „Solange es gut läuft, ist es der Markt. Und wenn es nicht läuft, soll es der Staat machen“ - das kann nicht richtig sein. Wobei ich mir für die Ferkelerzeuger schon eine Unterstützung hätte vorstellen können. Natürlich können die staatlichen Corona-Hilfen oder Angebote der Rentenbank auch von allen Landwirten genutzt werden.
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